Betreff
Papierloser Kreistag; hier: Anfrage der FDP-Kreistagsfraktion vom 04.07.2014
Vorlage
SV-9-0075
Aktenzeichen
01 10
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

Es wird eine Arbeitsgruppe, bestehend aus je zwei Abgeordneten der Kreistagsfraktionen von CDU und SPD und jeweils einem Abgeordneten der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, UWG und FAMILIE/DIE LINKE, und Mitarbeitern der Verwaltung gebildet. Diese soll eigene Erfahrungen in der Handhabung und im Umgang mit der Software sammeln und offene Fragen erörtern sowie Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise erarbeiten. .

Begründung:

 

 

Papierloser bzw. papierarmer Sitzungsdienst

 

 

I.-V.

 

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 14.12.2011 beschlossen, dass ab dem 01.01.2012 die Niederschriften aller Gremien des Kreises Coesfeld über das Kreistagsinformationssystem papierlos und digital zur Verfügung gestellt werden, sofern nicht ausdrücklich die Papierform gewünscht ist. Des Weiteren wurde als Zielsetzung die Einführung eines papierlosen Sitzungsdienstes ab der nächsten Wahlperiode festgelegt.

 

Im Rahmen der Umsetzung der Beschlusslage wurden in der vergangenen Wahlperiode wie auch zu Beginn dieser Wahlperiode alle Kreistagsabgeordneten und sachkundigen Bürgerinnen und Bürger hierüber informiert und gebeten, sich zur gewünschten Form der Niederschrift zu erklären und gegebenenfalls einen Zugang zum Kreistagsinformationssystem im Internet (KIS) zu beantragen.

 

Von den 54 Kreistagsabgeordneten haben sich 15 Kreistagsabgeordnete grundsätzlich bzw. nur für einzelne Gremien für die Papierform ausgesprochen. Hierzu kommen 21 von 36 sachkundigen Bürgerinnen und Bürger aus den Fachausschüssen. Diese Zahlen dürften sich durch weitere Rückläufe im Laufe der Wahlperiode verändern.

 

Um die Arbeit in den Gremien zu erleichtern und die Nutzung elektronischer Medien im Sinne einer papierarmen Kreistagsarbeit voranzubringen, wurden die Sitzungsräume im Kreishaus I mit WLAN ausgestattet. Von der Möglichkeit, einen Zugang zum WLAN zu erhalten, haben bislang neun Kreistagsabgeordnete bzw. sachkundige Bürgerinnen und Bürger Gebrauch gemacht.

 

Des Weiteren wurden alle Kreistagsabgeordneten und sachkundige Bürgerinnen und Bürger über die bereits bestehenden Möglichkeiten des Kreistagsinformationssystems der Fa. Somacos durch eine Broschüre informiert. So ist es bereits jetzt möglich, dass komplette Sitzungen heruntergeladen und als PDF-Dokumente gespeichert und mit Notizen versehen werden.

 

Im Zusammenhang mit der Beantwortung der schriftlichen Anfrage der FDP-Kreistagsfraktion vom 08.11.2013 wurde ein Zeitplan genannt, nach dem in der Kreistagssitzung am 01.10.2014 eine Entscheidung über die Einführung und über die bevorzugten Varianten getroffen werden soll. Dieser Zeitplan hat sich auf Grund des Arbeitsaufkommens u.a. im Zusammenhang mit den Wahlen und ihrer Nachbereitung als nicht haltbar herausgestellt.

 

 


Frage 1           Welche Erfahrungen aus entsprechenden Umstellungen sind der Kreisverwaltung aus anderen Kommunalparlamenten bekannt?

Vorgehensweise anderer Kommunen im Umkreis:

(alle genannten Kommunen nutzen die Sitzungsdienstsoftware Session der Fa. Somacos)

 

1.      Kreis Borken

Einladungen und Sitzungsunterlagen sowie die Niederschriften werden in gedruckter Form erstellt und übersandt. Daneben wird das Kreistagsinformationssystem im Internet angeboten und von einigen Mandatsträgern genutzt. Außerdem wird die Software Session Mandatos für iPads der Fa. Somacos allen Mandatsträgern zur Verfügung gestellt, die diese Möglichkeit mit einem privaten iPad (oder einem ggf. im Rahmen anderer Gremienarbeit - z.B. in einem Stadt-/Gemeinderat - zur Verfügung gestellten iPad) nutzen möchten. Tendenz der Verwaltung: Nutzung von Session Mandatos auf freiwilliger Basis, ggf. mit Kostenerstattung/-zuschuss bei Verzicht auf Papierformat.

2.      Kreis Steinfurt

Der Kreistag des Kreises Steinfurt hat am 16.12.2013 die Einführung des Digitalen Sitzungsdienstes auf Basis der Mandatos-Software für iPads mit der neuen Wahlperiode beschlossen. Alle Kreistagsmitglieder werden seitens des Kreises mit iPads einschl. WLAN- und UMTS-Nutzung ausgestattet. Zuvor hat der dortige interfraktionelle AK Datenverarbeitung ca. 1 Jahr lang die Funktionalität der Software und Hardware getestet.

3.      Kreis Warendorf

Seitens der Politik gibt es im Kreis Warendorf noch keine Positionierung in Sachen „digitale Ratsarbeit“. Derzeit werden Einladungen und Sitzungsunterlagen in gedruckter Form versandt, die Niederschriften werden in digitaler Form über das KIS zur Verfügung gestellt. Es gibt Überlegungen ggf. die Mandatos-Software für iPad und Android für vorhandene Geräte der Mandatsträger zur Verfügung zu stellen.

4.      Stadt Billerbeck

Der Rat der Stadt Billerbeck hat am 16.07.2013 beschlossen, dass die Einführung der digitalen Ratsarbeit nach den Sommerferien vorbereitet wird. Die dazu notwendige Anschaffung von iPads durch teilnehmende Ratsmitglieder und sachkundige Bürger wird mit 250 € (50 €/Jahr) seitens der Stadt Billerbeck bezuschusst. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden erfolgt eine entsprechende Rückrechnung des Zuschusses.
Einige Mandatsträger nutzen bereits seit Ende 2013/Anfang 2014 die Mandatos-App auf eigenen iPads. Am 30.09.2014 findet eine Ratssitzung statt, auf der die rechtlichen Grundlagen (Satzung, GeschO Rat) angepasst werden sollen. Anschließend können die Mandatsträger, die die digitale Ratsarbeit nutzen möchten, eine entsprechende Erklärung abgeben und damit auch den o.g. Zuschuss beantragen. Den teilnehmenden Mandatsträgern werden dann alle Einladungen und Niederschriften nur noch digital über die Mandatos-App zur Verfügung gestellt.

5.      Stadt Coesfeld

Bei der Stadt Coesfeld wird im Rahmen der digitalen Ratsarbeit bisher das Ratsinformationssystem im Internet (RI) genutzt. De Facto werden Einladungen und Unterlagen noch vollständig in gedruckter Form, Niederschriften in digitaler Form über das RI bereitgestellt (mit entsprechender Info-E-Mail). In den vergangenen ca. 2 Jahren wurde die Software Mandatos für PC/Notebooks getestet. Unter den Aspekten Sicherheit/Datenschutz, Handhabung und Supportaufwand wird diese Anwendung dort allerdings nicht mehr favorisiert.
Im Rahmen einer Vorlage für die nächste Sitzung des Rates (25.09.2014) schlägt die Verwaltung nun vor, für die digitale Ratsarbeit die Mandatos-App für iPads und für Android-Tablets einzusetzen und allen Mandatsträgern, die diese Möglichkeit nutzen wollen und auf Sitzungsunterlagen in Papierform zu verzichten, eine Entschädigung für die Anschaffung und den Betrieb eines Tablet-PC in Höhe von 250,-- € zu gewähren. Dieser Zuschuss müsste bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Ratsarbeit anteilig erstattet werden. Ebenso erfolgt eine anteilige Kürzung des Zuschusses bei Einstieg in die digitale Ratsarbeit zu einem späteren Zeitpunkt.

6.      Stadt Dülmen

Das Ratsinformationssystem im Internet ist dort seit rd. 1 Jahr im Einsatz, wird bisher aber nur von einigen Mandatsträgern genutzt. Im Haushalt 2014 wurden Haushaltsmittel zur Beschaffung von iPads (WLAN-Nutzung; mit UMTS-Slot für ggf. private Karte) für alle Ratsmitglieder und den Verwaltungsvorstand  (55) eingeplant. Derzeit läuft eine Testphase, in der 9 Mandatsträger und 3 Verwaltungsmitarbeiter die Geräte und die Mandatos-App prüfen. Die Testphase soll Ende Oktober 2014 beendet sein. Anschließend wird über das weitere Vorgehen beraten.

7.      Stadt Lüdinghausen

Bei der Stadt Lüdinghausen befindet man sich noch in einer am 30.09.2014 auslaufenden Testphase. Die Fraktionen benannten technikaffine Mitglieder, die die Mandatos-App auf iPads testen. Im Anschluss sollen die Erfahrungen dem Rat angetragen werden, der dann über die weitere Vorgehensweise entscheidet. Nach dortigen Berechnungen wäre der Einsatz der digitalen Ratsarbeit kostenneutral, d.h. die papiergebundene und die digitale Ratsarbeit würden etwa gleiche Kosten verursachen (mit WLAN- aber ohne UMTS-Anbindung). Die Stadt LH beabsichtigt die Ratsmitglieder auf freiwilliger Basis mit iPads auszustatten; derzeit wird mit einer Quote von 50 - 70% gerechnet.

 

 

Frage 2           Wie könnte eine Umstellung unter Beachtung der Wahlfreiheit für die Gremienmitglieder zum 01.01.2015 erfolgen?

 

Eine Umstellung zum 01.01.2015 erscheint technisch nicht unmöglich ist aber praktisch nicht anzuraten, u.a. weil noch keinerlei Erfahrungen im Umgang mit der Software bestehen. Die Software Session Mandatos (Server) und Session Mandatos App für iPad und Android muss zunächst noch beschafft und installiert werden. Anschließend empfiehlt sich ein Anwendungstest.

 

Es wird daher vorgeschlagen, zunächst eine Arbeitsgruppe bestehend aus zwei Vertretern je Fraktion und Mitarbeitern der Verwaltung (Büro des Landrats und Zentraler Service) zu bilden. In dieser sollen die notwendigen Erfahrungen in der Handhabung bzw. im Umgang mit der Software gesammelt und noch offenen Fragen (z.B. unterstützte Hardware: iPad und/oder Android, Änderungsvorschlag für die Geschäftsordnung, Bereitstellung erforderlicher Mittel…) erörtert sowie Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise erarbeitet werden.

 


 

Frage 3           Mit welchen Kosten ist in Bezug auf eine Umstellung zu rechnen? Wie hoch fallen diese Kosten im Vergleich zur Fortführung des bisherigen Vorgehens aus.

Kosten für die Anschaffung/Nutzung von Session Mandatos

1.    einmalige Kosten

·         Session Mandatos Serverlizenz                              5.105,10 €

·         Session Mandatos iPad Clientlizenz                        2.552,55 €

·         Session Mandatos Android Clientlizenz                  2.552,55 €         10.210,20 €

2.    laufende Kosten (mtl.)

·         Softwarepflege Mandatos Serversoftware                102,34 €

·         Softwarepflege Mandatos iPad-App                            51,17 €

·         Softwarepflege Mandatos Android App                       51,17 €              204,68 €
= jährliche Kosten                                                                             1.842,12 €

Da die bisher gewährte Aufwandsentschädigung nach der Entschädigungsverordnung die Kosten für ein entsprechendes und erforderliches Endgerät nicht umfasst, wäre ein Gerät entweder durch den Kreis zu beschaffen oder der Kauf zu bezuschussen.

 

Es ist davon auszugehen, dass nicht alle Kreistags- und Ausschussmitglieder an diesem Verfahren teilnehmen werden, so dass nach wie vor eine nicht bekannte Anzahl von Einladungen weiterhin in Papierform verschickt werden müssen.

 

Hinsichtlich der möglichen Einsparungen ist auf Folgendes hinzuweisen:

Auf Grund der Vielzahl der Schriftstücke, die zum Teil lediglich die Verwaltung an die Kreistagsabgeordneten weiterleitet, konnte nach Einschätzung der Poststelle bislang – möglicherweise auch im Zusammenwirken mit einem Zuwarten beim Versand - bei keinem der Kreistagsabgeordneten auf eine DIN A 4-Postsendung verzichtet werden, so dass die Einsparungen bei den Postdienstleistungen gegen null gehen dürften.

Hinsichtlich der Einsparungen bei den Papier- bzw. Kopierkosten dürften sich die Einsparungen auf jährlich rd. 3.264 € belaufen. (40 x 81,60 € p.a. je Ktabg.)

 

 

 

 

Frage 4           Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gilt es in Bezug auf eine Umstellung zu beachten?

 

Eine Vorschrift, in welcher Form der Kreistag einzuberufen ist, findet sich in der Kreisordnung nicht, vielmehr schreibt § 32 Abs. 2 Satz 1 vor, dass diese Frage in der Geschäftsordnung des Kreistages geregelt werden muss. Vor diesem Hintergrund sehen die Geschäftsordnungen - so auch die Geschäftsordnung des Kreistages des Kreises Coesfeld in § 1 - regelmäßig die schriftliche Form vor. Die Ladung muss an jedes Mitglied des Kreistages gesondert ergehen, unabhängig davon, ob z. B. bekannt ist, dass einzelne Mitglieder krankheits- oder urlaubsbedingt ohnehin verhindert sind oder bei ihnen ein Ausschließungsgrund gemäß § 35 Abs. 6 KrO i.V.m. § 31 GO besteht.

 

Die Einladungen sind vom jeweiligen Vorsitzenden zu unterzeichnen (§ 32 KrO NRW). Bei einer Einladung handelt es sich um eine abgabebedürftige und empfangsbedürftige Erklärung des jeweiligen Vorsitzenden gegenüber dem einzelnen Kreistagsmitglied bzw. Ausschussmitglied. Eine reine „Abrufungslösung“, wonach das einzelne Mitglied verpflichtet ist, die Unterlagen abzurufen, ohne mindestens hierauf aufmerksam gemacht worden zu sein, wird als unzulässig erachtet.

Mindestens ist eine „Einladungs-E-Mail“ erforderlich. Eine Kombinations-Lösung, wonach bspw. eine E-Mail an Ratsmitglieder verschickt wird, worin mitgeteilt wird, dass die Einladung zur Sitzung am xx.xx.xxxx bereit steht und ein Link mitversandt wird, wird als zulässig erachtet.

 

„Fraglich erscheint angesichts der Regelung des § 3a VwVfG NRW, ob eine in der Geschäftsordnung vorgesehene Schriftform durch elektronische Form ersetzbar ist. Gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG NRW kann eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen wird.

Was bereits für eine gesetzlich vorgeschriebene Schriftform gilt, muss erst recht für eine durch eine untergesetzliche Binnenrechtsregelung wie die Geschäftsordnung vorgeschriebene Schriftform gelten.

Daher empfiehlt es sich, in der Geschäftsordnung ausdrücklich klarzustellen, ob nur eine schriftliche Ladung gewollt ist oder ob diese durch elektronische Ladung ersetzt werden kann oder sogar soll. Vor diesem Hintergrund ist die in einigen Kommunen praktizierte Form der elektronischen Einladung und des elektronischen Dokumentenmanagements im Rahmen von sog. Kreistagsinformationssystemen rechtlich zulässig. Sollen mit der Einladung allerdings Vorlagen, die für nichtöffentliche Sitzungen bestimmt sind, übermittelt werden, ist die Übersendung nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass ein unberechtigter Zugriff Dritter auf diese Dateien nicht möglich ist (vgl. § 1 Abs. 3 der Muster-Geschäftsordnung für den Kreistag im Anhang B).

Allerdings wird zu berücksichtigen sein, dass aufgrund des Rechts aller Kreistagsmitglieder auf gleiche Information und gleichen Informationszugang eine Teilnahme an einem Kreistagsinformationssystem auf elektronischer Grundlage nicht aufgezwungen werden kann. Besteht für Kreistagsmitglieder nicht die Möglichkeit, an einem derartigen Verfahren teilzunehmen, so wird ihnen das Recht zustehen, weiterhin schriftlich und postalisch geladen zu werden.

Bei Teilnahme an einem elektronischen Kreistagsinformationssystem ist weiterhin die Frage der Kostenbelastung der Kreistagsmitglieder in der Geschäftsordnung zu klären. Die pauschalisierte Aufwandsentschädigung nach § 30 Abs. 6 i.V.m. der EntschVO berücksichtigt jedenfalls bislang noch nicht Kosten, die durch eine Verlagerung von Druckkosten von Seiten der Kreisverwaltung auf die Kreistagsmitglieder entstehen, und erst recht nicht die notwendigen Anschaffungskosten für die zum Empfang der Daten notwendige Computerausstattung.“ (Auszug Kommentierung zu § 32 KrO NRW, Kleerbaum/Palmen)

 

Die Software Session Mandatos der Fa. Somacos genügt sowohl den verfahrensrechtlichen als auch datenschutzrechtlichen Anforderungen. Insbesondere für die Apps für iPad und Android-Tablets gilt zusätzlich, dass diese einfach zu installieren sind und die notwendigen Sicherheitsmechanismen bereits „mitbringen“.
Bei der aktuellen Mandatos-Windows-Anwendung müssen neben der eigentlichen Installation umfangreiche weiter Schritte (z.B. Verschlüsselung der Festplatte etc.) unternommen werden um die erforderliche Sicherheit auf einem Windows-PC oder -Notebook zu erzielen (s.o. 5. Stadt Coesfeld).
Hier sollten die Mandatos-Apps bevorzugt werden. Dies ist i.d.R. auch bei den Kommunen im Umkreis der Fall.