Betreff
Planfeststellungsverfahren "Errichtung und Betrieb einer DK I-Deponie in Dülmen-Rödder"
Vorlage
SV-9-0142
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

Ohne

 

 

 

Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

Begründung:

 

I.- V.

 

Planfeststellungsverfahren „Errichtung und Betrieb einer DK I-Deponie in Dülmen-Rödder“

 

In der Sitzung des Kreistags am 01.10.2014 hatte der Landrat über vergebliche Bemühungen des Kreises berichtet, eine planerische Befassung der Abfallwirtschaftsplanung des Landes mit dem durch die Bedarfsanalyse des Landes ermittelten Bedarf an DK I-Deponiekapazitäten herbeizuführen. Forderungen des Kreises nach einem (über-) regionalen Deponie-Standortkonzept, einer überörtlichen Standortalternativenprüfung oder zumindest einer umfassenden Raumverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Regionalplanung waren, wie im Kreistag mitgeteilt, von der Bezirksregierung ebenso zurückgewiesen worden wie eine beim Land angeregte Übernahme laufender Verfahren auf eine übergeordnete Planungs- und Entscheidungsebene im Rahmen der laufenden Novelle zur Zuständigkeitsverordnung für den Umweltschutz (sog. ZustVU).

 

Die damit ausschließlich beim Kreis verbleibende Verantwortung für den rechtmäßigen Umgang mit dem hier vorliegenden Planfeststellungsantrag eines privaten Entsorgungsunternehmens zur Errichtung und zum Betrieb einer DK I-Deponie am Unternehmensstandort in Dülmen-Rödder war daraufhin Anlass für zahlreiche Anfragen aus dem Kreistagsplenum, so dass angeregt wurde, in der nächsten Fachausschusssitzung über den Stand des Verfahrens zu berichten und auf Fragen aus dem politischen Raum detailliert eingehen zu können.

 

In der Sitzung wird die Verwaltung über den vorliegenden Planfeststellungsantrag und den bisherigen Verlauf des Planfeststellungsverfahrens ergänzend informieren und die nächsten Verfahrensschritte erläutern. Zur Erläuterung des rechtlichen Rahmens und für die Beantwortung rechtlicher Fragen hat Rechtsanwalt Tyczewski, Sozietät Wolter-Hoppenberg, der den Kreis bei der Beantwortung komplexerer Rechtsfragen zu dem Verfahren berät, sein Kommen zugesagt.

 

Im Überblick stellt sich die Situation wie folgt dar:

 

I. Rechtliche Rahmenbedingungen

 

Gemäß § 35 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 02.02.2012 bedürfen die Errichtung und der Betrieb von Deponien der Planfeststellung durch die zuständige Behörde. Der Begriff der Deponieklasse I ist in § 2 Nr. 7 der Deponieverordnung (DepV) legaldefiniert. Danach handelt es sich bei einer Deponie der Klasse I um eine oberirdische Deponie für Abfälle, die die Zuordnungskriterien nach dem Anhang 3 Nr. 2 für die Deponieklasse I einhalten. Bei diesen Abfällen handelt es sich typischerweise um nicht verwertbare mineralische Abfälle (Bauschutt, Bauabfälle, Straßenaufbruch, Gipsabfälle), schwach belastetes Baggergut aus Gewässern und Auen sowie Abfälle aus bestimmten gewerblichen und industriellen Prozessen mit einem geringen organischen Anteil (wie etwa Verbrennungsaschen und –schlacken oder Gießereireststoffe).

 

Das Zulassungsinstrument der Planfeststellung hat der Gesetzgeber insbesondere für größere, flächenintensive, umweltrelevante Infrastrukturvorhaben vorgesehen, die in die Umwelt eingebunden und mit anderen Ansprüchen an die Nutzung des Raums in Einklang gebracht werden müssen. Während es sich bei der für kleinere Entsorgungsanlagen vorgesehenen Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz um eine gebundene Entscheidung handelt, die dem Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung einräumt, wenn die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, beinhaltet die Planfeststellung ein planerisches Ermessen der Planfeststellungsbehörde. Aufgrund des Abwägungsgebotes, welches die planerische Gestaltungsfreiheit rechtlich bindet, hat die Planfeststellungsbehörde eine Abwägungsentscheidung zu treffen, der Antragsteller mithin nur einen Anspruch auf Entscheidung und rechtsfehlerfreie Abwägung. Liegen die Voraussetzung für eine positive Entscheidung vor, ist also – erstens – die Planrechtfertigung, insbesondere der Bedarf für das Vorhaben gegeben, sind – zweitens – die zwingenden rechtlichen Vorgaben (z.B. Ziele der Raumordnung, natur- oder artenschutzrechtliche Bauverbote, abfallrechtliche Zulassungsvoraussetzungen etc.) gewahrt und hat – drittens – die Planfeststellungsbehörde die Vorstellungen des Vorhabenträgers – mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts – „abwägend nachvollzogen“, steht der Behörde allerdings „kein eigenständiges Versagungsermessen“ mehr zu.

 

Die Planfeststellung schließt alle nach anderen Fachgesetzen erforderlichen Erlaubnisse und Zustimmungen ein, kann sich unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen als vorrangige überörtliche Planung über die kommunale Bauleitplanung der Belegenheitsgemeinde hinwegsetzen und mitunter sogar Grundlage für weitreichende Eingriffe in die Eigentumsrechte Dritter sein.

 

 

II. Stand des Planfeststellungsverfahrens

 

Mit Schreiben vom 22.12.2009 hat das in Dülmen-Rödder ansässige Entsorgungsunternehmen (nachfolgend: Antragstellerin) einen Antrag auf Feststellung des Plans für die Errichtung und den Betrieb einer Deponie der Klasse I an seinem Unternehmensstandort gestellt. Nach den Antragsunterlagen soll auf einer Gesamtfläche von ca. 8 ha Einlagerungsvolumen von ca. 860.000 m3 geschaffen werden. Bei einer jährlichen Anlieferungsmenge von ca. 60.000 bis 70.000 m3 wird von einer Gesamtlaufzeit des Deponiebetriebs von 12 bis 14 Jahren ausgegangen. Einzugsgebiet soll ein Umkreis von etwa 30 km um den geplanten Standort sein, wobei für die eigenen Bedarfsdarlegungen von rd. 1.000.000 Einwohnern im Einzugsbereich ausgegangen wird. Nach verschiedenen Antragsänderungen, durch die u.a. auf sämtliche als „gefährlich“ i.S. der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) klassifizierte Abfallarten verzichtet wurde, geht es in dem Verfahren nunmehr noch um 152 Abfallarten i.S. dieser Verordnung.

 

Nach der öffentlichen Bekanntmachung, der Auslegung der Planunterlagen und der Trägerbeteiligung im Januar und Februar 2010 gingen fristgemäß 21 Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange ein, so etwa Stellungnahmen verschiedener Behörden der Bezirksregierung Münster, des Geologischen Dienstes, des Landesbetriebs Straßen NRW, der Gelsenwasser oder der Stadt Dülmen; außerdem wurden durch das Landesbüro der Naturschutzverbände NRW verschiedene Einwände gegen das Vorhaben geltend gemacht; Einwendungen von Bürgerinnen oder Bürgern gingen innerhalb der Einwendungsfrist nicht ein. Die eingegangenen Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange haben zu den erwähnten mehrfachen Antragsänderungen geführt. Von den hierzu eingeforderten weiteren Stellungnahmen der jeweils berührten Träger – eine erneute Auslegung war nach dem Inhalt der Antragsänderungen in Ermangelung neuer Betroffenheiten nicht erforderlich – standen zuletzt noch zwei Stellungnahmen der Bezirksregierung Münster aus, die im Oktober eingegangen sind.

 

Im Rahmen einer Eingabe der Bürgerinitiative IG Naturschutz Rödder hatte der Kreis das zuständige Umweltministerium bereits im September 2011 auf die Notwendigkeit hingewiesen, für die Frage der Planrechtfertigung und des Bedarfs zunächst aus der abfallfachlichen Sicht des Landes die weitere Entwicklung der Abfallmengen der Deponieklasse I zu beurteilen. Soweit sich dabei ein überregionaler oder gar landesweiter Bedarf ergeben sollte, wurde kreisseitig geltend gemacht, dass dann auch zwingend eine überregionale bzw. landesweite Planung und Standortalternativenprüfung erfolgen müsse, die nicht auf der Ebene der Kreise erfolgen könne. Mit Erlass des Ministeriums vom 07.05.2012 wurden dann alle Planfeststellungsbehörden unter Hinweis auf eine in Ergänzung zum neuen Abfallwirtschaftsplan-Siedlungsabfall beabsichtigte landesweite Bedarfsanalyse für DK I-Deponien gebeten, „Entscheidungen über die Zulassung bzw. Planfeststellung von DK I-Deponien, die an bislang nicht für die Ablagerung von Abfällen genutzten Standorten errichtet werden sollen, zunächst zurückzustellen“. Unter Hinweis auf die Zusammenfassung der seit Dezember 2013 vorliegenden Ergebnisse der Bedarfsanalyse hat das Land diesen Erlass am 7. Februar 2014 wiederum aufgehoben und die Unteren Umweltschutzbehörden anweisen lassen, laufende Verfahren fortzuführen.

 

Hinsichtlich des Bedarfs nach einem überregionalen Entsorgungskonzept und einer damit verbundenen Standortalternativenprüfung im Rahmen der Regionalplanung bzw. durch eine Fachplanung auf Bezirksebene ist in der Sitzung des Kreistages im Oktober, wie einleitend wiedergegeben, ausführlich berichtet worden. Festzuhalten bleibt, dass das Ministerium ein landesweites Entsorgungskonzept für DK I-Abfälle ebenso ablehnt wie die Bezirksregierung eine regionale Lösung. Unter Hinweis auf die Vereinbarkeit mit den im Regionalplan festgelegten Zielen der Raumordnung wird ein weitergehendes Regionalplan-Änderungsverfahren mit strategischer Umweltprüfung und Alternativenvergleich ebenfalls abgelehnt. Die je nach Flächenverfügbarkeit privater Entsorgungsunternehmen und damit letztendlich nach dem Zufallsprinzip mit Planfeststellungsanträgen konfrontierten Kreise bleiben als Planfeststellungsbehörden aufgefordert, ohne gesamträumliche Abstimmung über vorliegende Anträge zu entscheiden.

 

Aktuell wertet die Verwaltung die seit Mitte Oktober im Volltext vorliegende Bedarfsanalyse aus. Für das Land NRW kommt diese bekanntlich in einem mittleren Szenario bis zum Jahr 2030 zu einer Gesamtablagerungsmenge in Höhe von 62, 1 Mio. m3, während das Restvolumen auf rd. 21 Mio. m3 beziffert wird und für rd. 27 Mio. m3 Planungen verzeichnet sind – allerdings sind die Restkapazitäten und die Aufkommensschwerpunkte je nach Abfallart regional sehr unterschiedlich verteilt. Mit Ergänzungsgutachten vom 29.09.2014 hat die Antragstellerin ihre für die Artenschutzprüfung erforderlichen Antragsunterlagen aktualisiert.

 

Nach Auswertung der aktuellen Stellungnahmen, Unterlagen und Analysen wird der Planfeststellungsantrag voraussichtlich mit der Antragstellerin, den Trägern öffentlicher Belange und den von dem Vorhaben Betroffenen in einem nächsten Schritt erörtert werden können (sog. Erörterungstermin). Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sind in einem weiteren Schritt auszuwerten. Das Datum für einen Erörterungstermin steht noch nicht fest. Aktuell ist auch noch keine Aussage möglich, welchen Zeitraum die Auswertungsphase in Anspruch nehmen wird und wann und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen über den Planfeststellungsantrag entschieden werden kann.