Beschlussvorschlag:
Ohne
Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.
Begründung:
I.- V.
Planfeststellungsverfahren „Errichtung
und Betrieb einer DK I-Deponie in Dülmen-Rödder“
In der Sitzung des Kreistags am 01.10.2014 hatte der Landrat über
vergebliche Bemühungen des Kreises berichtet, eine planerische Befassung der
Abfallwirtschaftsplanung des Landes mit dem durch die Bedarfsanalyse des Landes
ermittelten Bedarf an DK I-Deponiekapazitäten herbeizuführen. Forderungen des
Kreises nach einem (über-) regionalen Deponie-Standortkonzept, einer
überörtlichen Standortalternativenprüfung oder zumindest einer umfassenden Raumverträglichkeitsprüfung
im Rahmen der Regionalplanung waren, wie im Kreistag mitgeteilt, von der
Bezirksregierung ebenso zurückgewiesen worden wie eine beim Land angeregte
Übernahme laufender Verfahren auf eine übergeordnete Planungs- und
Entscheidungsebene im Rahmen der laufenden Novelle zur Zuständigkeitsverordnung
für den Umweltschutz (sog. ZustVU).
Die damit ausschließlich beim Kreis verbleibende Verantwortung für den
rechtmäßigen Umgang mit dem hier vorliegenden Planfeststellungsantrag eines
privaten Entsorgungsunternehmens zur Errichtung und zum Betrieb einer DK
I-Deponie am Unternehmensstandort in Dülmen-Rödder war daraufhin Anlass für
zahlreiche Anfragen aus dem Kreistagsplenum, so dass angeregt wurde, in der
nächsten Fachausschusssitzung über den Stand des Verfahrens zu berichten und
auf Fragen aus dem politischen Raum detailliert eingehen zu können.
In der Sitzung wird die Verwaltung über den vorliegenden
Planfeststellungsantrag und den bisherigen Verlauf des
Planfeststellungsverfahrens ergänzend informieren und die nächsten
Verfahrensschritte erläutern. Zur Erläuterung des rechtlichen Rahmens und für
die Beantwortung rechtlicher Fragen hat Rechtsanwalt Tyczewski, Sozietät
Wolter-Hoppenberg, der den Kreis bei der Beantwortung komplexerer Rechtsfragen
zu dem Verfahren berät, sein Kommen zugesagt.
Im Überblick stellt sich die Situation wie folgt dar:
I. Rechtliche Rahmenbedingungen
Gemäß § 35 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und
Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen
(Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 02.02.2012 bedürfen die Errichtung und
der Betrieb von Deponien der Planfeststellung durch die zuständige Behörde. Der
Begriff der Deponieklasse I ist in § 2 Nr. 7 der Deponieverordnung (DepV) legaldefiniert.
Danach handelt es sich bei einer Deponie der Klasse I um eine oberirdische
Deponie für Abfälle, die die Zuordnungskriterien nach dem Anhang 3 Nr. 2 für
die Deponieklasse I einhalten. Bei diesen Abfällen handelt es sich
typischerweise um nicht verwertbare mineralische Abfälle (Bauschutt,
Bauabfälle, Straßenaufbruch, Gipsabfälle), schwach belastetes Baggergut aus
Gewässern und Auen sowie Abfälle aus bestimmten gewerblichen und industriellen
Prozessen mit einem geringen organischen Anteil (wie etwa Verbrennungsaschen
und –schlacken oder Gießereireststoffe).
Das Zulassungsinstrument der Planfeststellung hat der Gesetzgeber
insbesondere für größere, flächenintensive, umweltrelevante
Infrastrukturvorhaben vorgesehen, die in die Umwelt eingebunden und mit anderen
Ansprüchen an die Nutzung des Raums in Einklang gebracht werden müssen. Während
es sich bei der für kleinere Entsorgungsanlagen vorgesehenen Genehmigung nach
dem Bundes-Immissionsschutzgesetz um eine gebundene Entscheidung handelt, die
dem Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung einräumt,
wenn die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, beinhaltet die
Planfeststellung ein planerisches Ermessen der Planfeststellungsbehörde.
Aufgrund des Abwägungsgebotes, welches die planerische Gestaltungsfreiheit
rechtlich bindet, hat die Planfeststellungsbehörde eine Abwägungsentscheidung
zu treffen, der Antragsteller mithin nur einen Anspruch auf Entscheidung und
rechtsfehlerfreie Abwägung. Liegen die Voraussetzung für eine positive Entscheidung
vor, ist also – erstens – die Planrechtfertigung, insbesondere der Bedarf für
das Vorhaben gegeben, sind – zweitens – die zwingenden rechtlichen Vorgaben
(z.B. Ziele der Raumordnung, natur- oder artenschutzrechtliche Bauverbote,
abfallrechtliche Zulassungsvoraussetzungen etc.) gewahrt und hat – drittens –
die Planfeststellungsbehörde die Vorstellungen des Vorhabenträgers – mit den
Worten des Bundesverwaltungsgerichts – „abwägend nachvollzogen“, steht der
Behörde allerdings „kein eigenständiges Versagungsermessen“ mehr zu.
Die Planfeststellung schließt alle nach anderen Fachgesetzen
erforderlichen Erlaubnisse und Zustimmungen ein, kann sich unter Beachtung
bestimmter Voraussetzungen als vorrangige überörtliche Planung über die
kommunale Bauleitplanung der Belegenheitsgemeinde hinwegsetzen und mitunter
sogar Grundlage für weitreichende Eingriffe in die Eigentumsrechte Dritter
sein.
II. Stand des Planfeststellungsverfahrens
Mit Schreiben vom 22.12.2009 hat das in Dülmen-Rödder ansässige
Entsorgungsunternehmen (nachfolgend: Antragstellerin) einen Antrag auf Feststellung
des Plans für die Errichtung und den Betrieb einer Deponie der Klasse I an
seinem Unternehmensstandort gestellt. Nach den Antragsunterlagen soll auf einer
Gesamtfläche von ca. 8 ha Einlagerungsvolumen von ca. 860.000 m3 geschaffen
werden. Bei einer jährlichen Anlieferungsmenge von ca. 60.000 bis 70.000 m3
wird von einer Gesamtlaufzeit des Deponiebetriebs von 12 bis 14 Jahren
ausgegangen. Einzugsgebiet soll ein Umkreis von etwa 30 km um den geplanten
Standort sein, wobei für die eigenen Bedarfsdarlegungen von rd. 1.000.000
Einwohnern im Einzugsbereich ausgegangen wird. Nach verschiedenen
Antragsänderungen, durch die u.a. auf sämtliche als „gefährlich“ i.S. der
Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) klassifizierte Abfallarten verzichtet wurde,
geht es in dem Verfahren nunmehr noch um 152 Abfallarten i.S. dieser
Verordnung.
Nach der öffentlichen Bekanntmachung, der Auslegung der Planunterlagen
und der Trägerbeteiligung im Januar und Februar 2010 gingen fristgemäß 21
Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange ein, so etwa Stellungnahmen
verschiedener Behörden der Bezirksregierung Münster, des Geologischen Dienstes,
des Landesbetriebs Straßen NRW, der Gelsenwasser oder der Stadt Dülmen; außerdem
wurden durch das Landesbüro der Naturschutzverbände NRW verschiedene Einwände
gegen das Vorhaben geltend gemacht; Einwendungen von Bürgerinnen oder Bürgern
gingen innerhalb der Einwendungsfrist nicht ein. Die eingegangenen
Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange haben zu den erwähnten
mehrfachen Antragsänderungen geführt. Von den hierzu eingeforderten weiteren
Stellungnahmen der jeweils berührten Träger – eine erneute Auslegung war nach
dem Inhalt der Antragsänderungen in Ermangelung neuer Betroffenheiten nicht
erforderlich – standen zuletzt noch zwei Stellungnahmen der Bezirksregierung
Münster aus, die im Oktober eingegangen sind.
Im Rahmen einer Eingabe der Bürgerinitiative IG Naturschutz Rödder hatte
der Kreis das zuständige Umweltministerium bereits im September 2011 auf die
Notwendigkeit hingewiesen, für die Frage der Planrechtfertigung und des Bedarfs
zunächst aus der abfallfachlichen Sicht des Landes die weitere Entwicklung der
Abfallmengen der Deponieklasse I zu beurteilen. Soweit sich dabei ein
überregionaler oder gar landesweiter Bedarf ergeben sollte, wurde kreisseitig
geltend gemacht, dass dann auch zwingend eine überregionale bzw. landesweite
Planung und Standortalternativenprüfung erfolgen müsse, die nicht auf der Ebene
der Kreise erfolgen könne. Mit Erlass des Ministeriums vom 07.05.2012 wurden
dann alle Planfeststellungsbehörden unter Hinweis auf eine in Ergänzung zum
neuen Abfallwirtschaftsplan-Siedlungsabfall beabsichtigte landesweite
Bedarfsanalyse für DK I-Deponien gebeten, „Entscheidungen über die Zulassung
bzw. Planfeststellung von DK I-Deponien, die an bislang nicht für die
Ablagerung von Abfällen genutzten Standorten errichtet werden sollen, zunächst
zurückzustellen“. Unter Hinweis auf die Zusammenfassung der seit Dezember 2013
vorliegenden Ergebnisse der Bedarfsanalyse hat das Land diesen Erlass am 7.
Februar 2014 wiederum aufgehoben und die Unteren Umweltschutzbehörden anweisen
lassen, laufende Verfahren fortzuführen.
Hinsichtlich des Bedarfs nach einem überregionalen Entsorgungskonzept
und einer damit verbundenen Standortalternativenprüfung im Rahmen der
Regionalplanung bzw. durch eine Fachplanung auf Bezirksebene ist in der Sitzung
des Kreistages im Oktober, wie einleitend wiedergegeben, ausführlich berichtet
worden. Festzuhalten bleibt, dass das Ministerium ein landesweites
Entsorgungskonzept für DK I-Abfälle ebenso ablehnt wie die Bezirksregierung
eine regionale Lösung. Unter Hinweis auf die Vereinbarkeit mit den im
Regionalplan festgelegten Zielen der Raumordnung wird ein weitergehendes
Regionalplan-Änderungsverfahren mit strategischer Umweltprüfung und
Alternativenvergleich ebenfalls abgelehnt. Die je nach Flächenverfügbarkeit
privater Entsorgungsunternehmen und damit letztendlich nach dem Zufallsprinzip
mit Planfeststellungsanträgen konfrontierten Kreise bleiben als
Planfeststellungsbehörden aufgefordert, ohne gesamträumliche Abstimmung über
vorliegende Anträge zu entscheiden.
Aktuell wertet die Verwaltung die seit Mitte Oktober im Volltext vorliegende
Bedarfsanalyse aus. Für das Land NRW kommt diese bekanntlich in einem mittleren
Szenario bis zum Jahr 2030 zu einer Gesamtablagerungsmenge in Höhe von 62, 1
Mio. m3, während das Restvolumen auf rd. 21 Mio. m3 beziffert wird und für rd.
27 Mio. m3 Planungen verzeichnet sind – allerdings sind die Restkapazitäten und
die Aufkommensschwerpunkte je nach Abfallart regional sehr unterschiedlich
verteilt. Mit Ergänzungsgutachten vom 29.09.2014 hat die Antragstellerin ihre
für die Artenschutzprüfung erforderlichen Antragsunterlagen aktualisiert.
Nach Auswertung der aktuellen Stellungnahmen, Unterlagen und Analysen
wird der Planfeststellungsantrag voraussichtlich mit der Antragstellerin, den
Trägern öffentlicher Belange und den von dem Vorhaben Betroffenen in einem
nächsten Schritt erörtert werden können (sog. Erörterungstermin). Die dadurch
gewonnenen Erkenntnisse sind in einem weiteren Schritt auszuwerten. Das Datum
für einen Erörterungstermin steht noch nicht fest. Aktuell ist auch noch keine
Aussage möglich, welchen Zeitraum die Auswertungsphase in Anspruch nehmen wird
und wann und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen über den
Planfeststellungsantrag entschieden werden kann.