Beschlussvorschlag:
1. Auf die Erarbeitung einer verbindlichen
Pflegebedarfsplanung zum 31.03.2015 wird verzichtet.
2. Der Erlass der Durchführungsverordnung zum APG NRW
wird abgewartet, um deren Anforderungen im weiteren Verfahren mit
berücksichtigen zu können.
Begründung:
I. Problem
Bisherige Regelung im
Landespflegegesetz (PFG NW)
Nach Einführung der bisherigen gesetzlichen Grundlage im Jahr 2003 war eine planerische Bedarfsbestätigung des Kreises für Pflegeinrichtungen als Grundlage für die öffentliche Investitionskostenförderung gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Hintergrund dieser, auch als „Freigabe des Marktes“ bezeichneten Regelung waren ein aufgelaufener Investitionsstau und eine Rechtsprechung, die die bis dahin geltende Angebotssteuerung über Bedarfsbestätigungen nicht mehr zuließ.
Bedingung für die Investitionskostenförderung von teil- und vollstationären Pflegeinrichtungen war nach PFG NW „nur“ die Einhaltung vorgegebener baulicher Standards und der Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Pflegekassen. Die im Gesetz beschriebene „Pflegeplanung“ diente - soweit diese Option durch den örtlichen Träger wahrgenommen wurde - nur der „Marktbeobachtung“. Im Kreis Coesfeld wurde von dieser Option kein Gebrauch gemacht.
Neues Alten- und Pflegegesetz
NRW (APG NRW)
Am 16.10.2014 ist das neue Alten- und Pflegegesetzes NRW in Kraft getreten. Für alle Beteiligten überraschend sind damit auch Regelungen zur örtlichen Pflegebedarfsplanung geschaffen worden. Nunmehr ist es wieder möglich, eine vorher nicht mehr mögliche Verbindlichkeit und Steuerungsmöglichkeit aufgrund einer Pflegebedarfsplanung festzulegen. Dies kann insoweit erfolgen, als dass nach dem APG NRW eine Pflegebedarfsplanung von der Vertretungskörperschaft – hier der Kreistag – als verbindlich erklärt werden kann und die Refinanzierung der Investitionskosten bei Schaffung neuer oder zusätzlicher teil- und vollstationärer Pflegeplätze von einer entsprechenden Bedarfsbestätigung abhängig gemacht werden kann.
Nach § 11 Absatz 7 APG kann (nicht: muss) der örtliche Träger der Sozialhilfe bestimmen, dass eine Förderung für teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen …, die innerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereiches neu entstehen und zusätzliche Plätze schaffen sollen, davon abhängig ist, ob für die Einrichtungen auf der Grundlage der örtlichen verbindlichen Bedarfsplanung nach § 7 Absatz 6 APG ein Bedarf bestätigt wird (Bedarfsbestätigung). Eine solche Fördervoraussetzung ist von der Vertretungskörperschaft mit Wirkung für alle zusätzlich entstehenden Plätze in Einrichtungen innerhalb ihres örtlichen Zuständigkeitsbereiches zu beschließen und öffentlich bekannt zu machen.
Durch das APG ist den Kreisen und kreisfreien Städten somit die Möglichkeit (nicht Verpflichtung) eingeräumt, eine Pflegebedarfsplanung zu erstellen und daraus resultierend eine Bedarfssteuerung vorzunehmen.
In § 7 Abs. 5 letzter Satz APG ist geregelt, dass das für die
Pflegeversicherung zuständige Ministerium ermächtigt wird, im Einvernehmen mit
dem Landtag durch Rechtsverordnung konkrete Vorgaben, insbesondere zu Aufbau
und Mindestinhalten der Planungsprozesse, festzulegen. Diese Verordnung liegt
bisher nicht vor.
In § 7 Absatz 6 APG ist weiter bestimmt, dass, wenn die Planung Grundlage
für eine verbindliche Entscheidung über eine bedarfsabhängige Förderung
zusätzlicher teil- oder vollstationärer Pflegeeinrichtungen sein soll, sie
jährlich … durch Beschluss der Vertretungskörperschaft festzustellen
(verbindliche Bedarfsplanung) und öffentlich bekannt zu machen ist. Die
verbindliche Bedarfsplanung muss zukunftsorientiert einen Zeitraum von drei
Jahren ab der Beschlussfassung umfassen und auf der Grundlage nachvollziehbarer
Parameter darstellen, ob das Angebot an Pflegeeinrichtungen den örtlichen
Bedarf abdeckt oder in welcher Höhe zur Bedarfsdeckung zusätzliche Kapazitäten
erforderlich sind. Die Aussagen können auf verschiedene Sozialräume eines
Kreises oder einer kreisfreien Stadt bezogen sein.
Für die
Übergangszeit ist in § 22 Absatz 4 APG ist Folgendes normiert:
„Macht ein örtlicher Sozialhilfeträger von der Möglichkeit des § 11
Absatz 7 bis zum 31. Dezember 2014 (hier: Beschluss des Kreistages) Gebrauch,
kann er die Entscheidungen über Bedarfsbestätigungen nach § 11 Absatz 7 Satz 1
bis zur Erarbeitung und Beschlussfassung einer verbindlichen Bedarfsplanung
gemäß § 7 Absatz 6, längstens aber bis zum 31. März 2015 aussetzen.“
Damit stellen
sich folgende Fragen:
a.
Ob und ggfls. wann wird von der Möglichkeit einer verbindlichen
Bedarfsplanung Gebrauch gemacht?
b.
Wie wird mit bevorstehenden bzw. laufenden Verfahren zum Neu- und Ersatzbau
von teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen umgegangen?
c.
Wie werden der politische Auftrag und die neuen gesetzlichen
Möglichkeiten miteinander verzahnt?
Seitens des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
(MGEPA) wurde aufgrund einer konkreten
Anfrage aus dem Kreis Borken erklärt, dass es zunächst sehr wichtig sei,
schnellstmöglich eine Entscheidung des Kreistages herbeizuführen, ob eine
verbindliche Bedarfsplanung im Sinne des § 7 APG durchgeführt werden solle.
Antragstellern sollte möglichst nicht per „Abstimmungsbescheinigung“ ein
Bestandsschutz gewährt werden für eine Einrichtung, „die der Kreis nicht
brauche“. Eine Entscheidung des Kreistages über das „Ob“ der Bedarfsplanung im
Sinne des APG sei deshalb erforderlich.
Nach mündlicher Auskunft erstreckt sich der Geltungsbereich der neuen
Regelungen auch auf Anträge, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes gestellt
wurden. Für den Fall, dass der Kreistag entscheide, eine verbindliche
Bedarfsplanung im Sinne des APG durchzuführen, habe der Kreis die Möglichkeit,
auch bei bestehenden Anträgen von der Übergangsregelung in § 22 Absatz 4 APG
Gebrauch zu machen, wonach die Entscheidung über den Antrag bis zum Ende des
Monats März 2015 „geschoben“ werden könne.
Das Ministerium hat in dieser Auskunft zudem angekündigt, von der
Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 5 letzter Satz APG Gebrauch machen zu wollen,
wonach Standards zur Erstellung einer
verbindlichen Bedarfsplanung gesetzt werden können. Dabei sei geplant, die
Durchführungsverordnung zum APG NRW entsprechend zu ergänzen. Da die
Verordnungen zum APG und zum WTG nur im Einvernehmen mit dem Landtag erstellt
bzw. geändert werden könnten, könne davon ausgegangen werden, dass diese
Ergänzung der Durchführungsverordnung zum APG voraussichtlich im Januar 2015 in
Kraft gesetzt werden könnte.
In Kenntnis dieser zu erwartenden Ergänzung der Durchführungsverordnung
zum APG gehe das MGEPA davon aus, dass bis dahin die Kreise und die kreisfreien
Städte nicht etwas Eigenes in Sachen verbindlicher Bedarfsplanung erstellen
würden
II. Lösung
Angesichts
der zeitlichen Umstände (Beschlussfassung Kreistag bis zum 31.12.2014, Vorlage
einer verbindlichen, den Anforderungen des Gesetzes genügenden Bedarfsplanung,
wobei die Ausführungsverordnung des Landes frühestens im Januar 2015
veröffentlicht wird) erscheint es unrealistisch, auch mit Hilfe externer
Begleitung bis zum 31.03.2015 eine verbindliche Bedarfsplanung vorzulegen, die
auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält.
Diese
Einschätzung wird vom Landkreistag NRW geteilt. Ausdrücklich abgeraten wird
davon, sich übereilt für diesen Weg auszusprechen. Das Risiko, bei lückenhaften
Planungsgrundlagen eine Bedarfsbestätigung für neue stationäre Einrichtungen
abzulehnen, die einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten,
wäre nach Meinung des LKT zu hoch. Die Einschätzung, dass der Aufbau einer
rechtssicheren Pflegebedarfsplanung bis zum 31.03.2015 nicht zu leisten sein
wird, wird ausdrücklich geteilt.
Im
Ergebnis wird daher vorgeschlagen
1. auf die Erarbeitung einer verbindlichen
Pflegebedarfsplanung zum 31.03.2015 zu verzichten,
2. den Erlass der Durchführungsverordnung zum APG
abzuwarten, um deren Anforderungen mit berücksichtigen zu können.
Der
Vorteil in der vorgeschlagenen Vorgehensweise besteht darin, dass nach
Fertigstellung der Pflege- und Bedarfsplanung diese dann unter Berücksichtigung
aller rechtlichen Normierungen für verbindlich erklärt werden könnte. Bis dahin
würden mögliche Rechtsstreitigkeiten (Klagen gegen ablehnende Entscheidungen
aufgrund einer Bedarfsplanung) vermieden.
Konsequenz
einer solchen Entscheidung wäre allerdings auch, dass bis dahin unabhängig vom
Bedarf Investoren weiterhin neue Plätze für teil- und vollstationäre
Pflegeeinrichtungen schaffen könnten und eine Refinanzierung der
Investitionskosten über das Pflegewohngeld (zu zahlen vom Kreis Coesfeld)
erhielten.
Die
ursprünglich für den 06.11.2014 vorgesehene Sitzung der Pflegekonferenz sollte
sich schwerpunktmäßig mit dem neuen Landespflegegesetz beschäftigen. Bis Mitte
Oktober war noch keine Veröffentlichung des am 01.10.14 beschlossenen Gesetzes
erfolgt. Beschlüsse und auch die Texte zu den Gesetzesverordnungen lagen bis
dahin schon gar nicht vor. Angesichts dieser Unklarheit und der fehlenden Zeit
für eine fundierte Vorbereitung wurde dieser Termin der Pflegekonferenz mit
Schreiben vom 14.10.2014 abgesagt.
Mit
der verwaltungsseitig vorgeschlagenen Vorgehensweise ist auch die - den neuen gesetzlichen Vorgaben entsprechende
– gebührende Beteiligung der Pflegekonferenz am Planungsprozess gewährleistet.
Bei der kurzfristigen Planaufstellung zum 31.03.2015 wäre dies, genau wie die Beteiligung der Städte und Gemeinden,
kaum möglich.
III. Alternativen
Um von vorne herein alle Anträge auf Abstimmung nach dem Landespflegegesetz nach verbindlichen Bedarfskriterien zu bescheiden, müsste beschlossen werden, bis zum 31.03.2015 eine verbindliche Bedarfsplanung vorzulegen. Die unter Ziffer II geäußerten Bedenken und mögliche Klagen von Projektbetreibern würden damit in Kauf genommen.
IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
Für die unmittelbare Aufstellung einer verbindlichen Bedarfsplanung würden kurzfristig personelle Ressourcen notwendig, die derzeit nicht vorliegen.
Eine längerfristig angelegte Bedarfsplanung würde solche Ressourcen ebenfalls – jedoch auf einen deutlich längeren Zeitraum verteilt – binden.
V. Zuständigkeit für die Entscheidung
Wegen der grundsätzlichen Entscheidung gemäß § 11 Absatz 7 APG ist ein Beschluss des Kreistages notwendig.