Betreff
Landeskulturbericht Nordrhein-Westfalen
Vorlage
SV-9-0821
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

 

Begründung:

 

I.   Problem

II.  Lösung

III. Alternativen

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

V. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

 

 

I. – V.

 

AL Sörries berichtet über den ersten Landeskulturbericht.

 

Das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MFKJKS NRW) hat im März 2017 den ersten Landeskulturbericht Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Der Bericht wurde aufgrund von § 25 Kulturfördergesetz NRW (KFG NRW) erstellt und soll erstmals zum Ende dieser Legislaturperiode einen Überblick über die kulturellen Aktivitäten im öffentlichen Raum geben.

 

Der Landeskulturbericht soll die „politische Bedeutung der Kultur – auf Landesebene, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden – unterstreichen und stärken“.

Er soll auch dazu beitragen, dass die Kulturförderung von Land und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden zukünftig stärker korrespondieren und ineinandergreifen kann, ohne die jeweilige Planungs- und Entscheidungsfreiheit zu tangieren.

 

Der erste Landeskulturbericht erhebt und sammelt detaillierte Informationen zu wichtigen Themen der Kulturpolitik (kulturelle Infrastruktur, kulturelle Teilhabe, beruflich-soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler), strukturiert und analysiert sie und entwickelt Handlungsvorschläge. Im Zentrum des Berichts stehen die Kapitel zwei bis fünf, die dem Ziel dienen, die „Lage der Kultur im Land“ sichtbar zu machen und zu beschreiben.

 

Dies geschieht vor allem durch drei Schwerpunkte:

 

• eine Bestandsaufnahme der kulturellen Infrastruktur und ihrer Finanzierung

• eine Analyse der kulturellen Beteiligung und ihrer Entwicklung und

• eine Darstellung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler

 

 

Zusammenfassung der Bestandsaufnahme und Analyse der kulturellen Infrastruktur in Nordrhein –Westfalen:

Rund 1,8 Mrd. Euro Kulturförderung: Insgesamt stellten Land und Kommunen im Jahr 2014 1.796 Mio. Euro für den Erhalt und die Förderung der originären Kultur und der kulturnahen Bereiche zur Verfügung. Dies entspricht gegenüber dem Jahre 2010 einem Plus von 107 Mio. Euro (+6 %).

 

Gemeinden als wichtigste Kulturträger in NRW:

2014 übernahmen die Gemeinden und Gemeindeverbände mit 1.268 Mio. Euro knapp 71 % der insgesamt aufgewendeten Grundmittel für die Förderung der originären Kultur und der kulturnahen Bereiche. Nordrhein-Westfalen ist so das Bundesland mit dem höchsten Kommunalisierungsgrad der öffentlichen Ausgaben für Kultur.

 

Ausgabeschwerpunkte Theater, Musik, Museen und Ausstellungen:

Der mit Abstand bedeutendste Sektor im originären Kulturbereich in Nordrhein-Westfalen ist der Sektor Theater und Musik. 43 % aller Grundmittel für den originären Kulturbereich flossen 2014 hier hinein. Mit gut 23 % der Grundmittel (366 Mio. Euro) wurden 2014 Museen, Sammlungen und Ausstellungen bezuschusst.

Je größer die Stadt, desto höher ist die Pro-Kopf-Förderung für Kultur. Während die Grundmittel pro Kopf für den originären Kulturbereich in Gemeinden bis 10.000 Einwohnern durchschnittlich unter 10 Euro liegen, betragen sie in Gemeinden mit mehr als 200.000

Einwohnern über 100 Euro. Die kreisfreien Städte in NRW tragen auf kommunaler Ebene mit 65 % der Grundmittel (2014) die Hauptlast der Finanzierung im originären Kulturbereich.

 

Kultur aus der Perspektive der Gemeinden und Kreise:

Gemeindebefragung als Auftakt für ein kontinuierliches Monitoring: Im Vorfeld des Landeskulturberichtes wurde eine Vollerhebung bei allen 396 Gemeinden und allen Landkreisen zu ihrer kulturellen und kulturpolitischen Situation durchgeführt. Die Erhebung thematisiert die kulturelle Infrastruktur mit Blick auf die Akteurinnen und Akteure der Sektoren öffentliche Hand, Zivilgesellschaft und Wirtschaft.

Ergebnis: Öffentliche Kulturverwaltungen sind in der Regel kombiniert mit anderen Ressorts bzw. Einrichtungen. Eigenständige Kulturdezernate und Kulturämter sind außerhalb der

Großstädte eher selten. Insbesondere Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern verfügen über keine bzw. kleine öffentliche Organisationsstrukturen.

 

In der Regel kann die kommunale Kulturarbeit erst in Gemeinden ab 50.000 Einwohnern auf einen größeren Personalstamm in der Kulturverwaltung zurückgreifen.

In zwei Dritteln der Gemeinden pflegen Kultureinrichtungen regelmäßige interkommunale Kooperationen; in größeren Gemeinden liegt der Anteil deutlich höher. Insbesondere Volkshochschulen, Musikschulen, Kulturämter und Bibliotheken arbeiten so.

Wichtigstes kulturpolitisches Handlungsfeld in den Gemeinden ist die kulturelle Bildung. Aber auch die Themen Inklusion, Kulturarbeit für und mit Geflüchteten, Publikumsentwicklung, Interkultur und Kulturmarketing werden von den Gemeinden als wichtige kulturpolitische Handlungsfelder benannt.

Zentrale kulturpolitische Herausforderungen sind nach Auffassung der Gemeinden die Aufrechterhaltung des aktuellen kulturellen Angebotes, die Integration von Geflüchteten und der Umgang mit dem demografischen Wandel im Kulturbereich.

In der Fläche bestehen praktische Herausforderungen in den Bereichen Mobilität/Erreichbarkeit, Einbindung und Vernetzung des wichtigen bürgerschaftlichen Engagements, auch durch hauptamtliche Kräfte, und in der interkommunalen Kooperation.

 

Kulturelle Teilhabe - Besonderheiten und Trends:

Am meisten interessiert sich das Publikum gegenwärtig für Angebote wie Film und Kino, während die Oper wenig genannt wird. Es folgen anspruchsvolle Literatur, Schauspiel, Kunst/Malerei, klassische Musik sowie Tanz und Ballett. Ein großer Teil der Bevölkerung

zeigt sich an Kunst und Kultur wenig bis gar nicht interessiert.

Je älter und/oder gebildeter die Menschen sind, umso mehr interessieren sie sich für Kunst und Kultur.

Frauen zeigen sich meist kulturinteressierter als Männer, obwohl sie zeitlich durch Beruf und Familie besonders belastet sind. Grundsätzlich ist das Vorhandensein von freien Zeitkontingenten ein wichtiger sozialer Faktor der kulturellen Teilhabe.

Angehörige einer Generation nehmen ihre kulturellen Präferenzen und Teilhabegewohnheiten, die sie in ihrer Jugend ausgebildet haben, wie in einem Fahrstuhl bis ins hohe Alter mit („Kohorteneffekt“).

Bei den nachwachsenden Kohorten – auch bei hohem Bildungsgrad – lässt sich ein geringeres kulturelles Interesse vor allem an klassischen Genres (Oper, Orchestermusik etc.) zeigen. Noch wenig klar ist, ob / wie heutige Jugendliche ihre Kunst- und Kulturpräferenzen weiterentwickeln werden.

 

Produktionsbedingungen in Kunst und Kultur

Der Künstlerarbeitsmarkt ist geprägt durch einen ständigen Wandel, eine hohe Mobilität der Künstlerinnen und Künstler und eine Vielfalt von Berufsbildern. Diese starke Heterogenität

bedingt kleinteilige Strukturen und überdurchschnittlich viele atypische Arbeitsverhältnisse.

Insgesamt arbeiteten in NRW im Jahr 2014 rund 190.000 Erwerbstätige in den Kulturberufen, das entspricht rund 2 % aller Erwerbstätigen. Dies sind deutlich mehr Kreative, als auf der Basis der Daten der Künstlersozialkasse bisher angenommen wurde.

Im Zeitraum 2009 bis 2015 ist die Zahl der Erwerbstätigen (Selbstständige und abhängig

Beschäftigte zusammen) in den Kunst- und Kulturberufen schätzungsweise um rund 8 % gestiegen (3 Prozentpunkte stärker als in der Gesamtbeschäftigung).

Die wirtschaftliche Lage der abhängig Beschäftigten in den Kunst- und Kulturberufen

hat sich in den Jahren 2009 bis 2015 auf ähnlichem Niveau entwickelt wie die wirtschaftliche Entwicklung der Gesamtbeschäftigung.

 

Die Selbstständigkeit ist bei Künstlerinnen und Künstlern sehr viel stärker ausgeprägt als in anderen Berufsgruppen und geht oft mit geringen oder unregelmäßigen Einkünften einher. Sie ist in vielen Fällen nicht existenzsichernd und bedarf deshalb eines besonderen Augenmerks.

 

Neue Produktionsbedingungen der Kunst im digitalen Zeitalter

Die Digitalisierung verändert zurzeit am stärksten die Kunst und Kulturproduktion, die digitale Revolution hat Einfluss auf die Produktion, Rezeption und Vermittlung künstlerischer

Werke und Prozesse. Die Kulturpolitik muss sich deshalb mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen. Im Kulturförderplan 2016 bis 2018 ist das entsprechend ein Schwerpunkt.

Die digitale Sozialisation verändert Kulturverhalten. Bereits Kinder und Jugendliche wachsen mit digitalen Medienprodukten auf. Es kann angenommen werden, dass sich das Rezeptionsverhalten dieser Generation grundlegend ändern wird. Gleichzeitig verändern sich die Rollen von Produzentinnen und Produzenten und Konsumentinnen und Konsumenten. Nutzerinnen und Nutzer werden selbst zu Gestalterinnen und Gestaltern.

Ein angemessener Ausgleich von Nutzung und Vergütung ist notwendig.

 

Geistiges Eigentum muss auch im digitalen Raum geschützt sein. Es gilt, die neuen Möglichkeiten für kreatives Schaffen, die das Internet bietet, mit angemessener Vergütung

für künstlerische Leistungen in Einklang zu bringen.

Aus neuen Nutzungs- und Lizenzierungsformen im digitalen Bereich ist ein rechtlich komplexes Feld erwachsen, das viele andere Rechtsgrundsätze streift, u. a. den

Datenschutz und das Markenrecht. Technologische Entwicklungen und eine Vielzahl von Anpassungen des Urheberrechts führen dazu, dass seine Regelungen für Produzentinnen oder Produzenten und Nutzerinnen oder Nutzer zunehmend schwieriger zu durchschauen sind. Dies kann zu einer Einschränkung von Innovationen führen, vor allem bei Kunstformen, die auf Bestehendem aufbauen (z. B. Sampling).

 

Kulturförderplan und Landeskulturbericht:

Das Kulturfördergesetz sieht vor, dass zukünftig gegen Ende jeder Legislaturperiode das Kulturministerium einen Landeskulturbericht vorlegt, der zur Umsetzung des zu Beginn der Legislaturperiode aufgestellten Kulturförderplans, zur Lage der Kultur in NRW und zur Angebots- und Nachfrageentwicklung berichtet und Stellung nimmt.

Beide Instrumente - Kulturförderplan und Landeskulturbericht - sollen in ihrem Zusammenspiel dazu beitragen , gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen sichtbar zu machen, um auf dieser Grundlage kulturpolitische Schwerpunkte zu nennen, die - oft von Land und Kommunen gemeinsam - ausgestaltet und weiterentwickelt werden können.

 

Quelle: Landeskulturbericht NRW, März 2017