Betreff
Anregung nach § 21 KrO - Antrag des Jugendamtselternbeirates auf Aussetzung der Elternbeiträge
Vorlage
SV-10-0194
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag des Anregenden:

Aussetzung von Elternbeiträgen für das Kalenderjahr 2021 und darüber hinaus bis zur Wiederherstellung des Regelbetriebes in den Tageseinrichtungen für Kinder (§ 22 SGB VIII) und der Kindertagespflege (§23 SGB VIII)

 

 

Beschlussvorschlag der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN

1.       Die Verwaltung wird aufgefordert, die Eltern in geeigneter Weise kurzfristig über die Möglichkeit des „Aktualisierungsantrags“ (nach § 5 (2) der Beitragssatzung) zu informieren.

2.       Für die Dauer der zeitlich reduzierten Kinderbetreuung werden die Elternbeiträge proportional zu dieser Kürzung berechnet.

3.       Der Landrat wird beauftragt, bei der Landesregierung die hälftige Erstattung ausfallender Elternbeiträge zu fordern und den Landkreistag NRW zu bitten, diese Beteiligung landesweit bei der Landesregierung einzufordern.

 

 

 

 

I. Sachdarstellung

Mit Antrag vom 28.03.2021 (Anlage 1) regt der Jugendamtselternbeirat an, die Elternbeiträge für das Jahr 2021 und darüber hinaus bis zur Wiederherstellung des Regelbetriebes in Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege auszusetzen.

Er begründet diesen Antrag mit der aufgrund der Pandemie verbundenen unsicheren und unregelmäßigen Kinderbetreuung sowie der seit 10.01.2021 vorgenommenen Reduzierung der Betreuungszeiten um 10 Wochenstunden.

 

Die Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN hat auf den Antrag des Jugendamtselternbeirates mit Schreiben vom 07.04.2021 den als Anlage 2 beigefügten Antrag gestellt. Die Fraktion beantragt damit

1.       Die Eltern in geeigneter Weise kurzfristig über die Möglichkeit des „Aktualisierungsantrags“ nach § 5 Abs. 2 der Elternbeitragssatzung zu informieren.

2.       Für die Dauer der zeitlich reduzierten Kinderbetreuung die Elternbeiträge proportional zu kürzen.

3.       Durch den Landrat bei der Landesregierung die hälftige Erstattung ausfallender Elternbeiträge zu fordern und den Landkreistag NRW zu bitten, diese Beteiligung landesweit bei der Landesregierung einzufordern.

In der Zeit ab Mitte Dezember 2020 bis 21.02.2021 hatte das Land zur Eindämmung der Pandemie an die Eltern appelliert, die Kinder nicht in die Kindertageseinrichtungen zu bringen. Vor diesem Hintergrund hatte das Land den Kommunen die Zusage gegeben, bei einem Verzicht auf die Elternbeiträge für den Monat Januar 2021 einen Anteil von 50 % der ausfallenden Beiträge zu erstatten. Daraufhin hatte der Kreisausschuss im Rahmen einer Dringlichkeitsentscheidung im Januar 2021 einen entsprechenden Beschluss gefasst auf die Elternbeiträge für den Monat Januar 2021 zu verzichten.

 

Da der Apell, die Kinder nicht in die Kitas zu bringen, noch bis zum 21.02.2021 galt haben die Kommunalen Spitzenverbände sich zudem dafür ausgesprochen, auch für den Monat Februar auf eine Beitragserhebung zu verzichten, wenn das Land wieder einen Teil der ausfallenden Beiträge erstattet. Eine Entscheidung des Landes hierzu ist allerdings noch nicht bekannt.

 

Seit dem 23.02.2021 gilt in den Kindertageseinrichtungen wieder ein eingeschränkter Regelbetrieb, so dass wieder alle Kinder betreut werden, allerdings weiterhin mit einer Reduzierung des Betreuungsumfanges von jeweils 10 Wochenstunden um eine Gruppentrennung umsetzen zu können.

 

Die kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen sowie auch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vertreten die Auffassung, dass grundsätzlich kein Erstattungsanspruch bzw. Anspruch der Eltern auf Reduzierung der Elternbeiträge besteht, wenn Kindertageseinrichtungen bzw. Kindertagespflegestellen wegen Anordnung der Quarantäne kurzfristig schließen bzw. aus Infektionsschutzgründen Betreuungsverträge in ihrem Betreuungsumfang reduziert werden.

 

Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster sind Elternbeiträge nicht als Abgaben im Sinne des Kommunalabgabenrechts einzuordnen. Es handelt sich vielmehr um sozialrechtliche Abgaben eigener Art (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.09.2012 – Az. 12 A 1426/12). Als solche gelten für sie weder das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip in vollem Umfang. Insofern hängt die Elternbeitragspflicht grundsätzlich nicht von der vollständigen, tatsächlichen und täglichen Möglichkeit der Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertagesbetreuung ab. Vielmehr sind Elternbeiträge nur ein Finanzierungsanteil an der Finanzierung der Betriebskosten von Einrichtungen und damit als Beitrag zu den Gesamtkosten der Kindertagesbetreuung zu verstehen.

In Nordrhein-Westfalen decken die Eltern mit ihren Beiträgen nur einen geringen Teil der tatsächlich entstehenden Kosten für die Betreuung ihrer Kinder. Der ganz überwiegende Teil der Kosten wird durch die Kommunen, das Land und die Träger aufgebracht.

Für den Jugendamtsbezirk des Kreises Coesfeld besteht anhand der aktuell vorliegenden Daten folgende Kostenverteilung für das Kindergartenjahr 2020/21:

 

 

Kosten

Anteil

durchschnittl. Kosten Kitaplatz / Jahr

Betriebskosten 2020/21 laut aktuellem
Leistungsbescheid LJA

78.336.326,00

100,0%

12.428

Anteil Land

41.279.496,80

52,7%

6.549

Anteil Jugendamt

23.220.419,20

29,6%

3.684

Anteil Träger

6.926.410,00

8,8%

1.099

Anteil Elternbeiträge

6.910.000,00

8,8%

1.096

 

Danach decken die Eltern mit ihren Beiträgen einen Anteil von rund 9 % der für die Betreuung ihrer Kinder entstehenden Kosten.

 

Die Förderung der Kinderbetreuungsangebote nach dem Kinderbildungsgesetz vom Land, den Kommunen und den Trägern wird unabhängig von Corona bedingten Einschränkungen geleistet, um die durchgehende Finanzierung und damit die dauerhafte Sicherstellung der Kindertagesbetreuungsangebote zu gewährleisten.

 

Eltern haben aufgrund der Regelungen in der Elternbeitragssatzung des Kreises Coesfeld keinen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Elternbeiträge infolge vorübergehender Schließung bzw. einer Reduzierung des Betreuungsumfanges.

 

Sofern allerdings Eltern aufgrund von Kurzarbeitergeld bzw. sonstigen Einkommensausfällen in 2021 ein tatsächlich niedrigeres Einkommen zu erwarten haben als für die Berechnung der zu leistenden Elternbeiträge zu Grund gelegt wurde, so besteht nach § 5 Abs. 2 der Elternbeitragssatzung die Möglichkeit der Eltern einen Aktualisierungsantrag zu stellen.

 

Grundsätzlich werden die Eltern bereits im Elternbeitragsbescheid auf diese Möglichkeit hingewiesen. In der Regel machen die Eltern von dieser Möglichkeit auch Gebrauch.  

 

Die vorstehenden Ausführungen gelten grundsätzlich auch für die Kindertagespflege. Zwar liegt der Kindertagespflege eine andere Finanzstruktur als den Tageseinrichtungen zugrunde, allerdings ist auch hier maßgeblich festzustellen, dass die Beiträge der Eltern im Verhältnis zu den Gesamtkosten ebenfalls gering sind.

 

Ein Verzicht auf die Elternbeiträge in 2021, wie vom Jugendamtselternbeirat gefordert, wäre daher nur durch einen entsprechenden politischen Beschluss möglich.

 

Die Leitungen der Kommunen haben sich in der Bürgermeisterkonferenz am 12.04.2021 beraten mit dem Ergebnis, dass sie den Wunsch der Eltern auf Verzicht von Elternbeiträgen nicht unterstützen.

 

II. Entscheidungsalternativen

Es bleibt bei der Erhebung der Elternbeiträge entsprechend der Elternbeitragssatzung. Sollte das Land zu einem späteren Zeitpunkt eine anteilige Finanzierungsübernahme bei einem Verzicht in Aussicht stellen, so erfolgt eine erneute politische Entscheidung.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

Bei einem vollen Verzicht auf Elternbeiträge entsprechend des Antrages des Jugendamtselternbeirates ist mit einem Einnahmeverlust von rund 600.000 EUR monatlich zu rechnen. Das Land NRW hat bislang lediglich für Januar 2021 eine Übernahme in Höhe der hälftigen Ausfälle (300.000 EUR) zugesagt. Damit würde bei Umsetzung des Antrages nach derzeitigem Stand für den Kreis Coesfeld ein Defizit im Umfang von insgesamt rund 6,9 Millionen EUR in 2021 zu erwarten sein.

 

Bei einer anteiligen Kürzung entsprechend des Antrages von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN auf Grundlage der zuletzt aus dem Kindergartenjahr 2019/20 ausgewerteten Daten ein Einnahmeverlust in Höhe von 26 % des Beitragsaufkommens zu erwarten. Bei einem Beitragsaufkommen von monatlich rund 600.000 EUR wären dies 156.000 EUR monatlich. 

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

Die Zuständigkeit des Kreisausschusses ergibt sich aus § 50 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 19 Abs. 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 23. Juni 2014.