Betreff
Sachstand zum bundesweiten Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle
Vorlage
SV-10-0570
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Sachstandsbericht der Kreisverwaltung zum Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird zur Kenntnis genommen. Über den weiteren Verlauf wird fortlaufend berichtet.

 

 

I. Sachdarstellung

 

unter Verweis auf SV-10-0497 und SV-10-0283.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) erarbeitet aktuell im zweiten Schritt der ersten Phase des Standortauswahlverfahrens für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle anhand der „repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen“ (rsVu) einen Vorschlag für Standortregionen. Dieser Schritt wird absehbar zu einer eheblichen Flächenreduktion der weiteren Untersuchungsgebiete führen. Es ist zu erwarten, dass aus den aktuell 90 Teilgebieten, die 54 Prozent der Fläche des Bundesgebietes umfassen, rund 10 Standortregionen mit erheblich kleineren Flächenzuschnitten abgeleitet werden.

Mit der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete vom 28.09.2020 hat die BGE den ersten Schritt der ersten Phase des Standortauswahlverfahrens formal abgeschlossen und die 90 Teilgebiete öffentlich ausgewiesen. Für die Teilgebiete gilt die Annahme, dass aufgrund der bisher betrachteten Datengrundlage günstige geologische Voraussetzungen für die Endlagerung erwartet werden. Die Teilgebiete verteilen sich wie folgt auf unterschiedliche Wirtsgesteine, wobei die flächenmäßige Ausdehnung der Teilgebiete erheblich variiert und sich Teilgebiete überlagern können: 60 Teilgebiete im Steinsalz in steiler Lagerung, 14 Teilgebiete im Steinsalz in flacher Lagerung, 9 Teilgebiet im Tongestein, 7 Teilgebiete im kristallinen Wirtsgestein. Zwei Teilgebiete im Tongestein umschließen nahezu die gesamte Fläche des Kreises Coesfeld (Abbildung 1).

Die BGE hat am 28.03.2022 ihr Konzept für das methodische Vorgehen für die rvSU veröffentlicht. Ziel der BGE ist es, schrittweise in einem wissenschaftlichen und transparenten Verfahren die Standortregionen zu ermitteln. Der Vorschlag wurde im Forum Teilgebiete am 20.05.2022 und 21.05.2022 in einem öffentlichen Verfahren zur Diskussion gestellt.

Vorgehen bei den repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen (rvSu)

Die rvSu stellen auf Basis der Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung (EndlSiUntV) den zentralen Verfahrensschritt zur Ermittlung von Standortregionen zur übertägigen Erkundung dar (siehe auch Abbildung 2). In diesem Schritt wird die Geologie der Teilgebiete erstmals im Detail betrachtet und in einer Geosynthese beschrieben, die dann wiederum gemeinsam mit möglichen Endlagerkonzepten zur Analyse der Anwendbarkeit der Endlagersysteme herangezogen wird. In diesem komplexen Verfahrensschritt ist eine erhebliche Gebietsreduktion zu erwarten: die Mehrheit der Regionen werden aus dem Standortauswahlverfahren ausscheiden, wenige Regionen werden verbleiben und eine detaillierte Bewertung erfahren, die dann die Grundlage für einen regionalen Beteiligungsprozess im Rahmen von „Regionalkonferenzen“ bilden wird. Die rvSu sollen auch Ungewissheiten sowie Erkundungs-, Forschungs- und Entwicklungsbedarf aufzeigen und sind somit ein Ausblick auf möglich übertägige und untertägige Erkundungen in den Regionen, die in den nachfolgenden Schritten des Standortauswahlverfahrens anschließen.

Das Konzept der BGE zur Durchführung der rvSu sieht insgesamt vier Prüfkategorien vor. Die Prüfung ergibt eine Gruppierung in vier Kategorien, die die Eignung eines Teilgebietes für eine Standortregion flächendifferenziert darstellt. Nach Abschluss eines jeden Prüfschrittes werden somit Untersuchungsgebiete als ungeeignet bewertet und aus den weiteren Betrachtungen im Standortauswahlverfahren ausgeschlossen (siehe auch Abbildung 3).

Die rvSu erfolgen in vier Ebenen und mit einem zunehmenden Detailierungsgrad. Auf der Ebene 1 werden Grundlagen für sämtliche Untersuchungsräume geschaffen. Auf Basis der anzunehmenden Menge und Strahlung des Atommülls werden spezifisch für jedes Wirtsgestein Endlagerkonzepte erarbeitet. Es ist möglich, dass gleich mehrere Konzepte in einem Wirtsgestein umsetzbar sind und entsprechend im Weiteren Verfahren für die Untersuchungsgebiete überprüft werden müssen. Es könnten somit mehrere Untersuchungen für ein Teilgebiet angestellt werden und aufgrund der unterschiedlichen Endlagersysteme zu unterschiedlichen Einschätzung bei den rvSu kommen. Auf der Ebene 2 werden allgemein gültige Arbeitsschritte für den gesamten Untersuchungsraum vorgenommen. Grundsätzlich ist der Untersuchungsraum dabei gleichzusetzen mit dem Zuschnitt des Teilgebietes. Da die Teilgebiete stellenweise jedoch über eine erhebliche flächenmäßige Ausdehnung bei heterogener Geologie verfügen, kann die BGE Teiluntersuchungsräume ausweisen, die jedoch ausschließlich geowissenschaftlich begründet sein dürfen. Auf Ebene 3 werden die einzelnen Teiluntersuchungsgebiete spezifisch untersucht, wobei zunächst eine Überprüfung der Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen stattfindet. Sollte ein negatives Ergebnis ermittelt werden, wird der Teiluntersuchungsraum in Kategorie D als ungeeigneter Bereich eingeordnet und entsprechend nicht mehr im weiteren Standortauswahlverfahren betrachtet. Die verbleibenden Gebiete werden anschließend durch eine erste qualitative Bewertung des sicheren Einschlusses geprüft, wobei insbesondere die Aspekte der räumlichen Charakterisierbarkeit und langfristigen Stabilität bewertet werden. Sollte die Bewertung nicht überwiegend gut ausfallen, wird der Teiluntersuchungsraum in Kategorie C eingeordnet und der Untersuchungsraum wird nicht weiter im Standortauswahlverfahren betrachtet. Für die verbleibenden Gebiete werden anschließend geologische Modelle erarbeitet und auf dieser Basis weitere quantitative Bewertungen der einschlusswirksamen Gebirgsbereiche vorgenommen. Es wird also unter Berücksichtigung der geologischen Gegebenheiten und bautechnischen Anforderungen geprüft, ob im Teiluntersuchungsraum in Summe ein geeigneter Raum für einen Endlagerstandort erwartet wird. In Folge dessen werden die gesammelten Erkenntnisse gemeinsam betrachtet und einem „sicherheitsgerichteten Diskurs“ verbalargumentativ betrachtet. Auf dieser Basis erfolgt eine Zuordnung in Kategorie B für weniger gut geeignete Gebiete und in Kategorie A für gut geeignete Gebiete. Die Teiluntersuchungsräume der Kategorie B und A verbleiben im Standortauswahlverfahren. Bereiche der Kategorie A werden jedoch prioritär betrachtet und Erkundungs-, Forschungs- und Entwicklungsbedarfe für die Gebiete formuliert. Zudem wird die Möglichkeit zur Aufnahme von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in einem zusätzlichen Bergwerk für die Untersuchungsgebiete bewertet. Die Bereiche der Kategorie A finden Eingang in die weiteren geowissenschaftlichen Abwägungen und sind somit Grundlage für übertägige Erkundungen. Die Bereiche der Kategorie könnten je nach Bedarf in einer Art Nachrückverfahren nachfolgen.

Forum Teilgebiete und Bewertung der Kreisentwicklung

Das Forum Teilgebiete hat den Konzeptvorschlag am 20.05.2022 und 21.05.2022 diskutiert. Die Kreisentwicklung hat die Veranstaltung begleitet. Der Konzeptvorschlag wird dabei in Summe begrüßt und erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an das Standortauswahlverfahren. Offene Fragen bestehen bei der detaillierten Umsetzung und der weiteren Information und Beteiligung der Öffentlichkeit (z.B. Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Einteilung der Teiluntersuchungsräume im Detail sowie der anschließenden Kategorisierung der Untersuchungsräume als Grundlage zur Ermittlung der Standortregionen). Die BGE hat in Aussicht gestellt mindestens einmal im Jahr über den Sachstand ihrer Arbeit zu informieren. Hierbei besteht der ausdrückliche Wunsch aus dem Kreis der Akteure des Forums Teilgebiete, dass die BGE hier auch Zwischenergebnisse darstellt und nicht erst am Ende des Verfahrens über die finalisierten Standortregionen informiert. Es ist bereits absehbar, dass der Schritt von den Teilgebieten zu den Standortregionen derzeit methodische Unwägbarkeiten und weitere Forschungsbedarfe beinhalten wird. Die BGE lehnt daher die Veröffentlichung eines verbindlichen Zeitplans zur Festlegung der Standortregionen ab, was aus Sicht der Kreisentwicklung nachvollziehbar und begrüßenswert ist (Genauigkeit vor Geschwindigkeit).

Der weitere Entscheidungsprozess zur Suche nach den Standortregionen sollte für eine Einschätzung der zeitlichen Zuordnung nicht unbeachtet bleiben. Die BGE erarbeitet im Rahmen der rvSu einen Vorschlag für das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) als Aufsichtsbehörde. Dieser wird fachlich bewertet und an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz weitergeleitet. Die Bundesregierung kann einen Vorschlag in den Bundestag und Bundesrat als Gesetzesvorschlag zur Festlegung der Standortregionen einbringen. Mit Blick auf die Komplexität des Verfahrens rechnet die Kreisverwaltung mit keiner verbindlichen Festlegung der Standortregionen vor der Bundestagswahl im Herbst 2025 – eher deutlich später. Es erscheint dennoch aus Sicht der Kreisentwicklung angezeigt, das Standortauswahlverfahren weiterhin fortlaufend zu begleiten, da im laufenden Verfahren Erkenntnisse zur Bewertung der Teilregionen im Kreis Coesfeld durch die BGE veröffentlicht werden könnten, die im öffentliche Interesse liegen und durch die Verwaltung kritisch überprüft werden müssen.   

Anlagen:

 

-          Abbildung 1: Die Teilgebiete im Kreis Coesfeld und ihre flächenmäßige Ausdehnung im Kreis Coesfeld

-          Abbildung 2: Schematisch Darstellung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gemäß Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung

-          Abbildung 3: Ablauf der Bearbeitungsschritte der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen (rvSu)

-          Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH: Methodenbeschreibung zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gemäß Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung. Stand: 28.03.2022.

-          Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH: Konzept zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gemäß Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung – Kurzfassung für Eilige. Stand: 29.03.2022.