Betreff
Förderung der Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen
Vorlage
SV-10-0619
Art
Sitzungsvorlage

Beschluss:

 

Der Kreis Coesfeld ist bereit, die Förderung der vom Caritasverband für den Kreis Coesfeld e.V. betriebenen Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen auf der Grundlage einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung ab 01.01.2023 bis zunächst 31.12.2024 mit einem Betrag in Höhe von jährlich bis zu 150.284,50 € fortzusetzen und damit den bisherigen Förderbetrag um 3 % zu erhöhen. Es ist eine Refinanzierung in Höhe von 80 % des Förderbetrages durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu erwarten.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Angebotsträger eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen.

 

I. Sachdarstellung

 

Der Kreiscaritasverband hat 1995 in Dülmen nach Abstimmung mit dem Kreis Coesfeld eine Kontakt- und Beratungsstelle (KBST) für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen eingerichtet. Der Kreis hat bis einschließlich 2019 als freiwillige Leistung gemäß einer dem Verband vor Inbetriebnahme gegebenen Zusage den überwiegenden Teil der Kosten getragen.

 

Mit Inkrafttreten der dritten Stufe des BTHG sind zum 01.01.2020 gem. § 1 Abs. 1 AG SGB IX neue Zuständigkeiten auf den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) übergegangen. Dies betrifft auch die KBST´s für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Allerdings wurden Aufgaben rückdelegiert, wodurch die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Sozialhilfeträger im Rahmen der Heranziehungssatzung in der Verantwortung bleiben. Der Kreis Coesfeld stellt die Durchführung der Aufgabe sicher, der LWL finanziert die KBST´s mit. In Abstimmung mit dem LWL schließt der Kreis Coesfeld weiterhin Verträge zur Aufgabenerfüllung mit potentiellen Leistungserbringern ab. 

 

Bei den Finanzierungsanteilen wird zwischen Kosten der Eingliederungshilfe und Kosten der Daseinsfürsorge unterschieden. Der LWL geht davon aus, dass in einer KBST zu 80 % von ihm zu tragende Leistungen der Eingliederungshilfe und zu 20 % vom örtlichen Sozialhilfeträger zu finanzierende Leistungen der Daseinsfürsorge (z.B. Beratung von Angehörigen) erbracht werden. Dementsprechend übernimmt er zurzeit 80 % der nicht gedeckten Kosten, sofern im Verwendungsnachweis die zugrunde gelegte Aufgabenverteilung bestätigt wird. In den vergangenen zwei Jahren traf dies zu.

 

Seit dem 01.01.2004 erfolgt die Förderung der derzeit mit bis zu 1,5 Fachkräften sowie einer 0,4-Stelle für eine Ergänzungskraft (Genesungsbegleitung) besetzte KBST auf der Grundlage einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung, zuletzt mit jährlich bis zu 145.887 € (Beschlüsse des Kreistages vom 15.10.2003, 18.06.2008, 02.03.2011, 17.06.2015 und 09.09.2020). Die Vereinbarung verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn sie nicht bis zum 30.06. eines Jahres gekündigt wird. Der Kreistag hat die Förderung in seinem letzten Beschluss in dieser Sache bis zunächst Ende 2022 begrenzt. Kreisseitig wurde die Vereinbarung daher bereits fristgerecht gekündigt.

Eine Anpassung des Förderbetrages an die Kostenentwicklung ist in der bestehenden Vereinbarung nicht vorgesehen.

 

Der LWL beabsichtigt die Erarbeitung eines KBST-Konzeptes, inklusive Grundlagen für die Finanzierung und Ausstattung. Wann das Konzept zur Verfügung stehen wird, ist offen.

 

 

Aufgaben und Leistungsumfang der KBST:

 

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen haben häufig Probleme, soziale Kontakte aufzunehmen und zu pflegen. Die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben wird dadurch eingeschränkt. Die über soziale Kontakte vermittelte Orientierung geht verloren, das Selbstwertgefühl leidet. Krankheitsverläufe werden negativ beeinflusst und der Behandlungs- und Rehabilitationsbedarf nimmt zu.

 

Ziel der KBST ist es, die soziale, psychosoziale und kommunikative Kompetenz von Menschen mit psychischen  Erkrankungen zu fördern und damit dazu beizutragen,

-          Voraussetzungen für eine Behandlung, Rehabilitation und die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben zu schaffen,

-          stationäre Aufenthalte zu verkürzen oder zu verhindern,

-          krankheitsbedingte Isolation abzubauen oder zu verhindern und

-          Angehörige zu entlasten und dem sozialen Umfeld zu mehr Stabilität zu verhelfen.

 

Zur Erreichung dieser Ziele nimmt die KBST folgende Aufgaben wahr:

-          Hilfen zur Gestaltung und Pflege sozialer Beziehungen, z.B. offene Frühstücksangebote, Patientenclubarbeit, gesellige Gesprächsrunden, Spielgruppen, kulturelle oder sportliche Aktivitäten, ein- oder mehrtägige Urlaubsfahrten,

-          Durchführung themenzentrierter Gruppen, Auseinandersetzung mit selbstgewählten Themen,

-          Alltags- und lebenspraktische Anleitungen, z.B. zum Kochen, zur Haushaltsführung,

-          Beschäftigungsmöglichkeiten und Angebote zur Förderung der Kreativität,

-          Beratung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen, deren Angehörigen und weiteren Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld,

-          Weiterleitung und Vermittlung Hilfesuchender zu anderen Hilfeangeboten,

-          Begleitung und Anleitung von Laienhelfern.

 

Das Angebot der KBST ist schwerpunktmäßig auf erwachsene Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen ausgerichtet, nicht aber auf Menschen mit gerontopsychiatrischen Beeinträchtigungen und Suchtkranke.

 

KBST´s sind niedrigschwellig angelegt: keine Voranmeldung erforderlich, offene Angebotszeiten, keine oder nur geringe Teilnahmegebühren, Möglichkeit anonymer Teilnahme, niedrige Erwartungshaltung und Anforderungen an Besucher*innen. Sie sind deshalb besonders geeignet, Menschen mit psychischen Erkrankungen einen Weg ins Hilfesystem und damit zu verbesserter psychischer Gesundheit zu bieten.

 

Der bestehenden Vereinbarung zwischen Kreis und Caritasverband liegt eine Stellenbesetzung mit einer an Werten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST) orientierten Vergütung zugrunde:

0,5 Vollzeitstelle S 12

1 VZ S 11b

0,4 VZ S 3 (Genesungsbegleitung)

 

Unter der Voraussetzung, dass die tatsächlichen Kosten im angemessenen Verhältnis zur Kreisförderung stehen und Personal mit den vereinbarungsgemäßen Qualifikationen eingesetzt wird, wird kreisseitig toleriert, dass Personal mit geringerer Vergütung als in der Berechnung der Pauschale vorgesehen zum Einsatz kommt. Dadurch können ein kostendämpfender Effekt erzielt und Einstiegstarife mit Aufstiegschancen möglich werden. Zudem kann der Caritasverband flexibler bei der Personalauswahl vorgehen. Es soll aber mindestens eine 0,5 Vollzeitstelle mit einer nach S 12 vergüteten Kraft besetzt sein.

Entsprechende Abweichungen in der personellen Besetzung sind zwischen dem Kreis Coesfeld und dem Caritasverband abzustimmen.

Sind Stellen mit geringerem Stundenumfang als vorgesehen besetzt, müssen die Fördermittel anteilig zurückgezahlt werden.

 

 

Inanspruchnahmedaten:

Die KBST bietet regelmäßig in sechs der elf kreisangehörigen Städte und Gemeinden offene Gruppen an: Billerbeck, Coesfeld, Dülmen, Lüdinghausen, Olfen und Senden.

 

Inanspruchnahme der KBST nach Angaben des Angebotsträgers:

2002

2004

2006

2008

2010

2012

2014

2016

2018

2019

2020

2021

Kontaktstellenbesucher/

innen

145

172

196

198

148

194

155

172

181

216

186

192

Gruppenbesuche insgesamt

2466

4133

4764

4911

4656

5377

5404

5615

5938

5770

3334

1802

Klientel in laufender Beratung*

-

-

-

-

27

31

43

37

45

52

41

55

*Diese Rubrik wird erst seit 2009 vom Angebotsträger im Jahresbericht ausgewiesen.

Klientinnen und Klienten in laufender Beratung können auch Kontaktstellenbesucher*innen sein.

 

 

Die Zahlen geben nur bedingt Auskunft über die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen, denn diese kann auch anonym bzw. ohne Erfassung persönlicher Daten erfolgen und ist dann bei den o.g. Werten nur bei den Gruppenbesuchen berücksichtigt. Weitere Informationen können dem Jahresbericht des Caritasverbandes für die KBST für das Jahr 2021 entnommen werden. (Anlage 1)

 

Infolge der Corona-Pandemie mussten die KBST-Angebote entsprechend der Coronaschutzverordnung NRW deutlich zurückgefahren und zum Teil auf telefonische Kontakte reduziert werden. Lockdowns und reduzierte Gruppengrößen gemäß dem vorzuhaltenden Hygienekonzept spiegeln sich in den Zahlen der Gruppenbesuche wider.

 

Versorgungsstandard:

Seit den 1980er Jahren wurden bundesweit Bettenkapazitäten in psychiatrischen Kliniken abgebaut und gemeindenah ambulante Hilfen aus- und umgebaut. Die Reformaktivitäten waren bestimmendes Leitmotiv für den 1995 vom Kreistag verabschiedeten Psychiatrieplan. Institutionen wie die KBST ersetzen alte Angebotsstrukturen und sind heute weit verbreiteter Versorgungsstandard.

 

Zusammenhang KBST und Förderung der Tagesstätten:

Der LWL finanziert die in Coesfeld und Dülmen bestehenden Tagesstätten für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Laut den Förderrichtlinien des LWL vom 01.01.2020 „wird ein Träger nur dann gefördert, wenn er mit der Tagesstätte zugleich am Ort eine vom örtlichen Sozialhilfeträger geförderte Kontakt- und Beratungsstelle betreibt oder mit einer solchen kooperiert.“

Durch die KBST besteht eine gute Gelegenheit, Tagesstättenbesuche anzubahnen. Ebenso kann Tagesstättenbesuchern nach dem Ende der Maßnahme eine Unterstützung in der KBST angeboten werden.

 

Einbeziehung ehrenamtlicher Helfer*innen:

In der KBST nehmen ehrenamtliche Helfer*innen wichtige Aufgaben wahr. Neben dem praktischen Nutzen hat der unentgeltliche Einsatz von Bürger*innen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine hohe ideelle Bedeutung und ist beispielgebend für Entstigmatisierung und den Anspruch einer gemeindenahen Versorgung der Hilfesuchenden. Bedingung für dieses Engagement ist die Begleitung und Unterstützung durch die Fachkräfte der KBST. Gegenwärtig sind dort 8 Ehrenamtliche aktiv.

 

 

Zusammenfassung:

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die KBST größter Anbieter für offene kontaktstiftende Angebote für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im Kreis Coesfeld ist. Die in der zwischen Kreis und Caritasverband abgeschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung festgelegten Inhalte und Ziele wurden bisher fachgerecht und mit guten Ergebnissen verfolgt. Der Aufwand erscheint angemessen.

 

Die Verwaltung hat mit dem Caritasverband in Vorgesprächen eine Fortsetzung der Förderung der KBST ab 2023 erörtert und darin einen Konsens erzielt. Nach dem jetzigen Verhandlungsstand ist eine Laufzeit der neuen Vereinbarung von zwei Jahren vorgesehen.

 

 

II. Entscheidungsalternativen

 

Eine Einschränkung der Angebote wäre nicht bedarfsgerecht. KBST´s gehören wie beschrieben zur Grundausstattung der vernetzt angelegten gemeindenahen psychiatrischen Versorgung.

 

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

 

 

Der Förderbetrag des Kreises wird als Pauschale gewährt. Grundlage für dessen Berechnung sind die im jüngsten Bericht (Nr. 07/2021) der KGST vorgeschlagenen Werte für die Kosten eines Arbeitsplatzes:

 

a) Personalkosten: 0,5  Vollzeitstelle  Entgeltgruppe S 12, 1 VZ Entgeltgruppe S 11b, 0,4 VZ S 3

125.530 €

b) zuzüglich 15 %  der Personalkosten als Verwaltungsgemeinkosten

18.829,50 €

c) zuzüglich Sachkostenpauschale

14.425 €

d) zuzüglich Programmmittel

1.500 €

=

160.284,50 €

abzüglich Mindesteigenanteil des Angebotsträgers

10.000 €

= Förderbetrag

150.284,50 €

 

Die Sachkostenpauschale steht in Relation zu den Personalstellen. In der aktuellen Vereinbarung bezieht sich die Pauschale lediglich auf die 1,5 Fachkraftstellen. Eine zukünftige Berücksichtigung der 0,4 Stelle Ergänzungskraft erscheint aber angemessen.

 

Nach zuletzt zweijähriger Vertragslaufzeit ohne Erhöhung steigt der Förderbetrag damit durch Anpassung der KGST-Werte und Erhöhung der Sachkostenpauschale ab 2023 von 145.887 € auf jährlich 150.284,50 € (= 3 %).

 

Wenngleich davon ausgegangen wird, dass der Caritasverband tatsächlich einen bedeutend höheren Beitrag zur Finanzierung der KBST leistet, soll auch im zukünftigen Vertrag ein Mindesteigenanteil in Höhe von 10.000 € festgelegt werden. Der Verband trägt darüber hinaus weiterhin während der Vertragslaufzeit das alleinige Risiko von Kostensteigerungen.  Im Jahr 2021 hat der Caritasverband für den Betrieb der KBST nach eigener Darstellung Eigenmittel in Höhe von 28.088,82 € aufgebracht. Wobei hierin auch Kosten für Leistungen eingerechnet wurden, die in der Vereinbarung mit dem Kreis nicht vorgesehen sind, z.B. für den Einsatz einer Sekretärin.

Zudem musste der Caritasverband für das Jahr 2021 Fördermittel in Höhe von 21.361,52 € zurückzahlen, da Stellen nicht im vorgesehenen Stundenumfang besetzt waren.

 

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Für die Entscheidung über die Gewährung von Kreiszuschüssen ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs. 1 KrO NW).

 

 

Anlagen:

 

 

1.    Jahresbericht der Kontakt- und Beratungsstelle für 2021

2.    Konzept der Kontakt- und Beratungsstelle