Beschluss:
Der Kreis Coesfeld ist bereit, die
Förderung der vom Caritasverband für den Kreis Coesfeld e.V. betriebenen
Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und
psychischen Behinderungen auf der Grundlage einer Leistungs-, Vergütungs- und
Prüfungsvereinbarung ab 01.01.2023 bis zunächst 31.12.2024 mit einem Betrag in
Höhe von jährlich bis zu 150.284,50 € fortzusetzen und damit den bisherigen
Förderbetrag um 3 % zu erhöhen. Es ist eine Refinanzierung in Höhe von 80 % des
Förderbetrages durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu erwarten.
Die Verwaltung
wird beauftragt, mit dem Angebotsträger eine entsprechende Vereinbarung
abzuschließen.
I. Sachdarstellung
Der Kreiscaritasverband hat 1995 in Dülmen nach Abstimmung mit dem
Kreis Coesfeld eine Kontakt- und Beratungsstelle (KBST) für Menschen mit
psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen eingerichtet. Der Kreis
hat bis einschließlich 2019 als freiwillige Leistung gemäß einer dem Verband
vor Inbetriebnahme gegebenen Zusage den überwiegenden Teil der Kosten getragen.
Mit Inkrafttreten der dritten Stufe des
BTHG sind zum 01.01.2020 gem. § 1 Abs. 1 AG SGB IX neue Zuständigkeiten auf den
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) übergegangen. Dies betrifft auch die
KBST´s für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Allerdings wurden
Aufgaben rückdelegiert, wodurch die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche
Sozialhilfeträger im Rahmen der Heranziehungssatzung in der Verantwortung
bleiben. Der Kreis Coesfeld stellt die Durchführung der Aufgabe sicher, der LWL
finanziert die KBST´s mit. In Abstimmung mit dem LWL schließt der Kreis
Coesfeld weiterhin Verträge zur Aufgabenerfüllung mit potentiellen
Leistungserbringern ab.
Bei den Finanzierungsanteilen wird
zwischen Kosten der Eingliederungshilfe und Kosten der Daseinsfürsorge
unterschieden. Der LWL geht davon aus, dass in einer KBST zu 80 % von ihm zu
tragende Leistungen der Eingliederungshilfe und zu 20 % vom örtlichen
Sozialhilfeträger zu finanzierende Leistungen der Daseinsfürsorge (z.B.
Beratung von Angehörigen) erbracht werden. Dementsprechend übernimmt er zurzeit
80 % der nicht gedeckten Kosten, sofern im Verwendungsnachweis die zugrunde
gelegte Aufgabenverteilung bestätigt wird. In den vergangenen zwei Jahren traf
dies zu.
Seit dem 01.01.2004 erfolgt die Förderung der derzeit mit bis zu 1,5
Fachkräften sowie einer 0,4-Stelle für eine Ergänzungskraft (Genesungsbegleitung)
besetzte KBST auf der Grundlage einer Leistungs-, Vergütungs- und
Prüfungsvereinbarung, zuletzt mit jährlich bis zu 145.887 € (Beschlüsse des
Kreistages vom 15.10.2003, 18.06.2008, 02.03.2011, 17.06.2015 und 09.09.2020).
Die Vereinbarung verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn sie nicht bis zum
30.06. eines Jahres gekündigt wird. Der Kreistag hat die Förderung in seinem
letzten Beschluss in dieser Sache bis zunächst Ende 2022 begrenzt. Kreisseitig
wurde die Vereinbarung daher bereits fristgerecht gekündigt.
Eine Anpassung des Förderbetrages an die Kostenentwicklung ist in der
bestehenden Vereinbarung nicht vorgesehen.
Der LWL beabsichtigt die Erarbeitung eines KBST-Konzeptes, inklusive
Grundlagen für die Finanzierung und Ausstattung. Wann das Konzept zur Verfügung
stehen wird, ist offen.
Aufgaben und Leistungsumfang der KBST:
Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen haben häufig Probleme, soziale Kontakte aufzunehmen und zu
pflegen. Die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben wird dadurch eingeschränkt.
Die über soziale Kontakte vermittelte Orientierung geht verloren, das
Selbstwertgefühl leidet. Krankheitsverläufe werden negativ beeinflusst und der
Behandlungs- und Rehabilitationsbedarf nimmt zu.
Ziel der KBST ist es,
die soziale, psychosoziale und kommunikative Kompetenz von Menschen mit
psychischen Erkrankungen zu fördern und
damit dazu beizutragen,
-
Voraussetzungen
für eine Behandlung, Rehabilitation und die Teilhabe am gemeinschaftlichen
Leben zu schaffen,
-
stationäre
Aufenthalte zu verkürzen oder zu verhindern,
-
krankheitsbedingte
Isolation abzubauen oder zu verhindern und
-
Angehörige
zu entlasten und dem sozialen Umfeld zu mehr Stabilität zu verhelfen.
Zur Erreichung dieser Ziele nimmt die KBST folgende Aufgaben wahr:
-
Hilfen
zur Gestaltung und Pflege sozialer Beziehungen, z.B. offene Frühstücksangebote,
Patientenclubarbeit, gesellige Gesprächsrunden, Spielgruppen, kulturelle oder
sportliche Aktivitäten, ein- oder mehrtägige Urlaubsfahrten,
-
Durchführung
themenzentrierter Gruppen, Auseinandersetzung mit selbstgewählten Themen,
-
Alltags-
und lebenspraktische Anleitungen, z.B. zum Kochen, zur Haushaltsführung,
-
Beschäftigungsmöglichkeiten
und Angebote zur Förderung der Kreativität,
-
Beratung
von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen, deren Angehörigen
und weiteren Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld,
-
Weiterleitung
und Vermittlung Hilfesuchender zu anderen Hilfeangeboten,
-
Begleitung
und Anleitung von Laienhelfern.
Das Angebot der KBST ist schwerpunktmäßig auf erwachsene Menschen mit
chronischen psychischen Erkrankungen ausgerichtet, nicht aber auf Menschen mit
gerontopsychiatrischen Beeinträchtigungen und Suchtkranke.
KBST´s
sind niedrigschwellig angelegt: keine Voranmeldung erforderlich, offene
Angebotszeiten, keine oder nur geringe Teilnahmegebühren, Möglichkeit anonymer
Teilnahme, niedrige Erwartungshaltung und Anforderungen an Besucher*innen. Sie
sind deshalb besonders geeignet, Menschen mit psychischen Erkrankungen einen
Weg ins Hilfesystem und damit zu verbesserter psychischer Gesundheit zu bieten.
Der bestehenden Vereinbarung zwischen Kreis und Caritasverband liegt
eine Stellenbesetzung mit einer an Werten der Kommunalen
Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST) orientierten
Vergütung zugrunde:
0,5 Vollzeitstelle S 12
1 VZ S 11b
0,4 VZ S 3 (Genesungsbegleitung)
Unter
der Voraussetzung, dass die tatsächlichen Kosten im angemessenen Verhältnis zur
Kreisförderung stehen und Personal mit den vereinbarungsgemäßen Qualifikationen
eingesetzt wird, wird kreisseitig toleriert, dass Personal mit geringerer
Vergütung als in der Berechnung der Pauschale vorgesehen zum Einsatz kommt.
Dadurch können ein kostendämpfender Effekt erzielt und Einstiegstarife mit
Aufstiegschancen möglich werden. Zudem kann der Caritasverband flexibler bei
der Personalauswahl vorgehen. Es soll aber mindestens eine 0,5 Vollzeitstelle
mit einer nach S 12 vergüteten Kraft besetzt sein.
Entsprechende
Abweichungen in der personellen Besetzung sind zwischen dem Kreis Coesfeld und
dem Caritasverband abzustimmen.
Sind
Stellen mit geringerem Stundenumfang als vorgesehen besetzt, müssen die
Fördermittel anteilig zurückgezahlt werden.
Inanspruchnahmedaten:
Die KBST bietet
regelmäßig in sechs der elf kreisangehörigen Städte und Gemeinden offene
Gruppen an: Billerbeck, Coesfeld, Dülmen, Lüdinghausen, Olfen und Senden.
Inanspruchnahme der KBST nach Angaben des Angebotsträgers: |
2002 |
2004 |
2006 |
2008 |
2010 |
2012 |
2014 |
2016 |
2018 |
2019 |
2020 |
2021 |
Kontaktstellenbesucher/ innen |
145 |
172 |
196 |
198 |
148 |
194 |
155 |
172 |
181 |
216 |
186 |
192 |
Gruppenbesuche insgesamt |
2466 |
4133 |
4764 |
4911 |
4656 |
5377 |
5404 |
5615 |
5938 |
5770 |
3334 |
1802 |
Klientel in laufender Beratung* |
- |
- |
- |
- |
27 |
31 |
43 |
37 |
45 |
52 |
41 |
55 |
*Diese
Rubrik wird erst seit 2009 vom Angebotsträger im Jahresbericht ausgewiesen.
Klientinnen
und Klienten in laufender Beratung können auch Kontaktstellenbesucher*innen
sein.
Die Zahlen geben nur bedingt Auskunft über die tatsächliche
Inanspruchnahme der Leistungen, denn diese kann auch anonym bzw. ohne Erfassung
persönlicher Daten erfolgen und ist dann bei den o.g. Werten nur bei den
Gruppenbesuchen berücksichtigt. Weitere Informationen können dem Jahresbericht
des Caritasverbandes für die KBST für das Jahr 2021 entnommen werden. (Anlage 1)
Infolge der Corona-Pandemie mussten die KBST-Angebote entsprechend der
Coronaschutzverordnung NRW deutlich zurückgefahren und zum Teil auf
telefonische Kontakte reduziert werden. Lockdowns und reduzierte Gruppengrößen
gemäß dem vorzuhaltenden Hygienekonzept spiegeln sich in den Zahlen der
Gruppenbesuche wider.
Versorgungsstandard:
Seit den 1980er Jahren wurden bundesweit Bettenkapazitäten in
psychiatrischen Kliniken abgebaut und gemeindenah ambulante Hilfen aus- und
umgebaut. Die Reformaktivitäten waren bestimmendes Leitmotiv für den 1995 vom
Kreistag verabschiedeten Psychiatrieplan. Institutionen wie die KBST ersetzen
alte Angebotsstrukturen und sind heute weit verbreiteter Versorgungsstandard.
Zusammenhang KBST und Förderung der Tagesstätten:
Der LWL finanziert die in Coesfeld und Dülmen bestehenden Tagesstätten
für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Laut den Förderrichtlinien des
LWL vom 01.01.2020 „wird ein Träger nur dann gefördert, wenn er mit der
Tagesstätte zugleich am Ort eine vom örtlichen Sozialhilfeträger geförderte
Kontakt- und Beratungsstelle betreibt oder mit einer solchen kooperiert.“
Durch
die KBST besteht eine gute Gelegenheit, Tagesstättenbesuche anzubahnen. Ebenso
kann Tagesstättenbesuchern nach dem Ende der Maßnahme eine Unterstützung in der
KBST angeboten werden.
Einbeziehung ehrenamtlicher Helfer*innen:
In der KBST nehmen ehrenamtliche Helfer*innen wichtige Aufgaben wahr.
Neben dem praktischen Nutzen hat der unentgeltliche Einsatz von Bürger*innen
für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine hohe ideelle Bedeutung und
ist beispielgebend für Entstigmatisierung und den Anspruch einer gemeindenahen
Versorgung der Hilfesuchenden. Bedingung für dieses Engagement ist die
Begleitung und Unterstützung durch die Fachkräfte der KBST. Gegenwärtig sind dort
8 Ehrenamtliche aktiv.
Zusammenfassung:
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die KBST größter Anbieter für
offene kontaktstiftende Angebote für Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen im Kreis Coesfeld ist. Die in der zwischen Kreis und
Caritasverband abgeschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung
festgelegten Inhalte und Ziele wurden bisher fachgerecht und mit guten
Ergebnissen verfolgt. Der Aufwand erscheint angemessen.
Die Verwaltung hat mit dem Caritasverband in Vorgesprächen eine
Fortsetzung der Förderung der KBST ab 2023 erörtert und darin einen Konsens
erzielt. Nach dem jetzigen Verhandlungsstand ist eine Laufzeit der neuen
Vereinbarung von zwei Jahren vorgesehen.
II. Entscheidungsalternativen
Eine Einschränkung der Angebote wäre nicht bedarfsgerecht. KBST´s gehören
wie beschrieben zur Grundausstattung der vernetzt angelegten gemeindenahen
psychiatrischen Versorgung.
III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal,
IT, Klima)
Der Förderbetrag des
Kreises wird als Pauschale gewährt. Grundlage für dessen Berechnung sind die im
jüngsten Bericht (Nr. 07/2021) der KGST vorgeschlagenen Werte für die Kosten
eines Arbeitsplatzes:
a) Personalkosten: 0,5 Vollzeitstelle Entgeltgruppe S 12, 1 VZ Entgeltgruppe S
11b, 0,4 VZ S 3 |
125.530 € |
b) zuzüglich 15
% der Personalkosten als
Verwaltungsgemeinkosten |
18.829,50 € |
c) zuzüglich
Sachkostenpauschale |
14.425 € |
d) zuzüglich
Programmmittel |
1.500 € |
= |
160.284,50 € |
abzüglich
Mindesteigenanteil des Angebotsträgers |
10.000 € |
= Förderbetrag |
150.284,50 € |
Die Sachkostenpauschale
steht in Relation zu den Personalstellen. In der aktuellen Vereinbarung bezieht
sich die Pauschale lediglich auf die 1,5 Fachkraftstellen. Eine zukünftige
Berücksichtigung der 0,4 Stelle Ergänzungskraft erscheint aber angemessen.
Nach zuletzt zweijähriger Vertragslaufzeit ohne Erhöhung steigt der
Förderbetrag damit durch Anpassung der KGST-Werte und Erhöhung der
Sachkostenpauschale ab 2023 von 145.887 € auf jährlich 150.284,50 € (= 3 %).
Wenngleich davon ausgegangen wird,
dass der Caritasverband tatsächlich einen bedeutend höheren Beitrag zur
Finanzierung der KBST leistet, soll auch im zukünftigen Vertrag ein
Mindesteigenanteil in Höhe von 10.000 € festgelegt werden. Der Verband trägt darüber
hinaus weiterhin während der Vertragslaufzeit das alleinige Risiko von
Kostensteigerungen. Im Jahr 2021 hat der Caritasverband für den
Betrieb der KBST nach eigener Darstellung Eigenmittel in Höhe von 28.088,82 €
aufgebracht. Wobei hierin auch Kosten für Leistungen eingerechnet wurden, die
in der Vereinbarung mit dem Kreis nicht vorgesehen sind, z.B. für den Einsatz
einer Sekretärin.
Zudem musste der
Caritasverband für das Jahr 2021 Fördermittel in Höhe von 21.361,52 €
zurückzahlen, da Stellen nicht im vorgesehenen Stundenumfang besetzt waren.
IV. Zuständigkeit für die Entscheidung
Für die Entscheidung über die Gewährung von Kreiszuschüssen ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs. 1 KrO NW).
Anlagen:
1. Jahresbericht der Kontakt- und
Beratungsstelle für 2021
2. Konzept der Kontakt- und
Beratungsstelle