Betreff
Photovoltaik an Radwegen
Vorlage
SV-10-0922
Art
Sitzungsvorlage

Beschluss:

 

Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

Sachdarstellung

Konventionelle Photovoltaikanlagen (PV) leistet bereits einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung. Das Potenzial der PV-Anlagen hängt allerdings besonders von der Größe und Verfügbarkeit von geeigneten Flächen ab. Somit wurde die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob sich PV in einem Pilotprojekt an/auf Radwegen im Kreis Coesfeld umsetzen lässt.

Die Untersuchung/Prüfung umfasst die Varianten

·         Horizontale PV-Integration in die Verkehrsfläche

  • PV als Radweg-Überdachung

 

Horizontale PV-Integration in die Verkehrsfläche

Bei der horizontalen PV-Integration werden die Module entweder auf eine bestehende Verkehrsfläche aufgebracht/aufgeklebt oder kompletten mit Unterbau (Kunststoff/Beton) verbaut.

Eine besondere Herausforderung stellt die Entwicklung einer geeigneten Deckschicht dar. Entsprechend ihrer Doppelfunktion hat die Deckschicht allen Anforderungen einer Verkehrsfläche (Radweg) zu erfüllen und muss zudem das Licht in optimierter Weise auf die Unterseite der Glasfläche und somit auf die Solarzelle durchlassen.

Weitere Anforderungen sind:

-          hohe Belastungsfähigkeit

-          Rutschfestigkeit

-          dauerhaft sicherer Betrieb der Verkehrsfläche

Es muss gewährleistet sein, dass sich z.B. einzelne Module nicht lösen.

-          Blendwirkung bei tiefstehender Sonne

-          Lärmentwicklung,

-          eine spezielle Oberfläche, die verhindert, dass das Glas matt wird oder verkratzt

-          Können einzelne defekte Module ausgetauscht werden (und zu welchen Kosten?)

Welche Zulassungen sind notwendig? Zunächst sind die technischen Richtlinien/Vorschriften für Verkehrsflächen (u.a. die Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen) einzuhalten. Dazu ist vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung notwendig. Testanlagen können zunächst mit einer Zulassung im Einzelfall (ZIE) freigegeben werden.

Eine in die Verkehrsfläche integrierte PV-Anlage ist zudem vielfältigen Einflüssen ausgesetzt, durch:

·      Witterung:

-  Häufige Temperaturwechsel sowie Frost führen zu Spannungen in der Modulstruktur, Ablösungen und Risse können die Folge sein.

-  Feuchtigkeit und Regen können über Beschädigungen (z.B. der Deckschicht) eindringen und das Modul zerstören (Kurschluss)

-  Laub, Schnee, Schmutz/Staub führen zur Verschlechterung des Lichttransmissionsgrades bis hin zur kompletten Verschattung. Dies kann zur Abschaltung eines ganzen Zellenstrangs führen.

 

·      Mensch:

-  Die Module können durch unzulässige Belastung oder Vandalismus leicht beschädigt werden, da sie gut zugänglich sind.

-  Verschattung durch Verkehrsteilnehmer (abgestelltes Fahrzeug etc.) führt rasch zu deutlichen Ertragsminderungen (Strangabschaltung)

·      Unterhalt:

-  Horizontalanlagen erfordern einen großen Aufwand bei der Unterhaltung/Reinigung um einen optimalen Ertrag zu gewährleisten.

-  Der Winterdienst stellt bei Einsatz von Räumfahrzeugen, Salzstreuung eine sehr hohe Belastung der Module dar.

 

Die meisten Pilotanlagen sind von einem zuverlässigen und lukrativen Betrieb weit entfernt. PV-Anlagen mit horizontaler Ausrichtung verfügen über eine 10% schlechtere Effizienz als optimal ausgerichteter Dachanlagen. Diverse Umwelt-Einflüsse (s.o.) führen zu weiteren Einbußen bei der Effizienz. So das der Jahresertrag von horizontale Pilotanlagen auf Verkehrsflächen gegenüber Dachanlagen in etwa 30% geringer ausfällt.

Gestartet wurde mit einem Pilotprojekt 2014 in den Niederlanden. Der erste Solar-Radweg in Deutschland wurde 2018 in Erftstadt eröffnet. Kurze Zeit später traten die ersten technischen Probleme beim Solarradweg auf. Nach tagelangen Regenfällen stand die Testanlage teilweise unter Wasser, was zu einem Schwelbrand durch technischen Defekt (Kurzschluss) führte. Im April 2019 wurde der Radweg erst gesperrt und dann wieder abgebaut. Auch die Ertragszahlen blieben hinter den Erwartungen zurück.

Anfang Januar wurde Kontakt zu einer Herstellerfirma für horizontale PV-Module aufgenommen. Die Module können auf bestehende Asphaltflächen geklebt werden, sofern die Oberfläche einigermaßen eben und tragfähig ist. Die Module sind 18 mm hoch. Der Übergang wird mit einer kleinen Rampe/Keil bewerkstelligt. Die Module befinden sich allerdings noch in der Entwicklungsphase und stehen derzeit regulär nicht zur Verfügung. Eine Umsetzung als Teststrecke wäre evtl. möglich.

Die Module werden zurzeit manuell gefertigt. Der Preis pro Quadratmeter beträgt aktuell ca. 300 € zzgl. Kosten für die Installation. Die Herstellungskosten werden zukünftig voraussichtlich sinken, wenn bei entsprechender Nachfrage in Serien produziert werden kann. Ein Quadratmeter hat laut Herstellerangaben einen jährlichen Ertrag von ca. 80 - 100 kWh. Bei einer Volleinspeisung würden sich aktuell innerhalb einer Laufzeit von 20 Jahre die Anschaffungskosten zzgl. Unterhaltung nicht amortisieren.

 


 

PV als Radweg-Überdachung/Tunnel

Alternativ wäre auch eine Überdachung eines Radweges mit Photovoltaik denkbar. Das System aus PV-Komponente und Tragekonstruktion muss für den Einsatz an Verkehrswegen eine Reihe von anwendungsspezifischen Herausforderungen meistern, die bei gewöhnlichen PV-Freiflächenanlagen nicht auftreten:

·         Technische Herausforderungen an die Konstruktion

-   lange Lebensdauer bei hoher Beanspruchung
(Schnee-, Wind- und Anpralllasten sowie mögliche Schäden am Tragsystem durch Verkehrsunfälle müssen mitberücksichtigt werden

ð  ein Systemversagen der gesamten Konstruktion muss ausgeschlossen werden

-   geringes Flächengewicht für Überdachungen

-   rutschfeste Modulaufbauten

-   blendfreie Photovoltaik-Aufbauten

-   geringe Schalltransmission und -reflexion (Lärmschutz)

-   Ausrichtung um ein Maximum an Energie zu gewinnen.

-   sichere Wartungsmöglichkeiten
Die Überdachung sollte mit abgesicherten Aufstiegsleitern und Wartungsstegen ausgestattet sein.

·         zusätzliche Gefahrenquelle für Verkehrsteilnehmer

-   Das Tragegerüst ist als ein nicht verformbares Hindernis im Sinne der RPS zu behandeln,
ð entsprechende Abstände zur Straße sind einzuhalten
ð evtl. sind Schutzplanken aufstellen oder die zul. Geschwindigkeit einzuschränken

-   Jeder Stützpfosten ist eine potenzielle Gefahrenquelle an der man mit Lenker/Anhänger hängen bleiben kann, insbesondere, wenn man dem Gegenverkehr ausweichen möchte.

·         Landschaftsbild

-   Eine Überbauung von Verkehrsflächen hat maßgeblichen Einfluss auf das Landschaftsbild. Neben den funktionalen Anforderungen sollen auch architektonisch-gestalterische Aspekte in den Entwurf einfließen.

·         Standort

-   Bei der Auswahl des Standortes sind natur, landschafts- und wasserrechtliche Aspekte mit einzubeziehen (Beteiligung der Unteren Landschafts- und Wasserbehörde)

·         Baurecht

-   Es ist zu prüfen, ob die Überdachung zur Anlage des Radweges gehört oder ob evtl. eine Baugenehmigung erforderlich ist?

·         Straßenunterhaltung

-   Sind Einschränkungen bei der Ausübung der Straßenunterhaltung (Winterdienst, Radweg fegen, Grasmad, …) in den Anschlussbereichen einzukalkulieren. Kann das „Hindernis“ mit Fahrzeugen der Straßenunterhaltung umfahren/durchfahren werden?

-   Erfordert die Unterhaltung der PV-Anlage spezielle Maßnahmen und Fachkenntnisse?


 

Vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung notwendig. Testanlagen können zunächst mit einer Zulassung im Einzelfall (ZIE) freigegeben werden.

Im Nov. 2022 wurde in Freiburg der Radweg entlang des Messegeländes mit einer Konstruktion aus Photovoltaikelementen überdacht. Der erste Solar-Radweg dieser Art in Deutschland ist ein Gemeinschaftsprojekt von badenovaWÄRMEPLUS, der Stadt Freiburg und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) (siehe https://www.badenovawaermeplus.de/erneuerbare-energien/sonne/an-lagen/solarradwegueberdachung). Die PV-Anlage mit 282,7 Kilowattpeak wurde auf 38 Dachsegmenten montiert. Für das Projekt wurde eine entsprechende Tragekonstruktion entwickelt und als Einzelanfertigungen hergestellt. Wenn sich das System bewährt, könnte sich hier heraus ein Standard-Tragesystem entwickelt, dass dann voraussichtlich auch zu geringeren Kosten erhältlich ist. Es wurde ein unverbindliches Angebot angefordert, welches noch nicht vorliegt.

Eine weitere Möglichkeit PV an/auf einem Radweg anzubringen, bietet der Lösungsansatzes eines Tunnels (siehe https://www.solaroute.de). Die Tragkonstruktion besteht aus Rundbögen, an denen die Solarpaneele befestigt werden. Es wird aktuell ein Prototyp erstellt. Die Zulassungen stehen noch aus. Auf einer Baulänge von ca. 300 m sollen 1.235 Module mit einer Leistung von je 0,3 KWp verbaut werden. Erste Kostenschätzung liegen bei ca. 660.000 €.

Durch die Ausrichtungsmöglichkeiten sind die Ertragsaussichten bei einer PV-Überdachung wesentlich besser als bei der vertikalen Integration. Bei einer Volleinspeisung würden sich aktuell die Anschaffungskosten zzgl. Unterhaltung innerhalb von 17-19 Jahre amortisieren.

 

 

Wirtschaftlichkeit / Fördermöglichkeiten

Die Rentabilität einer PV Anlage wird maßgeblich vom Photovoltaik-Ertrag beeinflusst. Dem Ertrag gegenüber stehen die Anschaffungskosten, gegebenenfalls Finanzierungskosten, sowie die Kosten für Betrieb und Wartung der Anlage.

Beim Vergleich der beiden Systeme wurde eine Volleinspeisung zu Grunde gelegt. Sobald Teile des erzeugten Stromes vom Betreiber der Anlage selber genutzt werden kann, verbessert dies die Rendite erheblich. Bei einer konkreten Planung wäre vor Ort der jeweilige Netzanschlusspunkt und die Verbraucherstruktur zu analysiert und einzubeziehen. Ferner wäre zu prüfen, ob die Anlage von einem Investor betrieben werden kann und der Kreis nur die Flächen zur Verfügung stellt (siehe PV-Anlage auf dem Dach des Bauhofes in Buldern).

Fördermöglichkeiten nach FöRi-Nah bestehen nur, wenn der Strom hauptsächlich für die Versorgung des Radweges, z.B. Beleuchtung genutzt wird. Wird dagegen der Strom ins Netz eingespeist oder selber verbraucht erfolgt eine Refinanzierung über die Einspeisevergütung oder die eingesparten Stromkosten. Für Freiflächen-Photovoltaikanlage ab 100 kWp besteht evtl. die Möglichkeit eine Zuwendung (von bis zu 20%) aus dem Programm für „Rationale Energieverwendung, Regenerative Energie und Energiesparen (progres.nrw) zu erhalten. Die Auswahl der Projekte erfolgt im Rahmen einer Einzelfallentscheidung.


 

Fazit

Beide Systeme ermöglichen einen PV-Ausbau auf versiegelten Flächen. Somit können vorhandene Flächen doppelt genutzt werden - als Radweg und für die Stromerzeugung. Dadurch lässt sich der Flächenverbrauch für erneuerbare Energieproduktion in der Natur verringern.

Aber es sind auch vielfältige Herausforderungen zu bewältigen. Wie zuvor beschrieben sind beide Systeme noch in der Entwicklungsphase. Insbesondere bei der horizontale PV-Integration ist die Technologie aktuell nicht zuverlässig und auch noch nicht rentabel, was auch die Erfahrung von diversen Pilotprojekten zeigt. Bei der PV-Überdachung wäre die Effizienz wesentlich besser, aber dafür ist die Suche nach einem geeigneten Standort sehr aufwendig. Neben der Berücksichtigung verschiedener Schutzgebiete (Natur/Landschaft/Wasser) ist eine potenzielle Gefährdung von Verkehrsteilnehmers durch einen ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen Fahrbahn und der Konstruktion auszuschließen.

Der finanzielle Aufwand für PV-Module auf Verkehrsflächen ist enorm und zahlt sich (noch) nicht aus. Der Unterhalt- und Wartungsaufwand gegenüber gewöhnlichen Verkehrsflächen ist groß und erfordert spezielle Maßnahmen und Fachkenntnisse.

 

 

Anlagen:

 

Beispiele einer

-          Horizontale PV-Integration in die Verkehrsfläche

-          PV – Überdachung / Tunnel