Beschluss:
Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.
Sachdarstellung
Konventionelle
Photovoltaikanlagen (PV) leistet bereits einen wichtigen Beitrag zur
Stromversorgung. Das Potenzial der PV-Anlagen hängt allerdings besonders von
der Größe und Verfügbarkeit von geeigneten Flächen ab. Somit wurde die
Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob sich PV in einem Pilotprojekt an/auf
Radwegen im Kreis Coesfeld umsetzen lässt.
Die
Untersuchung/Prüfung umfasst die Varianten
·
Horizontale PV-Integration in die
Verkehrsfläche
- PV als Radweg-Überdachung
Horizontale PV-Integration in die
Verkehrsfläche
Bei
der horizontalen PV-Integration werden die Module
entweder auf eine bestehende Verkehrsfläche aufgebracht/aufgeklebt oder
kompletten mit Unterbau (Kunststoff/Beton) verbaut.
Eine
besondere Herausforderung stellt die Entwicklung einer geeigneten Deckschicht
dar. Entsprechend ihrer Doppelfunktion hat die Deckschicht allen Anforderungen
einer Verkehrsfläche (Radweg) zu erfüllen und muss zudem das Licht in
optimierter Weise auf die Unterseite der Glasfläche und somit auf die
Solarzelle durchlassen.
Weitere
Anforderungen sind:
-
hohe Belastungsfähigkeit
-
Rutschfestigkeit
-
dauerhaft sicherer Betrieb der Verkehrsfläche
Es muss gewährleistet
sein, dass sich z.B. einzelne Module nicht lösen.
-
Blendwirkung bei tiefstehender Sonne
-
Lärmentwicklung,
-
eine spezielle Oberfläche, die verhindert,
dass das Glas matt wird oder verkratzt
-
Können einzelne defekte Module ausgetauscht
werden (und zu welchen Kosten?)
Welche
Zulassungen sind notwendig? Zunächst sind die technischen
Richtlinien/Vorschriften für Verkehrsflächen (u.a. die Richtlinien für die
Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen) einzuhalten. Dazu ist vom
Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) eine allgemeine bauaufsichtliche
Zulassung notwendig. Testanlagen können zunächst mit einer Zulassung im
Einzelfall (ZIE) freigegeben werden.
Eine in die
Verkehrsfläche integrierte PV-Anlage ist zudem vielfältigen Einflüssen
ausgesetzt, durch:
·
Witterung:
- Häufige
Temperaturwechsel sowie Frost führen zu Spannungen in der Modulstruktur,
Ablösungen und Risse können die Folge sein.
- Feuchtigkeit und
Regen können über Beschädigungen (z.B. der Deckschicht) eindringen und das
Modul zerstören (Kurschluss)
- Laub, Schnee,
Schmutz/Staub führen zur Verschlechterung des Lichttransmissionsgrades bis hin
zur kompletten Verschattung. Dies kann zur Abschaltung eines ganzen
Zellenstrangs führen.
·
Mensch:
- Die Module können
durch unzulässige Belastung oder Vandalismus leicht beschädigt werden, da sie
gut zugänglich sind.
- Verschattung durch
Verkehrsteilnehmer (abgestelltes Fahrzeug etc.) führt rasch zu deutlichen
Ertragsminderungen (Strangabschaltung)
·
Unterhalt:
- Horizontalanlagen
erfordern einen großen Aufwand bei der Unterhaltung/Reinigung um einen
optimalen Ertrag zu gewährleisten.
- Der Winterdienst
stellt bei Einsatz von Räumfahrzeugen, Salzstreuung eine sehr hohe Belastung
der Module dar.
Die
meisten Pilotanlagen sind von einem zuverlässigen und lukrativen Betrieb weit
entfernt. PV-Anlagen mit horizontaler Ausrichtung verfügen über eine 10%
schlechtere Effizienz als optimal ausgerichteter Dachanlagen. Diverse
Umwelt-Einflüsse (s.o.) führen zu weiteren Einbußen bei der Effizienz. So das
der Jahresertrag von horizontale Pilotanlagen auf Verkehrsflächen gegenüber
Dachanlagen in etwa 30% geringer ausfällt.
Gestartet
wurde mit einem Pilotprojekt 2014 in den Niederlanden. Der erste Solar-Radweg
in Deutschland wurde 2018 in Erftstadt eröffnet. Kurze Zeit später traten die
ersten technischen Probleme beim Solarradweg auf. Nach tagelangen Regenfällen
stand die Testanlage teilweise unter Wasser, was zu einem Schwelbrand durch
technischen Defekt (Kurzschluss) führte. Im April 2019 wurde der Radweg erst
gesperrt und dann wieder abgebaut. Auch die Ertragszahlen blieben hinter den
Erwartungen zurück.
Anfang
Januar wurde Kontakt zu einer Herstellerfirma für horizontale PV-Module
aufgenommen. Die Module können auf bestehende Asphaltflächen geklebt werden,
sofern die Oberfläche einigermaßen eben und tragfähig ist. Die Module sind 18
mm hoch. Der Übergang wird mit einer kleinen Rampe/Keil bewerkstelligt. Die
Module befinden sich allerdings noch in der Entwicklungsphase und stehen
derzeit regulär nicht zur Verfügung. Eine Umsetzung als Teststrecke wäre evtl.
möglich.
Die
Module werden zurzeit manuell gefertigt. Der Preis pro Quadratmeter beträgt
aktuell ca. 300 € zzgl. Kosten für die Installation. Die Herstellungskosten werden
zukünftig voraussichtlich sinken, wenn bei entsprechender Nachfrage in Serien
produziert werden kann. Ein Quadratmeter hat laut Herstellerangaben einen
jährlichen Ertrag von ca. 80 - 100 kWh. Bei einer Volleinspeisung würden sich aktuell
innerhalb einer Laufzeit von 20 Jahre die Anschaffungskosten zzgl. Unterhaltung
nicht amortisieren.
PV als Radweg-Überdachung/Tunnel
Alternativ
wäre auch eine Überdachung eines Radweges mit Photovoltaik denkbar. Das System
aus PV-Komponente und Tragekonstruktion muss für den Einsatz an Verkehrswegen
eine Reihe von anwendungsspezifischen Herausforderungen meistern, die bei
gewöhnlichen PV-Freiflächenanlagen nicht auftreten:
·
Technische
Herausforderungen an die Konstruktion
-
lange Lebensdauer bei hoher Beanspruchung
(Schnee-, Wind- und Anpralllasten sowie mögliche Schäden am Tragsystem durch
Verkehrsunfälle müssen mitberücksichtigt werden
ð
ein Systemversagen der gesamten Konstruktion
muss ausgeschlossen werden
- geringes
Flächengewicht für Überdachungen
- rutschfeste Modulaufbauten
- blendfreie
Photovoltaik-Aufbauten
- geringe
Schalltransmission und -reflexion (Lärmschutz)
- Ausrichtung um ein
Maximum an Energie zu gewinnen.
-
sichere Wartungsmöglichkeiten
Die Überdachung sollte mit abgesicherten Aufstiegsleitern und Wartungsstegen
ausgestattet sein.
·
zusätzliche
Gefahrenquelle für Verkehrsteilnehmer
- Das Tragegerüst ist
als ein nicht verformbares Hindernis im Sinne der RPS zu behandeln,
ð entsprechende Abstände zur Straße sind
einzuhalten
ð evtl. sind Schutzplanken aufstellen oder die
zul. Geschwindigkeit einzuschränken
- Jeder Stützpfosten
ist eine potenzielle Gefahrenquelle an der man mit Lenker/Anhänger hängen
bleiben kann, insbesondere, wenn man dem Gegenverkehr ausweichen möchte.
·
Landschaftsbild
- Eine Überbauung von
Verkehrsflächen hat maßgeblichen Einfluss auf das Landschaftsbild. Neben den
funktionalen Anforderungen sollen auch architektonisch-gestalterische Aspekte
in den Entwurf einfließen.
·
Standort
- Bei der Auswahl des
Standortes sind natur, landschafts- und wasserrechtliche Aspekte mit
einzubeziehen (Beteiligung der Unteren Landschafts- und Wasserbehörde)
·
Baurecht
-
Es ist zu prüfen, ob die Überdachung zur
Anlage des Radweges gehört oder ob evtl. eine Baugenehmigung erforderlich ist?
·
Straßenunterhaltung
- Sind Einschränkungen
bei der Ausübung der Straßenunterhaltung (Winterdienst, Radweg fegen, Grasmad,
…) in den Anschlussbereichen einzukalkulieren. Kann das „Hindernis“ mit
Fahrzeugen der Straßenunterhaltung umfahren/durchfahren werden?
-
Erfordert die Unterhaltung der PV-Anlage spezielle
Maßnahmen und Fachkenntnisse?
Vom
Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) ist eine allgemeine bauaufsichtliche
Zulassung notwendig. Testanlagen können zunächst mit einer Zulassung im
Einzelfall (ZIE) freigegeben werden.
Im
Nov. 2022 wurde in Freiburg der Radweg entlang des Messegeländes mit einer
Konstruktion aus Photovoltaikelementen überdacht. Der erste Solar-Radweg dieser
Art in Deutschland ist ein Gemeinschaftsprojekt von badenovaWÄRMEPLUS, der
Stadt Freiburg und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE)
(siehe https://www.badenovawaermeplus.de/erneuerbare-energien/sonne/an-lagen/solarradwegueberdachung). Die PV-Anlage mit
282,7 Kilowattpeak wurde auf 38 Dachsegmenten montiert. Für das Projekt wurde
eine entsprechende Tragekonstruktion entwickelt und als Einzelanfertigungen
hergestellt. Wenn sich das System bewährt, könnte sich hier heraus ein Standard-Tragesystem
entwickelt, dass dann voraussichtlich auch zu geringeren Kosten erhältlich ist.
Es wurde ein unverbindliches Angebot angefordert, welches noch nicht vorliegt.
Eine
weitere Möglichkeit PV an/auf einem Radweg anzubringen, bietet der Lösungsansatzes
eines Tunnels (siehe https://www.solaroute.de). Die
Tragkonstruktion besteht aus Rundbögen, an denen die Solarpaneele befestigt
werden. Es wird aktuell ein Prototyp erstellt. Die Zulassungen stehen noch aus.
Auf einer Baulänge von ca. 300 m sollen 1.235 Module mit einer Leistung von je
0,3 KWp verbaut werden. Erste Kostenschätzung liegen bei ca. 660.000 €.
Durch die Ausrichtungsmöglichkeiten sind die Ertragsaussichten bei
einer PV-Überdachung wesentlich besser als bei der vertikalen Integration. Bei
einer Volleinspeisung würden sich aktuell die Anschaffungskosten zzgl.
Unterhaltung innerhalb von 17-19 Jahre amortisieren.
Wirtschaftlichkeit
/ Fördermöglichkeiten
Die Rentabilität einer PV Anlage wird maßgeblich vom
Photovoltaik-Ertrag beeinflusst. Dem Ertrag gegenüber stehen die
Anschaffungskosten, gegebenenfalls Finanzierungskosten, sowie die Kosten für
Betrieb und Wartung der Anlage.
Beim Vergleich der beiden Systeme wurde eine Volleinspeisung zu Grunde
gelegt. Sobald Teile des erzeugten Stromes vom Betreiber der Anlage selber
genutzt werden kann, verbessert dies die Rendite erheblich. Bei einer konkreten
Planung wäre vor Ort der jeweilige Netzanschlusspunkt und die
Verbraucherstruktur zu analysiert und einzubeziehen. Ferner wäre zu prüfen, ob die
Anlage von einem Investor betrieben werden kann und der Kreis nur die Flächen
zur Verfügung stellt (siehe PV-Anlage auf dem Dach des Bauhofes in Buldern).
Fördermöglichkeiten nach FöRi-Nah bestehen nur, wenn der Strom
hauptsächlich für die Versorgung des Radweges, z.B. Beleuchtung genutzt wird.
Wird dagegen der Strom ins Netz eingespeist oder selber verbraucht erfolgt eine
Refinanzierung über die Einspeisevergütung oder die eingesparten Stromkosten. Für
Freiflächen-Photovoltaikanlage ab 100 kWp besteht evtl. die Möglichkeit eine Zuwendung
(von bis zu 20%) aus dem Programm für „Rationale Energieverwendung,
Regenerative Energie und Energiesparen (progres.nrw) zu erhalten. Die Auswahl
der Projekte erfolgt im Rahmen einer Einzelfallentscheidung.
Fazit
Beide Systeme ermöglichen einen PV-Ausbau auf versiegelten Flächen.
Somit können vorhandene Flächen doppelt genutzt werden - als Radweg und für die
Stromerzeugung. Dadurch lässt sich der Flächenverbrauch für erneuerbare
Energieproduktion in der Natur verringern.
Aber es sind auch vielfältige Herausforderungen zu bewältigen. Wie
zuvor beschrieben sind beide Systeme noch in der Entwicklungsphase.
Insbesondere bei der horizontale PV-Integration ist die Technologie aktuell
nicht zuverlässig und auch noch nicht rentabel, was auch die Erfahrung von
diversen Pilotprojekten zeigt. Bei der PV-Überdachung wäre die Effizienz wesentlich
besser, aber dafür ist die Suche nach einem geeigneten Standort sehr aufwendig.
Neben der Berücksichtigung verschiedener Schutzgebiete
(Natur/Landschaft/Wasser) ist eine potenzielle Gefährdung von
Verkehrsteilnehmers durch einen ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen
Fahrbahn und der Konstruktion auszuschließen.
Der finanzielle Aufwand für PV-Module auf Verkehrsflächen ist enorm
und zahlt sich (noch) nicht aus. Der Unterhalt- und Wartungsaufwand gegenüber
gewöhnlichen Verkehrsflächen ist groß und erfordert spezielle Maßnahmen und
Fachkenntnisse.
Anlagen:
Beispiele einer
-
Horizontale
PV-Integration in die Verkehrsfläche
-
PV –
Überdachung / Tunnel