Der Bericht zur Projektierung einer nachhaltigen Kapitalbeschaffung über einen Green Bond am Beispiel der Stadt Münster und dessen Übertragbarkeit auf den Kreis Coesfeld wird zur Kenntnis genommen.
zu I. – IV.
Zu den Zielen der Stadt Münster gehört es, ein wirkungsorientiertes Nachhaltigkeitsmanagement zur nachhaltigen Entwicklung aufzubauen und kontinuierlich zu verbessern. In diesem Zuge hat die Stadt Münster ein Maßnahmenprogramm 2019 – 2022 beschlossen, das unter anderem das Thema einer nachhaltigen Kapitalbeschaffung beinhaltete. In Orientierung an die Erfahrungen aus anderen Großstädten (München und Hannover) wurde in Münster im September 2022 der Beschluss umgesetzt, unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten einen Schuldschein (sog. Green Bond) mit einem Gesamtvolumen von 140 Mio. € aufzulegen. Zu den Motiven dieser Green-Bond-Ausgabe hat die Stadt Münster (vgl. öffentliche Beschlussvorlage V/0666/2021, abrufbar unter https://www.stadt-muenster.de/finanzen/muensters-haushalt/nachhaltige-finanzierung ) folgende Aspekte genannt:
- Ausweitung der Investorenbasis, z. B. auf Versicherungen
- Erweiterung der Finanzierungsbausteine zur Risikovorsorge, z. B. wegen Rückzugs aktueller Investoren aus dem kommunalen Kreditgeschäft
- Überregionale Bekanntmachung der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Münster, Förderung von Nachahmern
- Erzielung eines angemessenen Zinssatzes
In das Green-Bond-Projekt eingebunden wurde auch die Stadtwerke Münster GmbH (Aufteilung: 30 Mio. € Stadtwerke Münster GmbH / 110 Mio. € Kernverwaltung). Zu den Investitionen, die über den Green Bond finanziert werden können, zählen z. B. energetische Maßnahmen an Schulen, Kitas und anderen städtischen Gebäuden bzw. deren Neubau. Bei der Stadtwerke Münster GmbH kommen kapitalintensive Projekte der Zukunftsstrategie in Frage. Darüber hinaus sind in dem Abschlussbericht des Green-Bond-Projektes (vgl. öffentliche Beschlussvorlage V/0697/2022) die wesentlichen Arbeitsschritte des Projektes aufgeführt, die seit September 2021 durchgeführt wurden.
Projektschritte der Stadt Münster bis zu der
Green-Bond-Ausgabe (Zeitraum 09.2021 - 09.2022) |
Bildung einer Arbeitsgruppe (bestehend aus den Vertretungen des
Amtes für Finanzen und Beteiligungen, des Amtes für Immobilienmanagement, des
Amtes für Mobilität und Tiefbau und der Stadtwerke Münster GmbH) |
Verfahren zur Auswahl von Banken zur Verfahrensbegleitung / Mandatierung
eines Konsortiums aus der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba)
und der UniCredit s.P.A. |
Entwicklung eines sogenannten Rahmenwerkes* für grüne und
soziale Finanzierungen (gemeinsam mit dem ausgewählten Bankenkonsortium) |
Beauftragung einer Ratingagentur, die im Rahmenwerk vorgesehene
Prüfung seiner Nachhaltigkeitswirkung und seine Übereinstimmung mit den
Principles vorzunehmen sowie Prüfung und Bestätigung der Eignung der Stadt
Münster und der Stadtwerke GmbH als nachhaltige Emittenten |
Finale Abstimmung der vertraglichen Grundlagen
(Schuldscheinentwurf) / Die über den Schuldschein vereinbarten Zinssätze
bewegen sich leicht unter dem Niveau von Kommunalkrediten / Stückelung
500.000 € / Laufzeiten 7, 10, 15, 20 Jahre / endfällige Tilgung |
*Das
Rahmenwerk orientiert sich an den Prozessleitlinien der Social Bond
Principles und Green Bond Principles. Es beschreibt den Prozess der
Projektbewertung und der Projektauswahl sowie die Verwendung der
Emissionserlöse aus dem Schuldschein und enthält die Projektanforderungen und
Eignungskriterien grüner Projekte. Im Übrigen ist dort eine Verpflichtung zum
regelmäßigen Bericht gegenüber den Investoren enthalten, und zwar sowohl zur
Mittelverwendung (sog. Allokationsbericht) als auch zur
Nachhaltigkeitswirkung (sog. Wirkungsbericht) im Rahmen eines jährlichen
Sustainable Finance Berichts. |
Anzumerken bleibt, dass die Stadtkasse Münster in Absprache mit dem Amt für Finanzen und Beteiligungen bislang noch nicht auf geeignete Investitionen zugeordnete Emissionserlöse zu verwalten hat. Insoweit kommen z. B. vorübergehende Anlagen in Barmittel-Äquivalenten, kurzfristigen Finanzanlagen oder Liquiditätsüberbrückungen in Betracht.
In der öffentlichen Beschlussvorlage vom 21.09.2021 (V0666/2021) legte die Stadt Münster außerdem dar, dass das über den Green Bond zu generierende Finanzvolumen nach der Zielsetzung ca. 100 Mio. € betragen sollte, da ein solches Volumen für die marktgerechte Platzierung eines Green Bond erforderlich sei. Aufgrund einer hohen Nachfrage wurde das Finanzvolumen des Green Bond später tatsächlich auf 140 Mio. € ausgedehnt.
In diesem Zusammenhang bietet es sich an, die Haushaltseckdaten der Stadt Münster und des Kreises Coesfeld in den Blick zu nehmen. Danach umfasste das Haushaltsvolumen Münsters im Jahr 2022 rd. 1.377 Mio. €. Das Investitionsvolumen für die Jahre 2022 – 2025 wurde in Münster mit rd. 925 Mio. € veranschlagt.
Losgelöst von der Frage der Nachhaltigkeit liegt das mittelfristige Investitionsvolumen des Kreises Coesfeld für die Jahre 2023 – 2026 bei rd. 83 Mio. € (Haushaltsvolumen des Kreises Coesfeld im Jahr 2023: rd. 468 Mio. €). Damit liegt sogar der Investitionsbedarf des Kreises Coesfeld noch unter dem für die Ausgabe eines Green-Bond marktüblichen Finanzvolumens von 100 Mio. €.
Im Übrigen unterscheiden sich die Anzahl und die Größe der Beteiligungen des Kreises Coesfeld von der Beteiligungsstruktur der Stadt Münster erheblich.
Wie dem Beteiligungsbericht der Stadt Münster zum Stichtag 31.12.2021 entnommen werden kann, weist die Stadtwerke Münster GmbH als 100%-Tochter eine Bilanzsumme von rd. 582,4 Mio. € auf. Wirtschaftsstärkste 100%-Tochtergesellschaft des Kreises Coesfeld ist die Wirtschaftsbetriebe Kreis Coesfeld GmbH (WBC) mit einer Bilanzsumme (Stichtag: 31.12.2021) von rd. 10,5 Mio. €.
Hinzu kommt, dass die Finanzierung wesentlicher Investitionsbedarfe der WBC, die im Aufgabenfeld der Bewirtschaftung, Stilllegung und Nachsorge von Abfallentsorgungsanlagen beruhen, bereits größtenteils über aktivierte Finanzanlagen im Kreishaushalt abgesichert ist. Um den Rekultivierungsverpflichtungen für die Deponien des Kreises Coesfeld nachzukommen, hat der Kreis Coesfeld Rekultivierungsrückstellungen passiviert. Diesen Rückstellungen (Buchwert der Rekultivierungsrückstellungen zum 31.12.2021: rd. 24,63 Mio. €) stehen auf der Aktivseite der Bilanz des Kreises Coesfeld liquide Mittel für die Finanzierung der erforderlichen Rekultivierungsmaßnahmen (Buchwert der aktivierten Finanzanlagen für die Rekultivierung zum 31.12.2021: rd. 22,37 Mio. €) gegenüber.
Wie oben bereits ausgeführt, hat die Stadt Münster die Initiative zur Emission eines Green Bond auch ergriffen, um dem Rückzug aktueller Investoren aus dem kommunalen Kreditgeschäft im Sinne der Risikovorsorge entgegenzuwirken.
Eine vergleichbare Situation ist für den Kreis Coesfeld jedenfalls auf absehbare Zeit nicht ersichtlich. Dabei ist davon auszugehen, dass der Kreis Coesfeld im Bedarfsfall nach Maßgabe seiner in Ziffer 6.3 der Dienst- und Geschäftsanweisung für das Finanzwesen (vgl. Sitzungsvorlage SV-10-0292) formulierten Selbstverpflichtung vorrangig Förderkredite, z. B. bei der NRW.BANK oder bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch nehmen wird. Dies ist auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu begrüßen, da etwa die NRW.BANK über die Anwendung von Nachhaltigkeitsleitlinien kontroverse Geschäftspraktiken (z. B. kontroverses Umweltverhalten oder kontroverse Wirtschaftspraktiken) und kontroverse Geschäftsfelder (z. B. keine Fördermittelvergabe im Zusammenhang mit der Herstellung von kontroversen Waffen, wie z. B. Streubomben oder ABC-Waffen / keine Unternehmensfinanzierungen im Bereich des Glückspiels), die zu einer nachhaltigen Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben in den Bereichen der Struktur-, Wirtschafts-, Sozial- und Wohnraumpolitik im Widerspruch stehen, von einer Förderung ausschließt.
Im Rahmen der Recherche konnte
festgestellt werden, dass eine nachhaltige Kapitalbeschaffung über Green Bonds
in der Vergangenheit eher von sogenannten „Kleineren“ Großstädten (z. B. Stadt
Münster) oder „Großen“ Großstädten (> 500.000 Einwohner/-innen), wie z. B.
den Landeshauptstädten Hannover oder München initiiert wurde, nicht aber von
mittleren oder kleineren Städten und Gemeinden bzw. Kreisen. Es ist anzunehmen,
dass hierfür in den kleineren Kommunen auch die weniger stark ausgeprägten
Möglichkeiten zur Spezialisierung in der Aufgabenwahrnehmung und die damit
fehlenden Ressourcen zur Durchführung von zeitaufwändigen Projekten mit
bankenrechtlichem Charakter und zur Erledigung der nachfolgenden Aufgaben (wie
z. B. die Berichterstattung gegenüber den Investoren oder die Verwaltung von
Emissionserlösen) maßgeblich gewesen sein könnten.