Betreff
Errichtung einer Kleinwindanlage in Havixbeck-Schonebeck
Vorlage
SV-10-0965
Aktenzeichen
70.2
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Beirat stimmt der Erteilung einer Befreiung von dem in dem Landschaftsschutzgebiet 2.2.05 „Schonebeck-Herkentrup“ des Landschaftsplans Baumberge - Nord geltenden Bauverbot für die Errichtung einer Kleinwindanlage zu.

Begründung:

 

Die Antragstellerin beabsichtigt die Errichtung einer ca. 34 m hohen Kleinwindanlage auf dem Flurstück 164, Flur 1 der Gemarkung Schonebeck. Die Anlage besteht aus einem 30 m hohen Gittermast und einem Rotor mit einem Durchmesser von 7,48 m. Die Anlage soll auf einer Wiese zwischen dem Wohnhaus Schonebeck 77 und der Kreisstraße 1/Klosterweg errichtet werden.

 

Der Standort der Kleinwindanlage liegt vollständig innerhalb des Landschaftsschutzgebietes 2.2.05 „Schonebeck-Herkentrup“ des Landschaftsplans Baumberge - Nord.

 

Im Rahmen der Landschaftsplanaufstellung wurde das Landschaftsschutzgebiet mit folgenden Schutzzwecken festgesetzt:

a)       zur Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfä­higkeit des Naturhaushalts sowie der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzen­arten;

b)      zur Sicherung der natürlichen Ertragsfähigkeit der besonders schutzwürdigen Bö­den;

c)       wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der besonderen kulturhistori­schen Bedeutung der Landschaft;

d)      wegen der besonderen Bedeutung für die Erholung;

e)      zum Schutz und zur Abwehr schädlicher Einwirkungen auf angrenzende Natur­schutzgebiete.

 

Für das geplante Vorhaben ist eine Befreiung gemäß § 67 Bundesnaturschutzgesetz von dem innerhalb des Landschaftsschutzgebietes geltenden Verbot, bauliche Anlagen zu errichten oder zu erweitern, erforderlich.

Grundsätzlich ist zwar zum Zeitpunkt der Entscheidung die Errichtung von Windenergieanlagen nach § 26 Abs. 3 BNatSchG von den Verboten des Landschaftsschutzes freigestellt, bis gemäß § 5 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes festgestellt wurde, dass das jeweilige Land den Flächenbeitragswert nach Anlage 1 Spalte 2 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes oder der jeweilige regionale oder kommunale Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel erreicht hat. Nach hiesiger Rechtsauffassung fallen Kleinwindanlagen jedoch nicht unter diese Freistellung, so dass für diese Anlage die Erteilung einer Befreiung nach § 67 BNatSchG geprüft wird.

 

Mit Datum vom 27.04.2023 hat die Eigentümerin einen Antrag auf Befreiung von den Verboten des Landschaftsschutzes gestellt.

 

Abwägungsentscheidung

Die Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG setzt voraus, dass öffentliche Interessen vorliegen, welche die naturschutzrechtlichen Belange überwiegen. Das öffentliche Interesse, das die Außerachtlassung naturschutzrechtlicher Ge- und Verbote rechtfertigen soll, muss dabei ein qualifiziertes, hingegen kein zwingendes öffentliches Interesse sein.

 

Der bereits in 2017 gestellte Antrag auf Errichtung einer Kleinwindenergieanlage wurde von der unteren Naturschutzbehörde zum damaligen Zeitpunkt noch aufgrund des entgegenstehenden Landschaftsschutzes abgelehnt, gegen den der Antragsteller noch Rechtsmittel eingelegt hatte. Im Rahmen eines Ortstermins bestätigte der zuständige Richter noch eine sachgemäße, nicht zu beanstandende Abwägung. Es wurde aber auch darauf verwiesen, dass ggf. eine neue Abwägung vorzunehmen sei, wenn in dem benachbarten Windfeld „Herkentrup“ die ca. 200 m hohen Anlagen entstehen und zu einem veränderten Landschaftsbild führen würden. Der Windpark, der sich in einer Entfernung von ca. 1.350m befindet, wird mittlerweile errichtet.

 

Aufgrund der entstandenen Landschaftsbildveränderungen und der geänderten gesetzlichen Vorgaben (BNatSchG, EEG) muss der Antrag nun anders gewertet werden. Die Errichtung von Anlagen für erneuerbaren Energien liegen im öffentlichen Interesse. Insbesondere § 2 EEG gibt hier die Einstufung, dass die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden sollen.

 

Im Rahmen der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem betroffenen Landschaftsschutzgebiet kommt die untere Naturschutzbehörde damit zu der Entscheidung, dass in diesem Falle eine Befreiung nunmehr erteilt werden kann.

 

Artenschutzrechtliche Belange

Für das Vorhaben wurde eine artenschutzrechtliche Überprüfung durchgeführt. Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegenüber der Vogelwelt kann an dem vorliegenden Standort ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung von möglichen Beeinträchtigungen der Fledermauswelt sind vorsorglich nächtliche Abschaltungen während der Aktivitätszeit vorzusehen.

 

Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung

Die Errichtung der Windenergieanlage stellt insbesondere einen Eingriff in das umgebende Landschaftsbild dar. Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds durch Mast- und Turmbauten von mehr als 20 Metern Höhe sind in der Regel nicht ausgleichbar oder ersetzbar im Sinne des § 15 Absatz 6 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes. Die Ersatzzahlung ergibt sich aus dem durch die Wertstufe des Landschaftsbilds vorgegebenen Zahlwert pro Meter multipliziert mit der Anlagenhöhe (§ 31 Abs. 5 LNatSchG NRW). Der Standort der insgesamt 34,21 m hohen Anlage liegt in einem Bereich, der nach der landesweiten Landschaftsbildbewertung eine mittlere Bedeutung aufweist. Die Ersatzzahlung beträgt damit bei einem Ersatzgeld von 200 € je Meter Anlagenhöhe insgesamt 6.842,00 €.

 

Die Befreiung soll mit folgenden Nebenbestimmungen erteilt werden:

  • Zum Schutz von Fledermäusen ist die Kleinwindanlage im Zeitraum vom 01.04. bis zum 31.10. eines jeden Jahres nachts (1 Std. vor Beginn Sonnenuntergang bis 1 Std. nach Beginn Sonnenaufgang) vollständig abzuschalten, wenn die folgenden Bedingungen zugleich erfüllt sind: Temperaturen von >10 °C sowie Windgeschwindigkeiten im 10 min-Mittel von < 6 m/s (im Bereich der Kleinwindanlage).

Im Rahmen der Betriebsdatenregistrierung müssen mindestens die Parameter Windgeschwindigkeit und elektrische Leistung im 10-min-Mittel erfasst werden. Sofern Temperatur und Regen als Steuerungsparameter genutzt werden, sind auch diese zu registrieren und zu dokumentieren.

  • Mit Inbetriebnahme der Kleinwindanlage ist der Genehmigungsbehörde eine Erklärung vorzulegen, aus der ersichtlich ist, dass die artenschutzrechtlich erforderliche Abschaltung funktionsfähig eingerichtet ist. Diese Erklärung muss die vorgesehenen Abschaltzeiten eines jeden Jahres tabellarisch gelistet enthalten.

Zusätzlich sind die Betriebs- und Abschaltzeiten über die Betriebsdatenregistrierung zu erfassen, mindestens ein Jahr lang aufzubewahren und auf Verlangen kurzfristig dem Kreis Coes­feld, untere Naturschutzbehörde vorzulegen.

  • Auf Antrag kann durch einen qualifizierten Fachgutachter, der nachweislich Erfahrung mit der Erfassung von Fledermäusen hat, ein qualifiziertes Artenschutzgutachten eingereicht werden. Von der umfassenden nächtlichen Abschaltung könnte in diesem Fall abgewichen werden, sofern ein Verstoß gegenüber den Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG ausgeschlossen werden kann.
  • Bei der Durchführung der Baumaßnahme ist in jedem Fall naturschonend vorzugehen. Dies bedeutet insbesondere, dass prägende Landschaftsbestandteile (Hecken, Bäume, Geländeböschungen, Kleingewässer etc.) unbeschädigt und unbeeinträchtigt zu erhalten sind.
  • Die Flächeninanspruchnahme für den Baubetrieb ist auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren.
  • Vor Baubeginn ist zur Abgeltung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes für die beantragte Windenergieanlage ein Ersatzgeld zu zahlen (§ 31 Abs. 5 LNatSchG i. V. m. § 15 Abs. 6 BNatSchG). Das Ersatzgeld beläuft sich für die Windenrgieanlage auf 6.842,00 € (in Worten: sechstausendachthundertzweiundvierzig Euro). 

Das Ersatzgeld ist unter der Angabe des Verwendungszwecks 727020-23-2022/0609 auf eines der vorgenannten Konten der Kreiskasse Coesfeld zu überweisen.

Anlagen:

 

1.         Antrag auf Befreiung vom 27.04.2023

2.         Lageplan

3.         Schnitt WEA

4.         Protokoll Ortstermin VG vom 09.10.2019

5.         Artenschutzrechtliche Prüfung (nur verfügbar im Kreistags-Informations-System)