Beschlussvorschlag:
Der Beirat stimmt der Erteilung einer Befreiung von dem in dem Landschaftsschutzgebiet 2.2.05 „Schonebeck-Herkentrup“ des Landschaftsplans Baumberge - Nord geltenden Bauverbot für die Errichtung einer Kleinwindanlage zu.
Begründung:
Die Antragstellerin beabsichtigt die
Errichtung einer ca. 34 m hohen Kleinwindanlage auf dem Flurstück 164,
Flur 1 der Gemarkung Schonebeck. Die Anlage besteht aus einem 30 m hohen
Gittermast und einem Rotor mit einem Durchmesser von 7,48 m. Die Anlage
soll auf einer Wiese zwischen dem Wohnhaus Schonebeck 77 und der Kreisstraße 1/Klosterweg
errichtet werden.
Der Standort der Kleinwindanlage liegt
vollständig innerhalb des Landschaftsschutzgebietes 2.2.05 „Schonebeck-Herkentrup“
des Landschaftsplans Baumberge - Nord.
Im Rahmen der Landschaftsplanaufstellung
wurde das Landschaftsschutzgebiet mit folgenden Schutzzwecken festgesetzt:
a)
zur Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung
der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie der
Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,
einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild
lebender Tier- und Pflanzenarten;
b)
zur Sicherung der natürlichen Ertragsfähigkeit der
besonders schutzwürdigen Böden;
c)
wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie
der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft;
d)
wegen der besonderen Bedeutung für die Erholung;
e)
zum Schutz und zur Abwehr schädlicher Einwirkungen
auf angrenzende Naturschutzgebiete.
Für das geplante Vorhaben ist eine Befreiung
gemäß § 67 Bundesnaturschutzgesetz von dem innerhalb des
Landschaftsschutzgebietes geltenden Verbot, bauliche Anlagen zu errichten oder
zu erweitern, erforderlich.
Grundsätzlich ist zwar zum Zeitpunkt der
Entscheidung die Errichtung von Windenergieanlagen nach § 26 Abs. 3
BNatSchG von den Verboten des Landschaftsschutzes freigestellt, bis gemäß § 5
des Windenergieflächenbedarfsgesetzes festgestellt wurde, dass das jeweilige
Land den Flächenbeitragswert nach Anlage 1 Spalte 2 des
Windenergieflächenbedarfsgesetzes oder der jeweilige regionale oder kommunale
Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel erreicht hat. Nach
hiesiger Rechtsauffassung fallen Kleinwindanlagen jedoch nicht unter diese
Freistellung, so dass für diese Anlage die Erteilung einer Befreiung nach § 67
BNatSchG geprüft wird.
Mit Datum vom 27.04.2023 hat die
Eigentümerin einen Antrag auf Befreiung von den Verboten des
Landschaftsschutzes gestellt.
Abwägungsentscheidung
Die Erteilung einer Befreiung nach § 67
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG setzt voraus, dass öffentliche Interessen
vorliegen, welche die naturschutzrechtlichen Belange überwiegen. Das
öffentliche Interesse, das die Außerachtlassung naturschutzrechtlicher Ge- und
Verbote rechtfertigen soll, muss dabei ein qualifiziertes, hingegen kein
zwingendes öffentliches Interesse sein.
Der bereits in 2017 gestellte Antrag auf
Errichtung einer Kleinwindenergieanlage wurde von der unteren
Naturschutzbehörde zum damaligen Zeitpunkt noch aufgrund des entgegenstehenden
Landschaftsschutzes abgelehnt, gegen den der Antragsteller noch Rechtsmittel
eingelegt hatte. Im Rahmen eines Ortstermins bestätigte der zuständige Richter
noch eine sachgemäße, nicht zu beanstandende Abwägung. Es wurde aber auch
darauf verwiesen, dass ggf. eine neue Abwägung vorzunehmen sei, wenn in dem
benachbarten Windfeld „Herkentrup“ die ca. 200 m hohen Anlagen entstehen
und zu einem veränderten Landschaftsbild führen würden. Der Windpark, der sich
in einer Entfernung von ca. 1.350m befindet, wird mittlerweile errichtet.
Aufgrund der entstandenen
Landschaftsbildveränderungen und der geänderten gesetzlichen Vorgaben
(BNatSchG, EEG) muss der Antrag nun anders gewertet werden. Die Errichtung von
Anlagen für erneuerbaren Energien liegen im öffentlichen Interesse.
Insbesondere § 2 EEG gibt hier die Einstufung, dass die erneuerbaren
Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden
Schutzgüterabwägungen eingebracht werden sollen.
Im Rahmen der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem
Ausbau der erneuerbaren Energien und dem betroffenen Landschaftsschutzgebiet
kommt die untere Naturschutzbehörde damit zu der Entscheidung, dass in diesem
Falle eine Befreiung nunmehr erteilt werden kann.
Artenschutzrechtliche Belange
Für das Vorhaben wurde eine
artenschutzrechtliche Überprüfung durchgeführt. Ein signifikant erhöhtes
Tötungsrisiko gegenüber der Vogelwelt kann an dem vorliegenden Standort
ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung von möglichen Beeinträchtigungen der
Fledermauswelt sind vorsorglich nächtliche Abschaltungen während der
Aktivitätszeit vorzusehen.
Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Die Errichtung der Windenergieanlage
stellt insbesondere einen Eingriff in das umgebende Landschaftsbild dar.
Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds durch Mast- und Turmbauten von mehr als
20 Metern Höhe sind in der Regel nicht ausgleichbar oder ersetzbar im Sinne des
§ 15 Absatz 6 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes. Die Ersatzzahlung
ergibt sich aus dem durch die Wertstufe des Landschaftsbilds vorgegebenen
Zahlwert pro Meter multipliziert mit der Anlagenhöhe (§ 31 Abs. 5
LNatSchG NRW). Der Standort der insgesamt 34,21 m hohen Anlage liegt in einem
Bereich, der nach der landesweiten Landschaftsbildbewertung eine mittlere
Bedeutung aufweist. Die Ersatzzahlung beträgt damit bei einem Ersatzgeld von
200 € je Meter Anlagenhöhe insgesamt 6.842,00 €.
Die Befreiung soll mit folgenden
Nebenbestimmungen erteilt werden:
- Zum Schutz
von Fledermäusen ist die Kleinwindanlage im Zeitraum vom 01.04. bis zum
31.10. eines jeden Jahres nachts (1 Std. vor Beginn Sonnenuntergang bis 1
Std. nach Beginn Sonnenaufgang) vollständig abzuschalten, wenn die
folgenden Bedingungen zugleich erfüllt sind: Temperaturen von >10 °C
sowie Windgeschwindigkeiten im 10 min-Mittel von < 6 m/s (im Bereich
der Kleinwindanlage).
Im Rahmen der
Betriebsdatenregistrierung müssen mindestens die Parameter Windgeschwindigkeit
und elektrische Leistung im 10-min-Mittel erfasst werden. Sofern Temperatur und
Regen als Steuerungsparameter genutzt werden, sind auch diese zu registrieren
und zu dokumentieren.
- Mit
Inbetriebnahme der Kleinwindanlage ist der Genehmigungsbehörde eine
Erklärung vorzulegen, aus der ersichtlich ist, dass die
artenschutzrechtlich erforderliche Abschaltung funktionsfähig eingerichtet
ist. Diese Erklärung muss die vorgesehenen Abschaltzeiten eines jeden
Jahres tabellarisch gelistet enthalten.
Zusätzlich sind
die Betriebs- und Abschaltzeiten über die Betriebsdatenregistrierung zu
erfassen, mindestens ein Jahr lang aufzubewahren und auf Verlangen kurzfristig
dem Kreis Coesfeld, untere
Naturschutzbehörde vorzulegen.
- Auf Antrag
kann durch einen qualifizierten Fachgutachter, der nachweislich Erfahrung
mit der Erfassung von Fledermäusen hat, ein qualifiziertes
Artenschutzgutachten eingereicht werden. Von der umfassenden nächtlichen
Abschaltung könnte in diesem Fall abgewichen werden, sofern ein Verstoß
gegenüber den Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG
ausgeschlossen werden kann.
- Bei der
Durchführung der Baumaßnahme ist in jedem Fall naturschonend vorzugehen.
Dies bedeutet insbesondere, dass prägende Landschaftsbestandteile (Hecken,
Bäume, Geländeböschungen, Kleingewässer etc.) unbeschädigt und unbeeinträchtigt
zu erhalten sind.
- Die
Flächeninanspruchnahme für den Baubetrieb ist auf das geringstmögliche Maß
zu reduzieren.
- Vor
Baubeginn ist zur Abgeltung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes
für die beantragte Windenergieanlage ein Ersatzgeld zu zahlen (§ 31 Abs. 5
LNatSchG i. V. m. § 15 Abs. 6 BNatSchG). Das
Ersatzgeld beläuft sich für die Windenrgieanlage auf 6.842,00 € (in
Worten: sechstausendachthundertzweiundvierzig Euro).
Das Ersatzgeld
ist unter der Angabe des Verwendungszwecks 727020-23-2022/0609 auf eines der
vorgenannten Konten der Kreiskasse Coesfeld zu überweisen.
Anlagen:
1.
Antrag
auf Befreiung vom 27.04.2023
2.
Lageplan
3.
Schnitt
WEA
4.
Protokoll
Ortstermin VG vom 09.10.2019
5.
Artenschutzrechtliche
Prüfung (nur verfügbar im Kreistags-Informations-System)