Betreff
Bestands- und Bedarfsermittlung zu Sprach- und Qualifizierungsangeboten für Erwachsene mit Einwanderungsgeschichte
Vorlage
SV-10-0970
Art
Sitzungsvorlage

Beschluss:

Keiner

 

Der Zwischenbericht der Verwaltung zu den Bedarfen und Herausforderungen bei den Sprach- und Qualifizierungsangeboten für Erwachsene mit Einwanderungsgeschichte wird zur Kenntnis genommen.

 

I.  – IV 

 

Bestands- und Bedarfsanalyse zu Sprach- und Qualifizierungsangeboten für Erwachsene mit Einwanderungsgeschichte

Bereits in der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Integration am 02.03.2023 wurde ein umfassender Bericht zur Umsetzung der Sprach- und Integrationskursen im Kreis Coesfeld vorgelegt (SV-10-0812)   In der folgenden Sitzung des Ausschusses am 23.05.2023 wurde die Verwaltung beauftragt, eine Bestandserhebung zu Sprach- und Qualifizierungsangeboten für Erwachsene mit Einwanderungsgeschichte durchzuführen (SV-10-0879)

 

Um einen umfassenden Blick aus den unterschiedlichen Perspektiven auf das aktuelle Sprachkursangebot zu erhalten, wurden folgenden für die Integrationsarbeit relevanten Akteure angeschrieben

·         Sprachkursträgern

·         die Flüchtlingsberater und Flüchtlingsberaterinnen der Wohlfahrtsverbände

·         die Flüchtlingsbetreuer und Flüchtlingsbetreuerinnen der Städte und Gemeinden

·         die kommunalen Jobcenter,

·         die Hilfeplaner und Hilfeplanerinnen des Kreisjobcenters

·         die ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiativen.

 

Dabei wurde für jede Zielgruppe ein auf sie abgestimmter Fragebogen entwickelt, in dem die bestehenden Herausforderungen, die Umsetzbarkeit von Online-Sprachkursen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkurslandschaft erfragt wurden. Bislang wurden von allen Akteuren zusammen 31 Fragebögen ausgefüllt zurückgesendet (eine Zusammenfassung zu den Fragen und Rückläufen findet sich in der Anlage zur Sitzungsvorlage).

 

Herausforderungen

Die von den Befragten geschilderten Herausforderungen decken sich mit den bereits in den vorherigen Sitzungsvorlagen genannten. Als größtes Problem werden die langen Wartezeiten aufgrund des viel zu geringen Kursangebots genannt. In einem Fall wurde sogar von einer Wartezeit von 2 Jahren auf einen Alphabetisierungskurs berichtet.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Landschaft an Sprachkursangeboten (allgemeiner Integrationskurs, Alphabetisierungskurs, Erstorientierungskurs, berufsbezogene Sprachkurse, Selbstzahlerkurse, Willkommenskurse) als sehr unübersichtlich wahrgenommen wird. Für die Teilnehmenden und Beratenden wird es dadurch erschwert, den passenden Kurs zu finden. Und wenn eine passende Kursart gewählt wurde, ist unklar, wann der nächste Kurs starten wird, da es kaum bis zu keine Übersicht dazu gibt.

Ebenso wurde von vielen Befragten bemängelt, dass für manche Zielgruppen kein adäquates Angebot vorläge. Beispielsweise können Frauen aufgrund der Kinderbetreuung nur sehr schwer einen Kurs finden. Ebenso wird eine Unterstützung für Auszubildende sowie für Berufstätige als sinnvoll gesehen. In manchen Kommunen versuchen die ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiativen diese Lücken zu schließen und halten ein entsprechendes Angebot vor.

Ein weiteres großes Problem wird bei den Kursleitungen gesehen. Aufgrund der hohen Voraussetzungen des BAMF gibt es nur wenige Lehrkräfte. Aus Sicht einiger Befragter wurde geäußert, dass einige Lehrkräfte trotz ihrer Qualifikation keinen qualitativ guten Unterricht durchführen würden. Stattdessen würden Lehrkräfte bevorzugt, die vom BAMF nicht anerkannt werden, aber einen besseren Unterricht anbieten.

 

 

 

 

 

Aktuelle Entwicklungen bei den BAMF-Sprachkursen

In den vergangenen Wochen haben zwei Gespräche mit dem Regionalkoordinator des BAMF Herr Sternberg und dem KI stattgefunden. Herr Sternberg teilte dort mit, dass er das Ziel verfolgt, mehr Integrationskurse umsetzen zu lassen, die dann auch in den Kommunen vor Ort stattfinden sollen. Konkret bedeutet das, dass im Jahr 2024 40 Integrationskurse im Kreis Coesfeld durchgeführt werden sollen. Um das hoch gesteckte Ziel zu erreichen, sollen bereits im 3. und 4. Quartal im Jahr 2023 zwei weitere Kursträger aktiv werden. Die konkrete Planung, in welchen Orten und in welchen Räumlichkeiten die Träger aktiv werden können, sowie die Absprachen mit den bereits etablierten Trägern finden aktuell statt.

Dass der Bedarf an Integrationskursen hoch ist und weiterhin hoch sein wird, zeigt zum einen die lange Warteliste. Zum anderen wurden zu Beginn des Jahres die Integrationskurse auch für alle Personen mit einer Aufenthaltsgestattung geöffnet, von denen bislang aber nur sehr wenige Personen zu einem Integrationskurs zugelassen wurden. Als weitere große Zielgruppe, die bislang noch nicht den Weg zu einem Integrationskurs gefunden hat, sind die ausländischen Fachkräfte zu nennen. Perspektivisch sollen die Angebote so ausgestaltet werden, dass auch diese Zielgruppe an den Integrationskursen teilnehmen kann.

 

Bei erfolgreichem Bestehen des allgemeinen Integrationskurses verfügen die Teilnehmenden über das Sprachniveau B1. Für eine Ausbildung oder eine Berufstätigkeit wird jedoch das Niveau B2 empfohlen für ein Studium sogar C1. Im Bereich der berufsbezogenen Sprachförderung gibt es leider nur sehr wenige Kurse im Kreis Coesfeld. Derzeit gibt es sogar nur noch zwei zugelassene Kursträger, die diese Kurse anbieten dürfen. Aufgrund des hohen Bedarfs an Integrationskursen, setzen sie die Lehrkräfte zunächst dafür ein. Selbst wenn man davon ausgeht, dass nur ein Teil der Teilnehmenden des Integrationskurses auch einen B2-Kurs absolvieren möchten, ist hier mit einer großen Lücke zu rechnen. Hier suchen das KI und das Kreisjobcenter Kontakt zum Regionalkoordinator des BAMF, um der negativen Entwicklung gegenzusteuern.

 

Seitens Herrn Sternberg wurde das Angebot unterbreitet in der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Integration 14.11.2023 grundsätzlich und zur möglichen Angebotsausweitung der Förderangebote zu berichten (eine Teilnahme im Ausschuss am 05.09.2023 war nicht möglich)

 

 Online-Kurse

Auf die Frage, ob Online-Kurse eine gute Möglichkeit zum Erlernen der deutschen Sprache darstellen, gab es unterschiedliche Sichtweisen. Ein Kursträger schilderte, dass sie gute Erfahrungen in der Praxis gemacht hätten. Ein anderer Kursträger hingegen gab an, dass viele Lehrkräfte keine Online-Kurse übernehmen wollten.

Andere Befragte äußerten, dass es insbesondere für gut gebildete Personen eine Option wäre, während es für Analphabeten oder Personen mit geringen Deutschkenntnissen eine Überforderung darstelle. Auch der Austausch mit anderen Kursteilnehmern käme zu kurz, so dass die Lehrkraft didaktisch eingeschränkt sei und keine Gruppenarbeiten möglich wären und die Teilnehmenden weniger auf Deutsch sprechen üben würden.

Die Befragten waren sich darüber hinaus einig, dass nicht immer die notwendigen Rahmenbedingungen erfüllt seien. Zum einen ist damit die technische Ausstattung gemeint, da WLAN in den Unterkünften und zumindest ein Tablet oder Laptop vorhanden sein müssen. Zum anderen bezogen sie sich auf die Lernumgebung, die in vielen Unterkünften, in denen sich mehrere Personen ein Zimmer teilen, nicht angemessen ist. Ein separater Lernraum sei vielerorts nicht gegeben.

Die große Mehrheit bevorzugt aus den angegeben Gründen einen Sprachkurs in Präsenz in der jeweiligen Kommune.

 

Bestand ehrenamtlicher Angebote

Die Angebote im Sprachkursbereich durch die ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiativen sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Aber allen ist gemein, dass sie aus ihrer Sicht lediglich Angebote für die Personen machen, die nicht an einem offiziellen Sprachkurs teilnehmen können. Wie breit gefächert das Angebot ist, hängt davon ab, wie viele Ehrenamtliche sich engagieren und wie viele zugewiesene Geflüchtete vor Ort leben. Eine Flüchtlingsinitiative bietet beispielsweise 6 Kursarten an, während andere einen Kurs für alle anbieten. In manchen Initiativen wurden Spenden oder Fördermittel gesammelt, damit für einen Sprachkurs vor Ort eine Honorarkraft, die auch eine dementsprechende Qualifikation als Lehrkraft mitbringt, beschäftigt werden kann.

Gleichzeitig merkte ein Kursträger an, dass Teilnehmende von ehrenamtlichen Angeboten nicht zu offiziellen Kursen wechselten, zu denen sie nicht verpflichtet werden könnten. Dabei erhielten die Teilnehmenden in den offiziellen Kursen mehr Unterrichtseinheiten, so dass sie ihre Sprachkenntnisse schneller verbessern könnten.

Da die Initiativen im Ehrenamt so unterschiedlich aufgebaut sind und unterschiedliche Herangehensweisen haben, ist eine allgemeine Einschätzung zur Bedarfslage mit Blick diese Angebote nicht darstellbar.  

 

Bedarfe und Verbesserungsmöglichkeiten

Einige der genannten Maßnahmen, die die Situation der Sprachkurslandschaft verbessern können, ergeben sich zwangsläufig aus den bisher genannten und durch die Erhebung bestätigten Herausforderungen. Insgesamt sind besonders folgende Punkte zu nennen:

1.       Grundsätzlich sollen mehr Sprachkurse durchgeführt werden, um die Wartezeiten zu verkürzen. Ein Vorschlag war es, Basissprachkurse für Geflüchtete unabhängig vom Aufenthaltsstatus direkt nach ihrer Ankunft anzubieten.

2.       Am häufigsten wurde genannt, dass es Sprachkursangebote für spezielle Zielgruppen geben solle. Insbesondere sind da Kurse für Frauen mit Kinderbetreuung oder für Azubis und Berufstätige zu nennen.

3.       In mehreren Fällen wurden auch Stützkurse für Integrationskurse für sinnvoll erachtet oder aber auch Kurse für Personen über 50 Jahren, da dieser Zielgruppe der Spracherwerb schwerer fällt und das Tempo in den Integrationskursen für sie zu hoch ist.

4.       Zusätzlich wird eine Übersicht über die Kurslandschaft sowie die startenden Kurse als hilfreich angesehen.

5.       Als weiteres gewünschtes Angebot wurden verschiedene Maßnahmen genannt, die die mündliche Kommunikation verbessern. Dazu zählen Sprachcafés oder Sprachtandems, bei denen der Austausch und das Üben des Sprechens im Vordergrund stehen.

6.       Es wurden auch Angebote als sinnvoll erachtet, die das Erlernen der Sprache mit Freizeit- und Kultur verbinden. Als Beispiele wurden Stadtführungen in leichter Sprache oder Kino-/Theatervorstellungen mit Austauschmöglichkeiten genannt.

7.       Ebenso wurde eine stärkere Verzahnung von Sprache und Arbeit gewünscht, da viele der Geflüchteten gerne arbeiten gehen möchten. Vorgeschlagen wurde eine Maßnahme bestehend aus einem Mix von Hospitation und Mitarbeit in einem Betrieb ergänzt durch sprachliche Begleitung, bei der auf die Fachsprache eingegangen werden kann.

8.       Mehrfach genannt wurde ebenfalls, dass eingesetzte Sprachmittler zu Beginn in den Integrationskursen eine sinnvolle Ergänzung darstellen könnten.

 

Lediglich vereinzelt wurden Kurse für spezielle Berufsgruppen in den Bereichen Pflege, Handwerk oder Kaufmännischer Bereich gewünscht. Hier wurde auch oftmals gar kein Bedarf gesehen.

Insgesamt wird von den Befragten eine Erweiterung und Flexibilisierung der Sprachkursangebote gewünscht, die die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Teilnehmenden berücksichtigt.

 

Anlagen: Zusammenfassung zu den Fragen und Rückläufen der Erhebung