Betreff
Sanierung und Instandsetzung der Wasserkraftanlage Füchtelner Mühle in Olfen
Vorlage
SV-10-1140
Aktenzeichen
70.2
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Beirat stimmt der Erteilung einer Befreiung von den im Naturschutzgebiet 2.1.12 „Steveraue“ des Landschaftsplans „Olfen-Seppenrade“ geltenden Verboten für die Sanierung und Instandsetzung der Wasserkraftanlage Füchtelner Mühle zu.

 

Begründung:

 

Die bereits in der Vergangenheit für die Erzeugung von Elektrizität aus Wasserkraft genutzte Füchtelner Mühle an der Stever in Olfen wurde im Jahr 2021 von der Stadt Olfen und dem Kreis Coesfeld erworben mit dem Ziel, durch eine Sanierung und Instandsetzung der Wasserkraftanlage dauerhaft und effizient Elektrizität aus erneuerbarer Energie zu gewinnen. Kreis und Stadt haben mit diesen Arbeiten die Wirtschaftsbetriebe Kreis Coesfeld GmbH (wbc) beauftragt.

Im Zuge der Sanierung der Turbinen im Mühlengebäude ist auch die Erneuerung der Rechenanlage vor dem Turbineneinlauf erforderlich. Der neue Horizontalrechen soll in unmittelbarer Nähe des bestehenden Vertikalrechens errichtet werden. Der derzeit vor dem Turbinenschaft installierte Vertikalrechen steht im rechten Winkel zur Fließrichtung der Stever, der Abstand der Rechenstäbe untereinander weist 20 mm auf. Der neue Rechen soll – gemäß den Vorgaben der Stever als Vorranggewässer für die Zielart Aal („Verordnung (EG) Nr. 1100/2007 des Rates mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestands des Europäischen Aals“) – aus der strömungsvertikalen Ausrichtung des alten Rechens in eine annähernd strömungsparallele Ausrichtung verlagert werden, zudem werden der Stababstand im neuen Rechen auf 15 mm und die Anströmgeschwindigkeit auf maximal 0,5 m/s reduziert, um den Aal vor einem Durchschwimmen des Rechens und damit einer Tötung durch die Turbinen zu schützen. Um dennoch die ausreichende Menge an Wasser den Turbinen zuführen zu können, ist eine Länge des Rechens von ca. 9,50 m erforderlich. Diese Vergrößerung der Rechenanlage bedingt eine Inanspruchnahme einer Fläche von ca. 16 qm im Naturschutzgebiet „Steveraue“.

Die Baustellenzufahrt erfolgt von der Kökelsumer Straße auf den vorhandenen Wirtschaftsweg. Dieser ist im vorderen Bereich als Baustraße auszubauen, damit die Baustelle sicher angefahren werden kann. Hierfür ist der Weg dort zu verbreitern und zu stabilisieren. Für den Ausbau werden nur natürliche Baustoffe, wie z. B. Sandstein- oder Hartkalksteinschotter, verwendet. Nach Abschluss der Baumaßnahme wird die Befestigung rückgebaut und der Ursprungszustand wiederhergestellt. Die Aufstellungsfäche für den Baukran befindet sich auf der Kökelsumer Straße, die hierfür halbseitig gesperrt wird. Für die Baustelleneinrichtung sowie zur Lagerung des Baumaterials stellt die Stadt Olfen einen angrenzenden Wanderparkplatz zur Verfügung. Zum Schutz des FFH-Gebietes und des Gewässers werden bei der Errichtung der Baustraße und der Abspundung nur Baugeräte im Uferbereich der Stever eingesetzt, welche mit biologisch abbaubaren Ölen und Schmierstoffen betrieben werden.

Nach Beendigung der Baumaßnahme sind im Böschungsbereich auf mindestens der Länge der Horizontalrechenanlage gewässertypische Ufergehölze (u. a. Weidenarten, Pfaffenhütchen, Schneeball) flächendeckend anzupflanzen. Da der Vorhabenbereich derzeit einen lückigen, z. T. vegetationsfreien Zustand aufweist, kann mit diesen Maßnahmen ein Ausgleich des mit der zusätzlichen Versiegelung (ca. 16 qm) verbundenen Eingriffs erreicht werden.

 

Die geplante neue Rechenanlage liegt im südlichen Randbereich (Uferböschung) des Naturschutzgebiets 2.1.12 „Steveraue“, welches zugleich FFH-Gebiet DE-4210-302 „Stever“ ist . Das Schutzgebiet ist im Landschaftsplan „Olfen-Seppenrade“ mit folgenden Schutzzwecken festgesetzt (Auszug aus dem Landschaftsplan „Olfen-Seppenrade“ aus 2005):

a)         Erhaltung und Entwicklung der Steverniederung mit ihren angrenzenden Grünlandflächen;

b)        Erhaltung und Entwicklung von Biotopkomplexen aus Altarmen, künstlich angelegten Gewässern und Vegetationsstrukturen;

c)         Erhaltung und Entwicklung der Aue als prägenden Bestandteil des Landschaftsbildes;

d)        Wiederherstellung von Lebensgemeinschaften und Lebensstätten für wildlebende Tiere und wildwachsende Pflanzen;

e)        zur Bewahrung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und wild lebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Artikel 4 Abs. 4 i. V. m. Artikel 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) vom 21.05.1992. Hierbei handelt es sich um folgende Arten (Fischarten) von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie als maßgeblicher Bestandteil des Gebietes i. S. des § 48 d Abs. 4 LG:

·      Steinbeißer         Cobitis taenia

Erhaltung und Förderung der Steinbeißer-Population durch

-        Erhaltung und Entwicklung naturnaher, linear durchgängiger Fließgewässer mit Gewässersohlbereichen aus nicht verfestigten, sandigen und feinkiesigen Bodensubstraten sowie mit naturnaher Abflussdynamik mit sich umlagernden Sanden und Feinkiesen,

-        Vermeidung von Eutrophierungen und starken Materialeinschwemmungen mit der Folge von Veralgungen, Verschlammungen und Bewuchs mit Wasserpflanzen auf den Gewässersohlen,

-        Erhaltung von Habitatstrukturen im Gewässer wie Wurzeln und Steine.

 

Im Naturschutzgebiet gelten folgende Verbote, die vom Bauvorhaben der Errichtung des neuen Rechens betroffen sind:

·         Nr. 1: Bauliche Anlagen zu errichten oder bestehende bauliche Anlagen oder deren Nutzung zu ändern;

·         Nr. 15: Fließende Gewässer zu verändern oder deren Ufer in ihrer Gestalt zu verändern;

·         Nr. 19: Bäume, Sträucher oder sonstige wildwachsende Pflanzen zu beschädigen, auszugraben oder Teile davon abzutrennen;

·         Nr. 22: Die morphologischen Gegebenheiten wie Böschungen zu beseitigen oder zu verändern.

 

Auswirkungen auf die Schutzziele und Schutzzwecke des FFH-Gebiets DE-4210-302 „Stever“ sowie potentielle Beeinträchtigungen der artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG wurden in einer FFH-Verträglichkeitsvorprüfung und einer Artenschutzprüfung Stufe I geprüft mit dem Ergebnis, dass keine Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets sowie der Artenschutzverbote von der Maßnahme betroffen sind – vielmehr ist mit der „fischgerechten“ Ausbildung des neuen Horizontalrechens eine Verbesserung zur derzeitigen Situation gegeben.

 

Für das geplante Vorhaben ist eine Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz von den genannten innerhalb des Naturschutzgebietes geltenden Verboten erforderlich.

Mit Datum vom 22.01.2024 hat die wbc einen Antrag auf Befreiung von den Verboten des Naturschutzgebiets gestellt.

Mit der Erneuerung der Turbinenanlage und damit einhergehend des Rechens soll an der Füchtelner Mühle die bereits langjährig bestehende Erzeugung von Strom technisch erneuert und langfristig sichergestellt sein. Mit § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz hat der Gesetzgeber in 2023 die Errichtung und den Betrieb von Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energien auf die Ebene des überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit gehoben. Bis die Stromerzeugung in Deutschland annähernd treibhausgasneutral ist, sind die erneuerbaren Energien vorrangig in den jeweiligen Abwägungsvorgängen zu berücksichtigen.

Unter Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben und der Tatsache, dass für die Erneuerung der Rechenanlage lediglich eine Fläche von ca. 16 qm des Naturschutzgebiets beansprucht wird, welche sich zudem bereits im unmittelbaren Anschluss an die bestehenden technischen Anlagen befindet, kommt die untere Naturschutzbehörde zu der Entscheidung, dass im Rahmen der Abwägung zwischen dem betroffenen Schutzgebiet und der Förderung erneuerbarer Energien eine Erneuerung der Rechenanlage vorrangig zu bewerten ist.

 

Die Befreiung soll u.  a. mit folgenden Nebenbestimmungen erteilt werden:

·           Die Flächeninanspruchnahme für den Baubetrieb ist auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren.

·           Die Bautätigkeit ist möglichst umwelt- und naturschonend durchzuführen.

·           Eine Beseitigung der Gehölzbestände ist nur im Zeitraum zwischen dem 1. Oktober und 1. März des Folgejahres zulässig.

 

Anlagen:

 

1.    Übersichtskarte Vorhabenstandort und Schutzgebiete

2.    Kreis Coesfeld: FFH-Verträglichkeitsvorprüfung und Artenschutzprüfung Stufe I. Coesfeld, 25.01.2024 (nur verfügbar im Kreistags-Informations-System)

3.    Büro Stelzig: FFH-Verträglichkeits-Vorprüfung zur geplanten Bestandsaufnahme zur Sanierung und Instandsetzung der Wasserkraftanlage Füchtelner Mühle in Olfen (Kreis Coesfeld). Soest, April 2022 (nur verfügbar im Kreistags-Informations-System)