Beschluss: ungeändert beschlossen

Abstimmung: Ja: 7, Nein: 4, Enthaltungen: 1

Beschluss:

 

Der Erteilung einer Befreiung für die im Rahmen der IV. Änderung des Bebauungsplans Nr. 79/4 „Gausepatt“ der Stadt Dülmen beabsichtigte Inanspruchnahme einer Allee wird zugestimmt.

 


Vor Eintritt in die Erörterung zur Sache bittet Herr Holz Herrn Grömping um Darstellung der rechtlichen Situation.

Dieser stellt klar, dass der Beirat hier nicht lediglich als beratendes Gremium fungiert. Durch die dem Beschlussvorschlag zugrunde liegende Planung der Stadt Dülmen sei ein Verbot betroffen, das nur durch die Erteilung einer Befreiung überwunden werden könne. Aufgrund der durch die Stadt Dülmen vorgetragenen Begründung bestehe seitens der unteren Naturschutzbehörde die Absicht, die Befreiung zu erteilen. Nach § 75 Landesnaturschutzgesetz sei in diesem Fall der Beirat zu beteiligen. Stimme er der Befreiung zu, werde diese durch die untere Naturschutzbehörde erteilt. Im Fall eines Widerspruchs durch den Beirat habe sich der Kreisausschuss mit dem Vorgang zu befassen. Halte er den Widerspruch für berechtigt, sei die Befreiung abzulehnen. Andernfalls entscheide die höhere Naturschutzbehörde bei der Bezirksregierung Münster darüber. Hierfür werde dieser eine Frist von sechs Wochen eingeräumt; lasse die höhere Naturschutzbehörde die Frist verstreichen, könne die Befreiung erteilt werden.

 

Herr Holz bittet nun Herrn Leushacke um weitere Erläuterungen aus Sicht der Stadt Dülmen.

Herr Leushacke bedankt sich für die Gelegenheit, die dortigen Erwägungen vorzutragen, und weist einleitend darauf hin, dass die geplante Straße von erheblicher Bedeutung für die Innenstadtberuhigung sei. Die zu diesem Zweck erfolgte II. Änderung des Bebauungsplans sei vom Oberverwaltungsgericht bestätigt worden und seit 2006 rechtskräftig. Der Bebauungsplan sehe den Erhalt der Allee durch die Teilung der Fahrbahn vor, und es seien danach 6 Bäume für die Anlage des Kreisverkehrs zu entfernen. Über 10 Jahre nach dieser Planung seien von den seinerzeit erfassten 57 Bäumen noch 45, darunter auch Jungbäume, vorhanden, und das neue Baumgutachten habe ergeben, dass die damalige Prognose zu positiv gewesen sei; insbesondere die Windwurfgefährdung sei unterschätzt worden. Daher sei ein neuer Vorschlag entwickelt worden, der in diesem Bereich den Neuaufbau einer dreireihigen Allee mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten vorsehe. Im Bebauungsplanverfahren seien nun die Vor- und Nachteile abzuwägen. Im Rahmen der Offenlegung seien zahlreiche Anregungen und Bedenken vorgetragen worden. In Betracht komme danach aber neben der jetzt vorgelegten Änderung nur die Umsetzung des rechtskräftigen Bebauungsplans. Bei den Alternativen, die weitere Grundstücke beträfen, werde aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit das Klagerisiko als zu groß erachtet. Welcher Beschluss dem Stadtrat empfohlen werde, hänge insbesondere auch von der Beratung hier im Beirat ab.

 

Zum Inhalt des Baumgutachtens trägt Herr Pöppelmann vor, dass er zu den von der Stadt Dülmen erhobenen Fragen Stellung genommen habe, die sich auf die durch die Bauarbeiten zu erwartenden Schäden an den Bäumen, auf Erhaltungsmöglichkeiten und technische Empfehlungen gerichtet hätten. Dabei habe er festgestellt, dass von den ursprünglich 57 Bäumen 12 bereits fehlten. Abzüglich der 6 durch die rechtskräftige Planung betroffenen Bäume gehe es noch um 39 Bäume, von denen 11 ein guter Erhaltungszustand bescheinigt werden könne. Bei den übrigen Bäumen sei der Erhaltungszustand leicht eingeschränkt (13 Bäume) bzw. eingeschränkt (15 Bäume). Aufgrund der Wurzelsondierungen habe er insbesondere auf der Südseite Wurzelschäden durch das Einwachsen in die Fahrbahn festgestellt. 2 Bäume hätten danach beseitigt werden müssen, die übrigen seien in spätestens 1 - 3 Jahren abgängig. Zum Erhalt der Bäume sei daher in jedem Fall eine Änderung der Planung erforderlich.

Auf die Frage von Herrn Meyer nach der normalen Lebensdauer der Bäume antwortet Herr Pöppelmann, dass bei Straßenbäumen von 80 bis 120 Jahren auszugehen sei, hier seien die Bäume daher im letzten Drittel.

 

Herr Brüning hebt die Bedeutung der Allee hervor: Es handele sich um eine über 2 km lange Allee mit schönen Kronenbäumen. Sie sei ein Kleinod und identitätsstiftend für Dülmen. Dass der von der Straßenbauplanung betroffene Abschnitt der Allee nicht am besten erhalten sei, habe seinen Grund darin, dass hier die Pflege vor eben diesem Hintergrund nicht mehr ordnungsgemäß erfolgt sei. Da die Bäume z. T. aber immer noch eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren aufwiesen, sei ein hoher ökologischer Wert gegeben, was für einen Erhalt der Bäume spreche.

Es stelle sich daher die Frage, so Herr Brüning weiter, ob die Trassenführung, die einen Kahlschlag erfordere, unverzichtbar sei. Hier sei die Alternative 4 zu betrachten, bei der die Straßenführung nördlich der Allee erfolge, die dann als Rad- und Fußweg dienen könne. Da hierbei entsprechende Abstände eingehalten würden und auf Aufastungen verzichtet werden könnte, sei die Erhaltung der geschädigten Bäume möglich. Da die Versorgungsleitungen in der Allee unangetastet blieben, ergäben sich sogar Einsparungen. Für die Verschwenkung des Radweges seien mit Blick auf die davon betroffenen Gebäude Lösungen möglich, und es gebe auch Signale für die notwendigen Landkäufe.

Insgesamt überwiege daher der gesetzliche Schutz, der ökologische Wert, die Bedeutung der Allee als Alleinstellungsmerkmal für Dülmen und die Zumutbarkeit der Alternative das Interesse der Stadt Dülmen an der geplanten Straßenführung.

Auch für die Artenvielfalt, die ja ein großes Anliegen des Beirats sei, sowie für das Mikroklima seien alte Bäume von besonderer Bedeutung. Eine neue Allee könne erst in 30 Jahren derartige Funktionen haben, Naturschutz sei aber jetzt vonnöten.

Eine Befreiung komme hier nach alledem nicht in Betracht, und Herr Brüning erklärt für den BUND, dass ggf. die Erhebung einer Klage dagegen erwogen werde.

 

Herr Holz weist darauf hin, dass für die Stadt Dülmen nur zwei Varianten in Betracht kämen, so dass vor diesem Hintergrund die Möglichkeit der Befreiung zu prüfen sei.

Der bei Erhaltung der Allee erforderliche sukzessive Ersatz von Altbäumen durch Neupflanzungen mindere den optischen Eindruck wesentlich. Die Neuanlage der Allee in diesem Bereich stelle die einzig vernünftige Lösung dar.

 

Herr Dr. Baumanns stellt in Frage, dass das öffentliche Interesse an der Befreiung hinreichend dargelegt sei. Der Rat der Stadt Dülmen habe mehrere Varianten diskutiert, die alle eine Entlastung der Innenstadt bewirkten. Auch die Wirtschaftlichkeit sei nicht nachprüfbar; es fehlten plausible Kostenschätzungen.

Außerdem weist Herr Dr. Baumanns darauf hin, dass im Artenschutzgutachten zu Fledermausvorkommen keine Aussage möglich gewesen sei. Hier seien weitere Untersuchungen erforderlich.

 

Herr Leushacke weist den Vorwurf, die Allee sei nicht gepflegt worden, zurück. Es sei lediglich vor dem Hintergrund der zu erwartenden Baumaßnahme zunächst auf Nachpflanzungen verzichtet worden.

Die Entscheidung über die Straßenplanung werde der Rat der Stadt Dülmen treffen. Allerdings habe dieser bereits im Beschluss zur Offenlegung das Signal für eine Planung in der bisherigen Trasse gegeben. Daher gebe es auch keine genaueren Kostenermittlungen für die weiteren Varianten.

Der Umgang mir der artenschutzrechtlichen Situation sei besprochen und geplant.

Er sei überzeugt, so Herr Leushacke, dass bei Umsetzung der jetzigen Planung in 20 bis 30 Jahren eine schöne Allee entstanden sei.

 

Herr Wilkes erklärt aus seiner Erfahrung auch als Baumpfleger, dass Ahornbäume im öffentlichen Bereich nur bei optimalen Verhältnissen ein Alter von 120 Jahren erreichten; bei beginnendem Rückgang sei das Ende bereits absehbar. Die hier angesprochene maximale Lebensdauer von weiteren 30 Jahre sei daher unrealistisch. Vor Stückwerk und Nachpflanzungen sei vor diesem Hintergrund nur zu warnen; in 10 bis 15 Jahren werde von dem heutigen Bild nicht mehr viel übrig sein.

 

Herr Benze ist anderer Auffassung und spricht sich für die Erhaltung der Allee aus, die durch entsprechende Pflege und Ergänzung zu bewirken sei. Bei einer 3-reihigen Allee ergäben sich Probleme mit Blick auf die Pflege und durch Windwurf.

Auf die entsprechende Nachfrage von Herrn Benze erläutert Herr Pöppelmann, dass die 4 m breite Entwässerungsmulde bis an die Bäume heranreiche. Die dadurch entstandenen Wurzelbeschädigungen seien durch die Ahornbäume nicht zu kompensieren.

Zu der angesprochenen Windwurfproblematik sei diese, so Herr Pöppelmann weiter, in der bestehenden Allee wegen des notwendigen Kronenbeschnitts größer. Die Neuplanung ermögliche verschlossene Kronen, und die Südreihe bilde einen Schutz für die Nordreihe der Allee.

Auch Herr Leushacke weist darauf hin, dass in der Nordreihe der Allee jüngst 2 Bäume durch Windwurf gefällt worden seien.

 

Herr Dr. Baumanns bezweifelt, dass es ausreichend sei, für die Neupflanzung Bäume mit einem Umfang von 20 cm vorzusehen, was einem Durchmesser von 6 cm entspreche. Er verweist auf die Baumreihe am Ostdamm in Dülmen, wo sich nach 20 bis 30 Jahren noch immer keine ansehnlichen Bäume entwickelt hätten.

Herr Leushacke erwidert, dass dies eine Frage der Detailplanung sei und dass am Ostdamm nur ein kleiner Grünstreifen zur Verfügung stehe.

Herr Pöppelmann ergänzt, dass entscheidend die Qualität der Bäume und die Vorbereitung des Untergrundes sei.

 

Herr Himker zieht mit Blick auf die gesamte Allee einen Vergleich zur Heckenpflege, die ebenfalls abschnittsweise erfolge. Hier bestehe in absehbarer Zeit die Chance auf einen Abschnitt mit vitalen Bäumen, die einen hohen Wert für den Artenschutz darstellten.

Er weist außerdem auf die sehr positive Entwicklung des nach dem Orkan „Kyrill“ 2007 neu bepflanzten Schlossplatzes in Münster hin.

 

Herr Brüning stellt den Antrag, Fragen aus den Reihen der Besucher zuzulassen.

Da sich kein Widerspruch erhebt, richtet sich Herr Holz an die Besucher und fragt, ob Wortmeldungen gewünscht seien.

 

Frau Osterkamp von der „Interessengemeinschaft für den Erhalt der Allee an der Hülstener Straße" möchte von Herrn Leushacke wissen,. aus welchen Gründen für die Stadt Dülmen die Alternativen, die eine um 10 m verlegte Trasse der Umgehungsstraße beinhalteten, nicht in Betracht kämen. Wegen der angrenzenden Bebauung mit Gewerbebetrieben stelle die höhere Lärmbelastung hier kein Hindernis dar.

Außerdem bittet sie ihn um Auskunft, wie der Stadtrat ohne Kenntnis der Kosten aller Planungsalternativen eine sachgerechte Entscheidung treffen solle.

Herr Leushacke verweist auf seine bisherigen Ausführungen und stellt nochmals klar, dass die Verwaltung dem Stadtrat einen Vorschlag mache, dieser aber die Entscheidung treffe. Aus seiner Sicht spreche der Aufwand für die Verlegung der Trasse eindeutig gegen diese Alternativen. Die Kostenfrage sei später im Verfahren zu klären.

 

Herr Jung stellt die Frage der Nachhaltigkeit heraus. Auch er hat das in erstaunlich kurzer Zeit entstandene Bild des Schlossplatzes und des Zwingers in Münster vor Augen und sieht demgegenüber die Coesfelder Promenade als Stückwerk an.

Herr Jung spricht sich für die Erteilung der Befreiung aus.

 

Dem schließt sich Herr Bontrup an. Die angestrebte Entlastung der Innenstadt liege im öffentliche Interesse und sei, da ein Verlassen der Trasse nicht ohne weiteres realisierbar sei, nur durch die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Planung oder durch die vorgeschlagene Planänderung zu erreichen. Hinzuweisen sei auch darauf, dass von der 2 km langen Allee hier 400 m betroffen seien.

 

Herr Holz stellt den Beschlussvorschlag zur Abstimmung.


Form der Abstimmung:               offen per Handzeichen

Abstimmungsergebnis:               7 Ja-Stimmen

                                                    4 Nein-Stimmen

                                                    1 Enthaltung