Betreff
Anregung gem. § 21 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
Vorlage
SV-7-1448
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag der Antragsteller:

 

Der Kreistag des Kreises Coesfeld möge folgenden Beschluss fassen:

 

„Die Altfallregelung für geduldete Flüchtlinge muss über den 31.12.2009 hinaus verlängert werden!

 

-          Der Kreistag des Kreises Coesfeld spricht sich gemeinsam mit den beiden großen Kirchen und deren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas und gemeinsam mit der Bundeskonferenz der Integrations- und Ausländerbeauftragten für eine Verlängerung der Frist für die gesetzliche Altfallregelung nach § 104a und b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aus.

 

-          Die Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung müssen so korrigiert werden, dass sie der wirtschaftlichen Gesamtsituation Rechnung tragen. Für ältere, kranke bzw. erwerbsunfähige Personen müssen darüber hinaus humanitäre Aspekte berücksichtigt und kurzfristige Lösungen gefunden werden.

 

-          Der Kreistag des Kreises Coesfeld  appelliert an die Landes- und Bundesregierung sowie an alle politisch Verantwortlichen im Bundestag und im Landtag NRW sich für eine qualifizierte Verlängerung der gesetzlichen Altfallregelung einzusetzen.“

 

 

Begründung:

 

I.   Problem

Gem. § 21 Kreisordnung NRW (KrO NRW) hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten des Kreises an den Kreistag zu wenden. Die Zuständigkeiten des Kreisausschusses, der Ausschüsse und des Landrats werden hierdurch nicht berührt. Der Antragsteller ist über die Stellungnahme zu den Anregungen und Beschwerden zu unterrichten.

 

Ein Anspruch auf mündliche Anhörung der Antragsteller vor dem Kreistag oder einem Ausschuss besteht nicht.

 

Mit Datum vom 08.07.2009 wurde eine Anregung gem. § 21 KrO NRW an den Kreistag des Kreises Coesfeld gerichtet (siehe Anlage 1), eine Resolution zur Verlängerung der bundesgesetzlichen Altfallregelung für geduldete Flüchtlinge zu verabschieden. Darüber hinaus wurde der Landrat mit Schreiben vom 01.09.2009 von einem Mitglied der Flüchtlingsinitiative Coesfeld gebeten, über die Landtage und den Bundesrat Einfluss zu nehmen, so dass es so bald wie möglich zu einer veränderten Gesetzeslage zu Gunsten der Flüchtlinge kommt (siehe Anlage 2).

 

II.  Lösung

Der Kreis nimmt die Aufgaben auf dem Gebiete des Ausländerrechts als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr. Die Anregung, für langjährig hier lebende und bislang nur geduldete Menschen eine Nachfolgeregelung zur jetzigen zum 31.12.2009 auslaufenden Bleiberechtsregelung nach §§ 104 a und 104 b Aufenthaltsgesetz zu erlassen, betrifft eine bundesgesetzliche Angelegenheit, die von Bundestag und Bundesrat zu entscheiden ist.

 

Gem. § 19 Abs. 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 13.10.2004 ist für die Erledigung von Anregungen und Beschwerden der Kreisausschuss zuständig, es sei denn, sie betreffen Angelegenheit, für die gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW ausschließlich der Kreistag oder für die nach den Bestimmungen der KrO oder der Hauptsatzung der Landrat zuständig ist.

 

Bei dem vorliegenden Beschlussvorschlag zur Abgabe einer Resolution wird aufgrund der Bedeutung einer solchen Entscheidung die Zuständigkeit des Kreistages gesehen.

 

Mit der im Sommer 2007 in Kraft getretenen gesetzlichen Altfallregelung (§§ 104 a, 104 b Aufenthaltsgesetz) sollte die Problematik der sog. „Kettenduldungen“ abgeschafft werden und langjährig – (seit acht Jahren bzw. als Familie seit sechs Jahren) - im Bundesgebiet lebenden Ausländerinnen und Ausländern die Möglichkeit für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland gegeben werden. Die hiernach zu erteilenden Aufenthaltserlaubnisse „auf Probe“ sind zum 31.12.2009 befristet. Sie können um weitere 2 Jahre verlängert werden, wenn die Betroffenen ihren Lebensunterhalt bis dahin überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern konnten oder wenn sie mindestens seit dem 1. April 2009 ihren Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend eigenständig sichern konnten.

 

In Folge dieser gesetzlichen Altfallregelung wurden im Kreis Coesfeld bis Ende August 2009 insgesamt 813 Anträge auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gestellt. In 516 Fällen konnten Aufenthaltserlaubnisse nach der Altfallregelung erteilt werden. 140 Anträge mussten abgelehnt werden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen (z.B. wegen relevanter Straftaten, fehlender Aufenthaltsdauer, Verletzung erheblicher Mitwirkungsverpflichtungen). Rund 80 Anträge werden derzeit noch abschließend geprüft. Der Ausgang dieser Verfahren ist noch offen. Etwa 80 Verfahren haben sich anderweitig erledigt (z.B. Umzug in anderen Zuständigkeitsbereich, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Rücknahme des Antrags).

 

72 von den oben genannten 516 Personen erhielten die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes, weil zum Entscheidungszeitpunkt der Lebensunterhalt sichergestellt war. Sofern dies zum 31.12.2009 weiterhin der Fall ist, würde eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis um zwei weitere Jahre erfolgen. Ein Großteil der Ausländerinnen und Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach der bundesrechtlichen Altfallregelung erhalten haben, ist bis heute aber nicht in der Lage, den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sicherzustellen. Einige Familien befinden sich nach Angaben der Gemeinden nach wie vor in vollständigem Leistungsbezug. Ursächlich hierfür sind neben der derzeitigen Wirtschaftkrise strukturelle Barrieren, in vielen Fällen fehlende berufliche Qualifikationen, fehlende Schulabschlüsse und auch die Größe des Familienverbandes. Für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sind gesetzliche Ausnahmen vorgesehen, die zumindest bei lediglich ergänzendem Leistungsbezug für einige Personen zum Tragen kommen werden. Diejenigen Ausländer, die eine Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nicht erreichen können, fallen nach derzeitiger Rechtslage zum 01.01.2010 zurück in den Status der Duldung und wären letztlich bei Vorliegen aller Voraussetzungen in ihre Heimat zurückzuführen.

 

Über die grundsätzliche Problematik und die Entwicklung im Zusammenhang mit der Altfallregelung ist in den Gremien des Kreistages wiederholt berichtet worden. Die Situation im Kreis Coesfeld unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Situation in anderen Städten und Kreisen.

 

Wegen der – zumal in die gegenwärtige weltweite Wirtschaftskrise fallenden - Konsequenzen des Auslaufens der bisherigen Altfallregelung zum 31.12.2009 für die betroffenen Menschen, die nicht von dem Bleiberecht dauerhaft profitieren können, sind in den vergangenen Wochen und Monaten bundesweit in vielen Städten, Gemeinden und Kreisen mit der hier eingebrachten Resolution im Wesentlichen vergleichbare Resolutionen zur Verlängerung bzw. Verbesserung der auslaufenden Altfallregelung beantragt bzw. bereits verabschiedet worden (z.B. im Stadtrat Beckum, im Stadtrat Münster, im Kreistag Steinfurt; Übersicht z.B. bei www.aktion-bleiberecht.de; www.fluechtlingsrat.nrw.de; s. auch Anträge im Landtag NRW LT-Drs. 14/9072 und 14/9490).

 

III. Alternativen

Alternativen werden nicht vorgeschlagen. Die Verabschiedung einer Resolution wird seitens der Verwaltung unterstützt.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Durch den Beschluss über die Resolution entstehen dem Kreis Coesfeld unmittelbar keine Kosten.

 

Zu bedenken ist, dass Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung erhalten haben und den Lebensunterhalt nicht sicherstellen können, Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bzw. SGB XII haben. Die Kosten trägt der Bund mit Ausnahme des Anteils für die Kosten der Unterkunft, die der Kreis Coesfeld zu tragen hätte. Diese können aber nicht präzise beziffert werden.

 

Sofern die Personen in den Duldungsstatus zurückfallen, sind sie in konsequenter Anwendung des Aufenthaltsgesetzes abzuschieben, sofern eine freiwillige Ausreise nicht erfolgt und alle weiteren Voraussetzungen vorliegen. Die in dem Duldungsstatus ggf. zu gewährenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben die Gemeinden zu tragen.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Die Zuständigkeit des Kreistages ergibt sich aus § 26 Abs. 1 KrO NRW.