Beschlussvorschlag:
Für die bestehenden Landschaftspläne des Kreises Coesfeld werden im Rahmen eines parallelen Verfahrens
1. einheitliche Öffnungsklauseln eingeführt, die den Bau und Betrieb von Windkraft- und Biomasseanlagen in Landschaftsschutzgebieten im Einzelfall über Ausnahmeverfahren ermöglichen
und
2. die Bewirtschaftungsauflagen in Naturschutzgebieten mit den Förderrichtlinien Vertragsnaturschutz harmonisiert.
Begründung:
I. – II. Problem/ Lösung
Im Kreisgebiet bestehen sieben Landschaftspläne, die durch ihr unterschiedliches Alter voneinander abweichende Regelungen enthalten. Daneben zeigt sich, dass einzelne Regelungen nicht den aktuellen Fördermodalitäten des Landes bzw. der Europäischen Union entsprechen. Insofern empfiehlt es sich, alle Landschaftspläne in einem thematisch begrenzten Verfahren zu vereinheitlichen und in Form einer „Artikelsatzung“ gemeinsam zu ändern. Dabei sollten (1.) die Regeln zum Bauen in Landschaftsschutzgebieten vereinheitlicht und (2.) die Bewirtschaftungsauflagen in Naturschutzgebieten europarechtskonform gestaltet werden.
Bauverbote in Landschaftsschutzgebieten
Landschaftsschutzgebiete werden in der Regel ausgewiesen, um die „Vielfalt, Eigenart und Schönheit“ (§ 1 Bundesnaturschutzgesetz, BNatSchG) der Landschaft zu erhalten. Regelmäßig wird in den Begründungen auch die Erholungseignung der Landschaft betont. Ein wichtiges und oft auch bei gerichtlichen Überprüfungen herangezogenes Kriterium ist die Ästhetik des Landschaftsbildes. Als zentrales Instrument zur Umsetzung des Landschaftsschutzes gilt ein allgemeines Bauverbot. Als vom Verbot „nicht betroffene Tätigkeit“ wird von vornherein zumeist das landwirtschaftlich privilegierte Bauen ausgenommen.
Im Zuge der aktuellen Diskussion um die Förderung regenerativer Energieformen wird vielfach gefordert, die Errichtung von Windkraft- und Biomasseanlagen zu erleichtern bzw. auch in Schutzgebieten zu ermöglichen. Im Kreis Coesfeld ist festzustellen, dass die Regelungen für das Bauen in Landschaftsschutzgebieten insgesamt uneinheitlich sind.
Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten
Der gültige Gebietsentwicklungsplan (GEP) stellt auch im Bereich des Kreises Coesfeld Bereiche für die Nutzung der Windkraft dar, außerhalb derer raumbedeutsame Windkraftanlagen (im Grunde alle größeren WKA) nicht zulässig sind.
Die Diskussion um den neuen Regionalplan, der als Nachfolger des GEP zurzeit aufgestellt wird, wurde von der Neuauflage des Windenergieerlasses begleitet, der die Beschränkung der Windkraftnutzung auf die Konzentrationszonen aufhebt und insofern das allgemeinpolitische Ziel des Ausbaus regenerativer Energien unterstützt. Insbesondere Konzepte zum Betrieb von sog. Bürgerwindparks werden seitdem vielerorts diskutiert.
Die meisten Städte und Gemeinden haben die Anpassung ihrer Flächennutzungspläne eingeleitet. Vielfach wurden Kartierungen in Auftrag gegeben, die als Ergebnis Bereiche darstellen, für die Mindestabstände zur Wohnbebauung eingehalten sind. In vielen Fällen haben Interessenten für diese Bereiche bereits Gesellschaften gegründet, die als Antragsteller und Betreiber von Windparks auftreten wollen.
Bei den Wohnabstandskartierungen ergeben sich regelmäßig Bereiche, die innerhalb von rechtskräftigen Landschaftsschutzgebieten ein generelles Bauverbot für nicht landwirtschaftlich privilegierte Vorhaben aufweisen. Im Bereich des Kreises Coesfeld sind hier unterschiedliche Regelungen festzustellen, die im Wesentlichen vom Alter des jeweiligen Landschaftsplanes abhängen.
Während der erste Landschaftsplan LP1 Coesfelder Heide-Flamschen noch keinerlei Bezug zur Windkraftnutzung enthält, wird in den Landschaftsplänen 2 bis 6 (LP2 Merfelder Bruch-Borkenberge, LP3 Olfen-Seppenrade, LP4 Nordkirchen-Herbern, LP5 Rosendahl, LP6 Rorup) eine allgemeine Aussage im Einführungsteil zu den Landschaftsschutzgebieten aufgeführt. Allein der jüngste Landschaftsplan LP7 Baumberge Süd enthält eine Ausnahmeregelung für Windkraftanlagen. Die Bereiche des Kreises Coesfeld, die bisher noch nicht von Landschaftsplänen abgedeckt sind, weisen teilweise noch alte Landschaftsschutzverordnungen der Bezirksregierung auf (LSG Baumberge, LSG Ameshorst, LSG Hohenholte und LSG Honigbachtal). Auch diese sprechen ein generelles Bauverbot aus, ohne Windkraftanlagen zu erwähnen. Eine Übersicht der Regelungen zum Bauen in Landschaftsschutzgebieten gibt die Tabelle in der Anlage.
Ein LSG-Bauverbot für Windkraftanlagen (und andere Vorhaben) kann ggf. auf zweierlei Weise überwunden werden:
Entsprechend § 29 Abs. 4 Landschaftsgesetz (LG) kann die Gemeinde innerhalb der Abgrenzung eines Landschaftsplanes den Flächennutzungsplan ändern und anschließend einen Bebauungsplan zur Errichtung von Windkraftanlagen aufstellen. Wenn der Träger der Landschaftsplanung der FNP-Änderung im Verfahren nicht widersprochen hat, weicht der Landschaftsplan mit allen Festsetzungen bei Rechtskraft des Bebauungsplanes auf die Außengrenze des B-Planes zurück.
Dabei wäre die Stellungnahme der zuständigen unteren Landschaftsbehörde als über die Geschäfte der laufenden Verwaltung deutlich hinausgehend einzustufen. Landschaftsschutzgebiete werden in der Regel aus Gründen der Landschaftsästhetik bzw. wegen ihrer Eignung für die Freizeit- und Erholungsnutzung ausgewiesen. Eine „widerspruchslose“ Rücknahme gemäß § 29 Abs. 4 LG und damit eine partielle Auflösung des Landschaftsplanes als Kreissatzung mitsamt seiner auch drittschützenden Zielsetzungen ist nicht ohne öffentliche Diskussion und Beschlussfassung im Kreistag denkbar.
Der alternative Weg über eine Einzelfallbetrachtung mit
Befreiung oder Ausnahme von den Bauverboten ist für Vorhaben von der
Größenordnung heutiger Windkraftanlagen zumeist versperrt. Eine Befreiung gemäß
§ 67 BNatSchG „kann ... gewährt werden, wenn
1. dies aus Gründen des
überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und
wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.“
Auch für Bürgerwindparks ist auf dieser Grundlage eine Befreiung kaum zu begründen.
Eine Ausnahme vom LSG-Bauverbot ist allein im Bereich des Landschaftsplanes LP7 Baumberge Süd für Windkraftanlagen vorformuliert „... wenn sie nach Standort und Gestaltung der Landschaft angepasst werden, und der jeweilige Schutzzweck und andere Darstellungen des Landschaftsplanes nicht entgegenstehen.“
In allen anderen Bereichen des Kreises Coesfeld sind Befreiungen oder Ausnahmen vom Bauverbot für die Errichtung von Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten derzeit nicht möglich.
Um der aktuellen Diskussion über die Förderung regenerativer Energieformen Rechung zu tragen könnte eine kreisweit einheitliche Öffnungsklausel zur Ermöglichung von Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten in allen Landschaftsplänen eingeführt werden. Markante Höhenzüge und bisher offene Landschaftsräume mit wertvollen Habitaten sollten jedoch weiterhin nicht für Windkraftanlagen geöffnet werden.
Biomasseanlagen in Landschaftsschutzgebieten
Ein zweiter baurechtlicher Aspekt, der als Änderungsinhalt bei einem gebündelten Verfahren für alle Landschaftspläne parallel eingeführt werden könnte, betrifft das Bauen von Biomasseanlagen in Landschaftsschutzgebieten. Auch diesbezüglich sind – wie der Tabelle im Anhang entnommen werden kann – unterschiedliche Regelungsinhalte in den verschiedenen Landschaftsplangebieten bzw. in den Landschaftsschutzgebieten außerhalb der Landschaftspläne anzutreffen. Auch hier sollte eine einheitliche Regelung gefunden werden. Derzeit enthalten allein die Landschaftspläne LP2 Merfelder Bruch-Borkenberge und LP3 Olfen-Seppenrade eine Regelung, nach der alle Biogasanlagen generell vom LSG-Bauverbot als „nicht betroffene Tätigkeiten“ von Bauverbot befreit sind. Heute werden jedoch derartige Anlagen in Größenordnungen errichtet, die vor Jahren nicht bekannt waren und die heute in Landschaftsschutzgebieten nur nach einer Einzelfallprüfung baurechtlich möglich sein sollten.
Bewirtschaftungsauflagen in Naturschutzgebieten
Nach den nordrhein-westfälischen Richtlinien für den Vertragsnaturschutz, die auf den Fördermodalitäten der Europäischen Union basieren und insofern EU-kofinanziert sind, können Förderverträge nur zu Vertragsinhalten geschlossen werden, die als zusätzliche und freiwillige Maßnahmen förderfähig sind. Vertragsinhalte, die bereits als Ge- oder Verbotsauflagen in Naturschutzgebieten zwingend vorgegeben werden, sind dagegen nicht förderfähig.
Solche „beihilfeschädlichen“ Festsetzungen waren regelmäßig in älteren Naturschutzgebiets-Verordnungen enthalten und wurden aus Kontinuitätsgründen vielfach in die Landschaftspläne übernommen. Dies sind zum Beispiel sämtliche den Mahdturnus regelnden Ge- und Verbote, Verbote von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, Einschränkung der Weidenutzung sowie in nahezu allen Grünland-Schutzgebieten das Verbot des Pflegeumbruchs.
Um die Förderfähigkeit von Vertragsnaturschutzpaketen zu erhalten, bestehende Verträge fortzuführen und neue abschließen zu können, ist eine europarechtskonforme Anpassung der Bewirtschaftungsauflagen erforderlich.
beabsichtigter Verfahrensablauf
Da die beschriebenen Aktualisierungen für die betroffenen Landschaftsräume eine mehr als nur unerhebliche Planänderung erfordert, ist hier von einem förmlichen Änderungsverfahren auszugehen. Aus Gründen der Arbeitsvereinfachung sollten alle Landschaftspläne in einem gemeinsamen Verfahren (im Sinne einer „Artikelsatzung“) durch eine einheitliche textliche Ergänzung geändert werden.
Zurzeit wird diese Verfahrensweise mit der Bezirksregierung Münster abgestimmt, die vergleichbare Änderungsverfahren für ihre Naturschutzgebietsverordnungen zur Anpassung der Bewirtschaftungsauflagen (siehe oben) durchzuführen hat.
III. Alternativen
Zu 1) Sollten die Änderungen nicht zum Tragen
kommen, sind – wie dargestellt – Windkraftanlagen und Biomasseanlagen in
Landschaftsschutzgebieten in der Regel nicht zulässig.
Zu 2) Der Vertragsnaturschutz wird wegen fehlender Vertragsgrundlagen entsprechend zurückgefahren.
Die derzeitigen Verträge sind
zu kündigen und neue Vertragsabschlüsse sind auf der derzeitigen
Fördergrundlage nicht möglich. Die Kündigung/ Nichtverlängerung bestehender
Verträge würde das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien schwer
beeinträchtigen, da zum einen die Verträge in der derzeitigen Konstellation
schon seit etlichen Jahren bestehen und man zum anderen mit den derzeitigen
Vertragsinhalten – u.a. mit Zustimmung des Landes – die Verträge eingeworben
hat.
IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
Die beabsichtigte Umstellung der Landschaftspläne erfolgt mit vorhandenem Personal. Der Aufwand wird bei der Umsetzung im Wege einer Artikelsatzung als überschaubar angesehen.
V. Zuständigkeit für die Entscheidung
Zuständig ist gemäß § 26 Abs. 1 Nr. f der Kreistag.
Anlagen: