Betreff
Anlage eines Wolfschutzzauns in den Naturschutzgebieten Wildpferdebahn im Merfelder Bruch und Heubachwiesen sowie dem Landschaftsschutzgebiet Merfelder Bruch - Heubachniederung
Vorlage
SV-10-0436
Aktenzeichen
70.2
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Beirat stimmt der Erteilung einer Befreiung von dem in den Naturschutzgebieten Wildpferdebahn im Merfelder Bruch und Heubachwiesen sowie im Landschaftsschutzgebiet Merfelder Bruch - Heubachniederung geltenden Bauverbot für die Erstellung eines Wolfschutzzauns zum Schutz der Wildpferdeherde zu.

 

Begründung:

Der in Europa seit fast 2 Jahrhunderten ausgestorbene Wolf ist seit einiger Zeit dabei, seinen alten Lebensraum auch in Deutschland zurückzuerobern. Derzeit gibt es vier ausgewiesene Wolfsgebiete in NRW: „Schermbeck“, „Senne“, „Eifel – Hohes Venn“ sowie „Oberbergisches Land“. Diese Ausweisung erfolgt dann, wenn es zu einer festen Ansiedlung von Wölfen kommt, das heißt, wenn ein Wolf über die Dauer von bis zu einem halben Jahr mehrfach in einem Gebiet anhand genetischer Untersuchungen nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus gibt es auch einzelne Hinweise auf durchziehende Wölfe.

 

Im internationalen Recht sind Wölfe sowohl durch das Washingtoner Artenschutzabkommen als auch die Berner Konvention geschützt. Im europäischen Recht wird der Wolf im Anhang IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) als streng geschützte Art gelistet. Auf Bundesebene ist er über das Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 BNatSchG) ebenfalls streng geschützt. Er hat somit den höchstmöglichen Schutzstatus.

 

Vor einiger Zeit konnte in der Wildpferdebahn ein Damwildriss festgestellt und einem Wolf zugeordnet werden. Eine entsprechende Bestätigung erfolgte durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV).

 

Aus diesem Grund beantragt der Eigentümer der Dülmener Wildpferdeherde im März 2021 den Bau eines Wolfschutzzauns und schildert sein Anliegen folgendermaßen:

„Die dargestellte Situation bezüglich des Wolfes und seiner weiteren Annährung an die Wildpferdebahn gibt dem Eigentümer Anlass, die Wildpferdeherde durch eine entsprechende Zaunanlage zu schützen. Die vom LANUV bestätigten Damwildrisse durch einen Wolf in der Wildpferdebahn zeigen die Notwendigkeit, die unter Naturschutz stehende Wildpferdeherde vor dem Wolf zu schützen. Pferde sind von Natur aus Fluchttiere und bei einer entsprechenden Gefahr durchbrechen diese auch für Pferde gedachte Zäune. Die Problematik der Verkehrssicherungspflicht bei einer gegenwärtigen rund 400 Pferde starken Herde lässt sich dadurch ableiten. Nicht nur die Nähe zur L 600, sondern auch die aktuelle Umsetzung der B 67n und der damit verbundene Lückenschluss zwischen der A 31 und A 43 verdeutlichen nochmals die Problematik. Damit der Eigentümer das Naturschutzziel und die Verkehrssicherungspflicht aus seiner Sicht weiterhin gewährleisten kann, besteht die dringende Beabsichtigung die Wildpferdebahn an der Außengrenze wolfssicher einzuzäunen. Der hiermit verbundene Bauantrag zur Errichtung eines Wolfschutzzaunes auf ca. 9 km Länge beinhaltet auch den damit verbundenen Rückbau des Bestandszaunes um die Wildpferdebahn.“

 

Der aktuell vorliegende Bauantrag weist den Zaun auf einer Länge von 9,90 km aus, da im Norden Flächenanteile hinzugezogen wurden. Das geplante Vorhaben befindet sich zum Teil in den Naturschutzgebieten 2.1.01 „Wildpferdebahn im Merfelder Bruch“ und 2.1.07 „Heubachwiesen“ sowie im Landschaftsschutzgebiet 2.2.01 „Merfelder Bruch - Heubachniederung“ des Landschaftsplans Merfelder Bruch-Borkenberge. Beide Naturschutzgebiete sind Bestandteil des Vogelschutzgebietes DE-4108-401 „Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge“.

 

Für das geplante Vorhaben ist eine Befreiung gemäß § 67 Bundesnaturschutzgesetz von dem innerhalb der Naturschutzgebiete und des Landschaftsschutzgebietes geltenden Bauverbot erforderlich.

 

Im Zuge der Beteiligung der Naturschutzverbände ging am 11.08.2021 eine gemeinschaftliche Stellungnahme bei der unteren Naturschutzbehörde ein. Es wird darauf hingewiesen, dass die Wildpferdebahn offiziell nicht als Wolfsgebiet eingestuft ist. Aus diesem Grund sollte die notwendige Zeit genommen werden, eine fachlich fundierte Lösung zu finden. Es wird auf die bauliche Ausführung des Zaunes Bezug genommen und der optimale wolfsabweisende Schutz in Frage gestellt ebenso wie seine pferdegerechte Gestaltung. Als bedenklich wird der Verlust des Genaustausches der Wildtierarten innerhalb und außerhalb des umzäunten Bereiches angesehen. Alternativen, wie z.B. ein in ein undurchdringliches Gebüsch integrierter massiver Wildschutzzaun längs der B 67n sind zu prüfen. Es wird empfohlen, Kontakt zur Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer aufzunehmen und die Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadensverhütung beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) einzubinden.

 

Von Seiten des Fachtierarztes für Tierschutz der Abteilung 39 - Veterinärdienst und Lebensmittelüberwachung bestehen keine Bedenken hinsichtlich des geplanten Wolfschutzzaunes. Auch aus jagdrechtlicher Sicht werden keine Bedenken erhoben. Im Verlauf des Jahres 2021 wurde das Thema Wolfschutzzaun in den Naturschutzgebieten Wildpferdebahn im Merfelder Bruch und Heubachwiesen mehrmalig mit dem LANUV erörtert und das Fachwissen des Landesamtes herangezogen.

 

Die Befreiung soll aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses erteilt werden.

Bei den Dülmener Wildpferden handelt es sich um eine der ältesten Pferderassen Deutschlands, wenn nicht sogar um die älteste. Bereits in einer Urkunde aus dem Jahren 1316 finden die Wildpferde Erwähnung. Seit über 150 Jahren befindet sich die Herde im Besitz der Familie Herzog von Croy. Sorge bereitet die Vorstellung, dass eine durch den Wolf ausgelöste Fluchtbewegung innerhalb der Pferdeherde die gesamte Herde erfasst und unkontrollierbar macht. In Verbindung mit der angrenzenden L 600 und der im Bau befindlichen B 67n lässt sich ein Schreckensszenario heraufbeschwören, von dem niemand möchte, dass es real wird. Natürlich kann das Argument herangezogen werden, dass an zahlreichen Standorten im Land größere Tierherden weiden. Sicherlich findet sich auch hier die eine oder andere Straße, so dass eine Gefährdung ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Allerdings muss im vorliegenden Fall die Besonderheit der Größe der Herde mit bis zu 400 Tieren, die zukünftige Bundesstraße und die Tatsache, dass es sich im Merfelder Bruch um eine Ganzjahresbeweidung handelt, ins Kalkül gezogen werden. Während die meisten Weidetiere den Winter im Stall verbringen, grasen die Dülmener Wildpferde ganzjährig im Merfelder Bruch. Aus diesem Grund muss das Bauvorhaben als eine Vorsorgemaßnahme zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz der Wildpferde als Kulturgut verstanden werden.

 

Das Büro Landschaftsökologie und Umweltplanung aus Hamm hat eine Vorprüfung der FFH-Verträglichkeit, eine Artenschutzprüfung nach § 44 BNatSchG sowie einen vereinfachten Landschaftspflegerischen Begleitplan zum geplanten Vorhaben erstellt. Es ergeben sich keine Hinweise, dass das Vorhaben, das mit einer Bauzeit von 3 Monaten veranschlagt wird, erhebliche Auswirkungen auf die Schutzziele des FFH-Gebietes oder auf europäische Vogelarten und/oder planungsrelevante Tierarten hat, wenn Vermeidungsmaßnahmen getroffen werden. Der Gutachter gibt daher Bauzeitenregelungen vor, die als Auflage in die Befreiung aufgenommen werden. Des Weiteren ergibt sich auf Grund des Charakters der geplanten Maßnahme betriebs- und anlagebedingt keine Betroffenheit von Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Arten, da diese nicht in Anspruch genommen oder zerstört werden.

 

Die Befreiung soll daher mit folgenden Auflagen erteilt werden:

 

·         Um möglichen artenschutzrechtlichen Konflikten entgegenzuwirken, wird ein Bauzeitenfenster vom 01.08. bis 28.02. festgesetzt. Somit wird die Baumaßnahme außerhalb der Brutzeiten durchgeführt, sodass Auswirkungen auf mögliche Brutvorkommen von Arten im Umfeld grundsätzlich ausgeschlossen werden können.

·         Eventuell notwendige Rodungen und Gehölzrückschnitte sind entsprechend der gesetzlichen Vorgaben des § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG im Zeitraum vom 01.10. bis 28.02. durchzuführen.

·         Die Flächeninanspruchnahme für den Baubetrieb ist auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren. Die Bautätigkeit ist möglichst umwelt- und naturschonend durchzuführen.

Anlagen:

 

Baubeschreibung und Kartenausschnitte