Beschlussvorschlag:
Der Beirat stimmt
der Erteilung einer Befreiung von dem in den Naturschutzgebieten Wildpferdebahn im Merfelder Bruch und Heubachwiesen
sowie im Landschaftsschutzgebiet Merfelder Bruch - Heubachniederung geltenden
Bauverbot für die Erstellung eines
Wolfschutzzauns zum Schutz der Wildpferdeherde zu.
Begründung:
Der in Europa seit fast 2 Jahrhunderten ausgestorbene Wolf ist seit
einiger Zeit dabei, seinen alten Lebensraum auch in Deutschland
zurückzuerobern. Derzeit gibt es vier ausgewiesene Wolfsgebiete in NRW:
„Schermbeck“, „Senne“, „Eifel – Hohes Venn“ sowie „Oberbergisches Land“. Diese
Ausweisung erfolgt dann, wenn es zu einer festen Ansiedlung von Wölfen kommt,
das heißt, wenn ein Wolf über die Dauer von bis zu einem halben Jahr mehrfach
in einem Gebiet anhand genetischer Untersuchungen nachgewiesen werden kann.
Darüber hinaus gibt es auch einzelne Hinweise auf durchziehende Wölfe.
Im internationalen Recht sind Wölfe sowohl durch das Washingtoner
Artenschutzabkommen als auch die Berner Konvention geschützt. Im europäischen
Recht wird der Wolf im Anhang IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) als
streng geschützte Art gelistet. Auf Bundesebene ist er über das
Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 BNatSchG) ebenfalls streng geschützt. Er hat
somit den höchstmöglichen Schutzstatus.
Vor einiger Zeit konnte in der Wildpferdebahn ein Damwildriss
festgestellt und einem Wolf zugeordnet werden. Eine entsprechende Bestätigung
erfolgte durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV).
Aus diesem Grund beantragt der Eigentümer der Dülmener Wildpferdeherde
im März 2021 den Bau eines Wolfschutzzauns und schildert sein Anliegen
folgendermaßen:
„Die dargestellte Situation bezüglich des Wolfes und seiner weiteren
Annährung an die Wildpferdebahn gibt dem Eigentümer Anlass, die Wildpferdeherde
durch eine entsprechende Zaunanlage zu schützen. Die vom LANUV bestätigten
Damwildrisse durch einen Wolf in der Wildpferdebahn zeigen die Notwendigkeit,
die unter Naturschutz stehende Wildpferdeherde vor dem Wolf zu schützen. Pferde
sind von Natur aus Fluchttiere und bei einer entsprechenden Gefahr durchbrechen
diese auch für Pferde gedachte Zäune. Die Problematik der
Verkehrssicherungspflicht bei einer gegenwärtigen rund 400 Pferde starken Herde
lässt sich dadurch ableiten. Nicht nur die Nähe zur L 600, sondern auch die
aktuelle Umsetzung der B 67n und der damit verbundene Lückenschluss zwischen
der A 31 und A 43 verdeutlichen nochmals die Problematik. Damit der Eigentümer
das Naturschutzziel und die Verkehrssicherungspflicht aus seiner Sicht
weiterhin gewährleisten kann, besteht die dringende Beabsichtigung die
Wildpferdebahn an der Außengrenze wolfssicher einzuzäunen. Der hiermit
verbundene Bauantrag zur Errichtung eines Wolfschutzzaunes auf ca. 9 km Länge
beinhaltet auch den damit verbundenen Rückbau des Bestandszaunes um die
Wildpferdebahn.“
Der aktuell vorliegende Bauantrag weist den Zaun auf einer Länge von
9,90 km aus, da im Norden Flächenanteile hinzugezogen wurden. Das geplante
Vorhaben befindet sich zum Teil in den Naturschutzgebieten 2.1.01 „Wildpferdebahn
im Merfelder Bruch“ und 2.1.07 „Heubachwiesen“ sowie im Landschaftsschutzgebiet
2.2.01 „Merfelder Bruch - Heubachniederung“ des Landschaftsplans Merfelder
Bruch-Borkenberge. Beide Naturschutzgebiete sind Bestandteil des
Vogelschutzgebietes DE-4108-401 „Heubachniederung, Lavesumer Bruch und
Borkenberge“.
Für das geplante Vorhaben ist eine Befreiung gemäß § 67
Bundesnaturschutzgesetz von dem innerhalb der Naturschutzgebiete und des
Landschaftsschutzgebietes geltenden Bauverbot erforderlich.
Im Zuge der Beteiligung der Naturschutzverbände ging am 11.08.2021 eine
gemeinschaftliche Stellungnahme bei der unteren Naturschutzbehörde ein. Es wird
darauf hingewiesen, dass die Wildpferdebahn offiziell nicht als Wolfsgebiet
eingestuft ist. Aus diesem Grund sollte die notwendige Zeit genommen werden,
eine fachlich fundierte Lösung zu finden. Es wird auf die bauliche Ausführung
des Zaunes Bezug genommen und der optimale wolfsabweisende Schutz in Frage
gestellt ebenso wie seine pferdegerechte Gestaltung. Als bedenklich wird der
Verlust des Genaustausches der Wildtierarten innerhalb und außerhalb des
umzäunten Bereiches angesehen. Alternativen, wie z.B. ein in ein
undurchdringliches Gebüsch integrierter massiver Wildschutzzaun längs der B 67n
sind zu prüfen. Es wird empfohlen, Kontakt zur Herdenschutzberatung der
Landwirtschaftskammer aufzunehmen und die Forschungsstelle für Jagdkunde und
Wildschadensverhütung beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz
NRW (LANUV) einzubinden.
Von Seiten des Fachtierarztes für Tierschutz der Abteilung
39 - Veterinärdienst und Lebensmittelüberwachung bestehen keine Bedenken
hinsichtlich des geplanten Wolfschutzzaunes. Auch aus jagdrechtlicher Sicht
werden keine Bedenken erhoben. Im Verlauf des Jahres 2021 wurde das Thema Wolfschutzzaun
in den Naturschutzgebieten Wildpferdebahn im Merfelder Bruch und Heubachwiesen
mehrmalig mit dem LANUV erörtert und das Fachwissen des Landesamtes
herangezogen.
Die
Befreiung soll aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses erteilt werden.
Bei
den Dülmener Wildpferden handelt es sich um eine der ältesten Pferderassen
Deutschlands, wenn nicht sogar um die älteste. Bereits in einer Urkunde aus dem
Jahren 1316 finden die Wildpferde Erwähnung. Seit über 150 Jahren befindet sich
die Herde im Besitz der Familie Herzog von Croy. Sorge bereitet die
Vorstellung, dass eine durch den Wolf ausgelöste Fluchtbewegung innerhalb der
Pferdeherde die gesamte Herde erfasst und unkontrollierbar macht. In Verbindung
mit der angrenzenden L 600 und der im Bau befindlichen B 67n lässt sich ein
Schreckensszenario heraufbeschwören, von dem niemand möchte, dass es real wird.
Natürlich kann das Argument herangezogen werden, dass an zahlreichen Standorten
im Land größere Tierherden weiden. Sicherlich findet sich auch hier die eine
oder andere Straße, so dass eine Gefährdung ebenfalls nicht ausgeschlossen
werden kann. Allerdings muss im vorliegenden Fall die Besonderheit der Größe
der Herde mit bis zu 400 Tieren, die zukünftige Bundesstraße und die Tatsache,
dass es sich im Merfelder Bruch um eine Ganzjahresbeweidung handelt, ins Kalkül
gezogen werden. Während die meisten Weidetiere den Winter im Stall verbringen,
grasen die Dülmener Wildpferde ganzjährig im Merfelder Bruch. Aus diesem Grund
muss das Bauvorhaben als eine Vorsorgemaßnahme zum Schutz der Bevölkerung und
zum Schutz der Wildpferde als Kulturgut verstanden werden.
Das
Büro Landschaftsökologie und Umweltplanung aus Hamm hat eine Vorprüfung der
FFH-Verträglichkeit, eine Artenschutzprüfung nach § 44 BNatSchG sowie einen
vereinfachten Landschaftspflegerischen Begleitplan zum geplanten Vorhaben
erstellt. Es ergeben sich
keine Hinweise, dass das Vorhaben, das mit einer Bauzeit von 3 Monaten veranschlagt wird, erhebliche Auswirkungen auf die Schutzziele
des FFH-Gebietes oder auf europäische Vogelarten und/oder planungsrelevante
Tierarten hat, wenn Vermeidungsmaßnahmen getroffen werden. Der Gutachter gibt
daher Bauzeitenregelungen vor, die als Auflage in die Befreiung aufgenommen
werden. Des Weiteren ergibt sich auf Grund des Charakters der
geplanten Maßnahme betriebs- und anlagebedingt keine Betroffenheit von
Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Arten, da diese nicht in Anspruch genommen
oder zerstört werden.
Die Befreiung soll daher mit folgenden
Auflagen erteilt werden:
·
Um möglichen artenschutzrechtlichen Konflikten entgegenzuwirken, wird
ein Bauzeitenfenster vom 01.08. bis 28.02. festgesetzt. Somit wird die
Baumaßnahme außerhalb der Brutzeiten durchgeführt, sodass Auswirkungen auf
mögliche Brutvorkommen von Arten im Umfeld grundsätzlich ausgeschlossen werden
können.
·
Eventuell notwendige Rodungen und Gehölzrückschnitte sind entsprechend
der gesetzlichen Vorgaben des § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG im Zeitraum vom 01.10.
bis 28.02. durchzuführen.
·
Die Flächeninanspruchnahme
für den Baubetrieb ist auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren. Die
Bautätigkeit ist möglichst umwelt- und naturschonend durchzuführen.
Anlagen:
Baubeschreibung und Kartenausschnitte