Betreff
Fortschreibung des Nahverkehrsplans; Innovationsklausel für on demand-Angebote als fester Bestandteil der ÖPNV-Flächenerschließung im Kreis Coesfeld sowie allgemeine Öffnungsklausel
Vorlage
SV-10-0639
Aktenzeichen
01.81-3. NVP-Fortschreibung2022
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Die in dieser Sitzungsvorlage dargestellte „Innovationsklausel für on demand-Angebote als fester Bestandteil der ÖPNV-Flächenerschließung im Kreis Coesfeld sowie allgemeine Öffnungsklausel“ wird beschlossen.

I. Sachdarstellung

 

Seit der Beschlussfassung über den 3. Nahverkehrsplan hat das Thema „Mobilität“ erheblich an Bedeutung gewonnen. Hierzu beigetragen hat zum einen die Corona-Pandemie, die einen deutlichen Einfluss auf Nutzerzahlen im ÖPNV insgesamt und damit auch im straßengebundenen ÖPNV hatte, zum anderen die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung des öffentlichen Lebens sowie der Arbeitswelt. War es in weiten Teilen bislang üblich, werktags die Arbeit aus dem Büro heraus zu gestalten, haben sich (wesentliche) Teile der Arbeit auf das Home-Office oder mobile Arbeitsformen verlagert. Die Zahl der Fahrten zur Arbeit hat sich deutlich verringert und hat damit auch Einfluss auf die Auslastungsgrade des ÖPNV. Des Weiteren ist die Stärkung des ÖPNV auch aus klimapolitischen Gründen noch mehr in den Fokus gerückt: durch ein zuverlässiges, gut ausgebautes ÖPNV-Netz sollen und können Nutzerinnen und Nutzer ihr eigenes Mobilitätsverhalten zugunsten des Umweltverbunds verändern. Neben alternativen Antrieben, bei denen sich der Kreis Coesfeld in seinem Zuständigkeitsbereich für den batterie-elektrischen Antrieb entschieden hat (SV-10-0408), sind auch tarifliche Anreize gesetzt worden, die einen Umstieg auf den ÖPNV erleichtern und finanziell attraktiver gestalten sollen.

 

Um die dynamische Entwicklung zu begleiten, hierauf zu reagieren und auch im Vorgriff neue Aspekte in die Mobilitätsplanung im Kreis Coesfeld einbringen zu können, sollen durch diese Ergänzung des 3. NVP entsprechende Mobilitätsausweitungen ermöglicht werden (Innovationsklausel).

 

Den in der Beschlussfassung zum 3. NVP genannten Aspekten hat sich der Kreis Coesfeld durch das Verbundprojekt „Bürgerlabor Mobiles Münsterland“ (BüLaMo) auf der Achse Olfen – Lüdinghausen – Senden – Münster mit verschiedenen Bausteinen gewidmet. Neben einer ExpressBus-Linie (X90) erprobt der Kreis vornehmlich in der Gemeinde Senden die Etablierung eines on-demand-Verkehrs (kommit-Shuttle), bietet für Abo-Kunden die Zusatzbuchungsoption eines e-Scooters, arbeitet an einer Mobilstation als attraktivem Verknüpfungspunkt und entwickelt eine App, die Wegeketten mit verschiedenen Mobilitätsangeboten beauskunften kann und zugleich Buchung und Bezahlung in einer App ermöglicht („Mobility as a Service“). Daneben erfolgt durch eine attraktive Tarifierung ein weiterer Anreiz. Im Mittelpunkt all dieser Entwicklungsschritte stehen die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger (nutzerorientierter Ansatz). Gleichzeitig verfolgt das Projekt das Ziel, die Erkenntnisse in die übrigen Räume des Kreises – und perspektivisch auch in andere Regionen – zu transferieren.

 

Ein wesentlicher Baustein kann hierbei für die Stärkung des gemeindlichen Verkehrs auch der on-demand-Verkehr sein, der nunmehr als Linienverkehr rechtlich anerkannt ist, sodass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen seit der Beschlussfassung des 3. Nahverkehrsplans in diesem Segment deutlich verändert haben. Dem Grunde nach angelegt sind on-demand-Angebote gleichwohl auch schon im aktuellen Nahverkehrsplan (s. Projektsteckbrief S. 48, Teilbaustein B des 3. NVP).

 

Mit Gesetz vom 16.04.2021 (BGBl. I, 822 ff.) wurde eine neue Vorschrift zu sog. Linienbedarfsverkehren eingeführt. Nach dieser Vorschrift gilt als Linienverkehr gemäß § 42, der öffentlicher Personennahverkehr gemäß § 8 Absatz 1 ist, auch der Verkehr, der der Beförderung von Fahrgästen auf vorherige Bestellung ohne festen Linienweg zwischen bestimmten Einstiegs- und Ausstiegspunkten innerhalb eines festgelegten Gebietes und festgelegter Bedienzeiten dient (Linienbedarfsverkehr). Es kommen ausschließlich Beförderungsentgelte und -bedingungen im Rahmen der Vorgaben des Aufgabenträgers im Nahverkehrsplan, im öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder der Vorabbekanntmachung zur Anwendung. Für Beförderungen im Linienbedarfsverkehr können Zuschläge nur nach Maßgabe von Satz 2 erhoben werden.

Wie bereits im 3. NVP beschrieben (Teilbaustein B, S. 1), kann die Umsetzung auf unterschiedliche Weise erfolgen. Daher sind, was bekräftigt wird (s. auch Teilbaustein B, S. 2), bei der Entscheidung über die Erschließung der Fläche auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen.

 

Um Flächenerschließung und Wirtschaftlichkeit möglichst in Einklang zu bringen, kann es daher auch ein Modell sein, dass die bestehenden BürgerBus-Vereine, sollte dies von denen mitgetragen werden, ihr Angebot auf einen on-demand-Service umstellen – soweit nicht ohnehin bereits on-demand gefahren wird – oder eine kombinierte Leistung aus Linienverkehr und on-demand-Service anbieten. Diese Möglichkeit soll den Vereinen durch diese Aktualisierung ausdrücklich ermöglicht werden und wird vom Aufgabenträger auch befürwortet. Insbesondere ist es erstrebenswert, dass diese Weiterentwicklung durch technische Möglichkeiten (App-Lösung) gefördert wird. Darüber hinaus sollen bedarfsorientierte BürgerBus-Angebote (die es punktuell auch heute schon im Kreis Coesfeld gibt) stärker als bisher in digitale Auskunftssysteme integriert werden, um die Bekanntheit und damit Nutzungsintensität der Angebote noch weiter zu verbessern. Erkenntnisse aus dem vorgenannten Verbundprojekt BüLaMo sollen hierzu genutzt werden. Die Letztentscheidung liegt bei den BürgerBus-Vereinen. Neben einer Flächenerschließung durch on-demand-Dienste, auch des Segments der BürgerBus-Vereine, soll es auch ermöglicht werden, örtliche Taxi- und/oder Mietwagenunternehmen mit in die Ausweitung einzubinden. Erfahrungen anderer Experimentierräume, z.B. im Kreis Wesel, sollen genutzt werden. Beide Aspekte sind dem Grunde nach auch bereits im aktuellen 3. NVP angelegt, s. Ausführungen auf S. 4 Teil B 3. NVP sowie Projektbeispiel „Bedarfsgesteuerter BürgerBus“ auf S. 44 Teil B 3. NVP).

 

Ganz wesentlich ist es für den Kreis Coesfeld als Aufgabenträger, dass im Falle eines kommerziellen Angebots für die Flächenerschließung das große ehrenamtliche Engagement bei den BürgerBus-Vereinen durch möglichst konsensuale Lösungen aufrechterhalten wird (z.B. durch Schaffung/Einräumung räumlicher und/oder zeitlicher Schutzkorridore etc.). Auch bei der Preisgestaltung soll, wie bisher, den BürgerBus-Vereinen eine Entscheidung zustehen, ob und wenn ja in welcher Höhe ein Kostenbeitrag der Fahrgäste erhoben wird, wenngleich hier eine möglichst einheitliche Preisgestaltung angestrebt wird. Diese als Haustarif bezeichnete Abweichung von der üblichen Tarifgestaltung durch die Bürgerbusvereine bedarf dabei in jedem Fall eines Antrags auf Genehmigung bei der zuständigen Behörde, in diesem Fall der Bezirksregierung Münster.

 

Neben einer stärkeren Einbindung der BürgerBusse in den bedarfsgesteuerten Verkehr kann auch eine Integration von bestehenden Taxi- und/oder Mietwagenunternehmen in einen on-demand-Verkehrsangebot ermöglicht werden. Sie können so das bestehende ÖPNV-Angebot ergänzen bzw. verdichten. Dieses Projekt wird – Stand heute – bereits im Kreis Wesel vorbereitet und soll Ende 2022 in den Echtbetrieb gehen. Auch im Kreis Coesfeld kann dies, von Kommune zu Kommune abhängig, ein weiterer Baustein zur Flächenerschließung sein.

 

Neben den o.g. Möglichkeiten für eine bessere Erschließung der Fläche können weitere Anreize geschaffen werden, um den Umstieg in den ÖPNV attraktiver zu gestalten.

 

Dies können sein:

 

-        flächendeckendes Zusatzangebot der e-Scooter-Miete für Abo-Kunden,

-        Bike-Sharing-Angebote,

-        Einbindung von Car-Sharing-Lösungen an wichtigen Verknüpfungspunkten oder an der Schnittstelle Quartier/Haltestelle,

-        tarifliche Maßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Coesfeld.

 

II. Entscheidungsalternativen

Dem Beschlussvorschlag wird nicht gefolgt.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

 

Mit diesen Ergänzungen des 3. NVP sollen keine Veränderungen bei der Finanzierung des ÖPNV im Kreis Coesfeld eintreten.

Bei der Tarifgestaltung von on-demand- Verkehrsangeboten sowohl durch die Bürgerbusvereine als auch durch sonstige Anbieter, sei es eigenwirtschaftlich oder gemeinwirtschaftlich, soll in der Regel der Verbundtarif, ggfls. mit geringen Zuschlägen, angewendet werden, um auf diese Weise den Fortbestand und die Fortentwicklung dieses besonderen Angebots absichern zu können.

 

So bleiben die Städte und Gemeinden finanzverantwortlich für die Ortsverkehre, zu denen auch die on-demand-Leistungen gehören. Auch die Finanzierung der Mobilstationen als um mindestens ein Mobilitätsangebot erweiterte Haltestelle bleibt grundsätzlich in der Verantwortung der Städte und Gemeinden.

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Kreistag gem. § 26 KrO NRW.