Beschlussvorschlag:
Die in dieser Sitzungsvorlage dargestellte „Innovationsklausel für on demand-Angebote als fester Bestandteil der ÖPNV-Flächenerschließung im Kreis Coesfeld sowie allgemeine Öffnungsklausel“ wird beschlossen.
I. Sachdarstellung
Seit der Beschlussfassung über den 3.
Nahverkehrsplan hat das Thema „Mobilität“ erheblich an Bedeutung gewonnen.
Hierzu beigetragen hat zum einen die Corona-Pandemie, die einen deutlichen
Einfluss auf Nutzerzahlen im ÖPNV insgesamt und damit auch im straßengebundenen
ÖPNV hatte, zum anderen die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung
des öffentlichen Lebens sowie der Arbeitswelt. War es in weiten Teilen bislang
üblich, werktags die Arbeit aus dem Büro heraus zu gestalten, haben sich
(wesentliche) Teile der Arbeit auf das Home-Office oder mobile Arbeitsformen
verlagert. Die Zahl der Fahrten zur Arbeit hat sich deutlich verringert und hat
damit auch Einfluss auf die Auslastungsgrade des ÖPNV. Des Weiteren ist die
Stärkung des ÖPNV auch aus klimapolitischen Gründen noch mehr in den Fokus
gerückt: durch ein zuverlässiges, gut ausgebautes ÖPNV-Netz sollen und können
Nutzerinnen und Nutzer ihr eigenes Mobilitätsverhalten zugunsten des
Umweltverbunds verändern. Neben alternativen Antrieben, bei denen sich der
Kreis Coesfeld in seinem Zuständigkeitsbereich für den batterie-elektrischen
Antrieb entschieden hat (SV-10-0408), sind auch
tarifliche Anreize gesetzt worden, die einen Umstieg auf den ÖPNV erleichtern
und finanziell attraktiver gestalten sollen.
Um die dynamische Entwicklung zu
begleiten, hierauf zu reagieren und auch im Vorgriff neue Aspekte in die
Mobilitätsplanung im Kreis Coesfeld einbringen zu können, sollen durch diese
Ergänzung des 3. NVP entsprechende Mobilitätsausweitungen ermöglicht werden
(Innovationsklausel).
Den in der Beschlussfassung zum 3. NVP
genannten Aspekten hat sich der Kreis Coesfeld durch das Verbundprojekt
„Bürgerlabor Mobiles Münsterland“ (BüLaMo) auf der Achse Olfen – Lüdinghausen –
Senden – Münster mit verschiedenen Bausteinen gewidmet. Neben einer
ExpressBus-Linie (X90) erprobt der Kreis vornehmlich in der Gemeinde Senden die
Etablierung eines on-demand-Verkehrs (kommit-Shuttle), bietet für Abo-Kunden
die Zusatzbuchungsoption eines e-Scooters, arbeitet an einer Mobilstation als
attraktivem Verknüpfungspunkt und entwickelt eine App, die Wegeketten mit
verschiedenen Mobilitätsangeboten beauskunften kann und zugleich Buchung und
Bezahlung in einer App ermöglicht („Mobility as a Service“). Daneben erfolgt
durch eine attraktive Tarifierung ein weiterer Anreiz. Im Mittelpunkt all
dieser Entwicklungsschritte stehen die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger
(nutzerorientierter Ansatz). Gleichzeitig verfolgt das Projekt das Ziel, die
Erkenntnisse in die übrigen Räume des Kreises – und perspektivisch auch in
andere Regionen – zu transferieren.
Ein wesentlicher Baustein kann hierbei
für die Stärkung des gemeindlichen Verkehrs auch der on-demand-Verkehr sein,
der nunmehr als Linienverkehr rechtlich anerkannt ist, sodass sich die
rechtlichen Rahmenbedingungen seit der Beschlussfassung des 3. Nahverkehrsplans
in diesem Segment deutlich verändert haben. Dem Grunde nach angelegt sind
on-demand-Angebote gleichwohl auch schon im aktuellen Nahverkehrsplan (s.
Projektsteckbrief S. 48, Teilbaustein B des 3. NVP).
Mit Gesetz vom 16.04.2021 (BGBl. I,
822 ff.) wurde eine neue Vorschrift zu sog. Linienbedarfsverkehren eingeführt.
Nach dieser Vorschrift gilt als Linienverkehr gemäß § 42, der öffentlicher
Personennahverkehr gemäß § 8 Absatz 1 ist, auch der Verkehr, der der
Beförderung von Fahrgästen auf vorherige Bestellung ohne festen Linienweg
zwischen bestimmten Einstiegs- und Ausstiegspunkten innerhalb eines
festgelegten Gebietes und festgelegter Bedienzeiten dient
(Linienbedarfsverkehr). Es kommen ausschließlich Beförderungsentgelte und
-bedingungen im Rahmen der Vorgaben des Aufgabenträgers im Nahverkehrsplan, im
öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder der Vorabbekanntmachung zur Anwendung.
Für Beförderungen im Linienbedarfsverkehr können Zuschläge nur nach Maßgabe von
Satz 2 erhoben werden.
Wie bereits im 3. NVP beschrieben
(Teilbaustein B, S. 1), kann die Umsetzung auf unterschiedliche Weise erfolgen.
Daher sind, was bekräftigt wird (s. auch Teilbaustein B, S. 2), bei der
Entscheidung über die Erschließung der Fläche auch Aspekte der
Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen.
Um Flächenerschließung und
Wirtschaftlichkeit möglichst in Einklang zu bringen, kann es daher auch ein
Modell sein, dass die bestehenden BürgerBus-Vereine, sollte dies von denen
mitgetragen werden, ihr Angebot auf einen on-demand-Service umstellen – soweit
nicht ohnehin bereits on-demand gefahren wird – oder eine kombinierte Leistung
aus Linienverkehr und on-demand-Service anbieten. Diese Möglichkeit soll den
Vereinen durch diese Aktualisierung ausdrücklich ermöglicht werden und wird vom
Aufgabenträger auch befürwortet. Insbesondere ist es erstrebenswert, dass diese
Weiterentwicklung durch technische Möglichkeiten (App-Lösung) gefördert wird.
Darüber hinaus sollen bedarfsorientierte BürgerBus-Angebote (die es punktuell
auch heute schon im Kreis Coesfeld gibt) stärker als bisher in digitale
Auskunftssysteme integriert werden, um die Bekanntheit und damit
Nutzungsintensität der Angebote noch weiter zu verbessern. Erkenntnisse aus dem
vorgenannten Verbundprojekt BüLaMo sollen hierzu genutzt werden. Die
Letztentscheidung liegt bei den BürgerBus-Vereinen. Neben einer
Flächenerschließung durch on-demand-Dienste, auch des Segments der
BürgerBus-Vereine, soll es auch ermöglicht werden, örtliche Taxi- und/oder
Mietwagenunternehmen mit in die Ausweitung einzubinden. Erfahrungen anderer
Experimentierräume, z.B. im Kreis Wesel, sollen genutzt werden. Beide Aspekte
sind dem Grunde nach auch bereits im aktuellen 3. NVP angelegt, s. Ausführungen
auf S. 4 Teil B 3. NVP sowie Projektbeispiel „Bedarfsgesteuerter BürgerBus“ auf
S. 44 Teil B 3. NVP).
Ganz wesentlich ist es für den Kreis
Coesfeld als Aufgabenträger, dass im Falle eines kommerziellen Angebots für die
Flächenerschließung das große ehrenamtliche Engagement bei den
BürgerBus-Vereinen durch möglichst konsensuale Lösungen aufrechterhalten wird
(z.B. durch Schaffung/Einräumung räumlicher und/oder zeitlicher Schutzkorridore
etc.). Auch bei der Preisgestaltung soll, wie bisher, den BürgerBus-Vereinen
eine Entscheidung zustehen, ob und wenn ja in welcher Höhe ein Kostenbeitrag
der Fahrgäste erhoben wird, wenngleich hier eine möglichst einheitliche
Preisgestaltung angestrebt wird. Diese als Haustarif bezeichnete Abweichung von
der üblichen Tarifgestaltung durch die Bürgerbusvereine bedarf dabei in jedem Fall
eines Antrags auf Genehmigung bei der zuständigen Behörde, in diesem Fall der
Bezirksregierung Münster.
Neben einer stärkeren Einbindung der
BürgerBusse in den bedarfsgesteuerten Verkehr kann auch eine Integration von
bestehenden Taxi- und/oder Mietwagenunternehmen in einen
on-demand-Verkehrsangebot ermöglicht werden. Sie können so das bestehende
ÖPNV-Angebot ergänzen bzw. verdichten. Dieses Projekt wird – Stand heute –
bereits im Kreis Wesel vorbereitet und soll Ende 2022 in den Echtbetrieb gehen.
Auch im Kreis Coesfeld kann dies, von Kommune zu Kommune abhängig, ein weiterer
Baustein zur Flächenerschließung sein.
Neben den o.g. Möglichkeiten für eine
bessere Erschließung der Fläche können weitere Anreize geschaffen werden, um
den Umstieg in den ÖPNV attraktiver zu gestalten.
Dies können sein:
-
flächendeckendes Zusatzangebot der
e-Scooter-Miete für Abo-Kunden,
-
Bike-Sharing-Angebote,
-
Einbindung von Car-Sharing-Lösungen an
wichtigen Verknüpfungspunkten oder an der Schnittstelle Quartier/Haltestelle,
-
tarifliche Maßnahmen für die
Bürgerinnen und Bürger im Kreis Coesfeld.
II. Entscheidungsalternativen
Dem
Beschlussvorschlag wird nicht gefolgt.
III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen,
Personal, IT, Klima)
Mit diesen Ergänzungen des 3. NVP sollen keine
Veränderungen bei der Finanzierung des ÖPNV im Kreis Coesfeld eintreten.
Bei der Tarifgestaltung von on-demand-
Verkehrsangeboten sowohl durch die Bürgerbusvereine als auch durch sonstige
Anbieter, sei es eigenwirtschaftlich oder gemeinwirtschaftlich, soll in der
Regel der Verbundtarif, ggfls. mit geringen Zuschlägen, angewendet werden, um
auf diese Weise den Fortbestand und die Fortentwicklung dieses besonderen
Angebots absichern zu können.
So bleiben die Städte und Gemeinden
finanzverantwortlich für die Ortsverkehre, zu denen auch die
on-demand-Leistungen gehören. Auch die Finanzierung der Mobilstationen als um
mindestens ein Mobilitätsangebot erweiterte Haltestelle bleibt grundsätzlich in
der Verantwortung der Städte und Gemeinden.
IV. Zuständigkeit für die Entscheidung
Kreistag gem. § 26 KrO NRW.