Beschluss:
1. Die Einführung eines Deutschlandtickets zum 01.05.2023 wird für den Zeitraum einer vollständigen Refinanzierung durch Bund/Land zustimmend zu Kenntnis genommen.
2. Der Kreis wird sich in den Gremien der Tariforganisationen sowie des Landkreistags für eine „Nachschusspflicht“ von Bund/Land für den Zeitraum ab dem 01.01.2024 einsetzen.
3. Der Sachstand zur Weiterentwicklung des Schülertickets wird zur Kenntnis genommen.
4. Der Kreis Coesfeld bezuschusst als Arbeitgeber das JobTicket für Mitarbeitende der Kreisverwaltung Coesfeld unter den für das DeutschlandTicket geltenden neuen Rahmenbedingungen.
I. Sachdarstellung
Die Bundesregierung und die
Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben in der
Ministerpräsidentenkonferenz am 02.11.2022 die Einführung eines digitalen,
deutschlandweit gültigen „DEUTSCHLANDTICKETS“ für den öffentlichen Personennahverkehr zu
einem Einführungspreis von 49 € pro Monat im monatlich kündbaren Abonnement
beschlossen. Der Bund stellt ab dem Jahr 2023 dafür jährlich 1,5 Milliarden
Euro zum Verlustausgleich zur Verfügung. Die Länder beteiligen sich in gleicher
Höhe. In der Ministerpräsidentenkonferenz am 08.12.2022 haben Bund und Länder
die bisherigen Finanzierungszusagen lediglich für das Einführungsjahr 2023 des
DEUTSCHLANDTICKETS
erweitert
(Nachschusspflicht).
Das DEUTSCHLANDTICKET
soll gemäß Beschluss der Bund-Länder-AG vom 27.01.2023 bundesweit
einheitlich zum 01.05.2023 eingeführt werden; der Vertriebsstart soll ab dem
03.04.2023 erfolgen. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der die vereinbarten Punkte
enthält, wurde am 31.01.2023 veröffentlicht (Entwurf eines Neunten Gesetzes zur
Änderung des Regionalisierungsgesetzes). Dieser
soll in seiner finalen Fassung dem Bundesrat und Bundestag zum Beschluss
vorgelegt werden. Die finale Beschlussfassung ist für Ende März vorgesehen.
Kerninhalte dieses Gesetzentwurfs
sind:
-
für die Jahre 2023-2025 steht den Ländern ein Ausgleich der durch
die Einführung und Umsetzung entstandenen finanziellen Nachteile ein Betrag von
1,5 Mrd. € pro Kalenderjahr, § 9 Abs. 2 S. 1, 2 Reg-E
-
hälftiger Ausgleich für das Jahr 2023 der tatsächlich entstandenen
Kosten, § 9 Abs. 2 S. 3 Reg-E
-
Genehmigungsfiktion des Tarifs, § 9 Abs. 1 S. 3 Reg-E (damit ist
keine Anerkennungspflicht des Tarifs verbunden)
Zur Umsetzung bedarf es seitens
EU, Bund und Ländern sowie den zuständigen Behörden nach EU-Recht noch der
Klärung von rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen: Hierzu gehören
insbesondere die Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung für eine neunte
Änderung des Regionalisierungsgesetzes durch Bundestag und Bundesrat, die beihilfenrechtskonformen
Wege der von Bund und Länder zugesagten Ausgleichsbeträge, die Finanzierung der
aus der Einführung des Deutschlandtickets resultierenden Mindererlöse, die
Regularien zur Liquiditätssicherung.
Neben diesen Rahmenbedingungen
haben sich verschiedene Arbeitskreise mit weiteren Eckpfeilern des neuen
Tarifprodukts befasst und dabei nachstehende Punkte besprochen.
Tarif
Das DEUTSCHLANDTICKET
ist ein bundesweit gültiges Monatsticket im Abonnement, das ohne
Mindestvertragslaufzeit monatlich gekündigt werden kann.
Vertrieb
Das DEUTSCHLANDTICKET
wird nach den Vorgaben der VDV-eTS (Konzept technische Anforderung
Deutschland-Ticket VX.X) und den Tarifbestimmungen des DEUTSCHLANDTICKETS
in die Westfälische Tarifdatenbank WTB aufgenommen. Die
Auslieferung erfolgt ggf. kurzfristig und unabhängig von den festgelegten
Release-Terminen der Standard-WT-Tarifmaßnahme.
Einnahmenmeldung
Das DEUTSCHLANDTICKET
wird mit dem PKM der WT GmbH ausgegeben. Daher findet die
Einnahmenmeldung nach den bekannten Regularien des Vertrages zur Aufteilung von
Einnahmen im WestfalenTarif (Melderichtlinie) statt. Eine ggf. notwendige
informatorische Weiterleitung der Einnahmen an eine bundeszentrale
Datensammelstelle/Clearingstelle zur weiteren Einnahmenaufteilung wird von der
WT GmbH übernommen, sofern möglich.
Einnahmenaufteilung
In der wöchentlichen UAG
„Einnahmenaufteilungsverfahren Deutschlandticket“, in der auch die kommunalen
Spitzenverbände vertreten sind, wird derzeit eine bundesweite Verteilung der
Einnahmen erörtert. Diskussionsansätze sind hierbei bspw. eine Verteilung nach
Postleitzahlen oder anhand eines Schlüssels auf Basis von Altjahren, sodass auf
westfälischer Ebene generierte Einnahmen zunächst anteilig abgespalten,
respektive aus bundesweiten Einnahmen anteilig dem WestfalenTarif zugeschieden
werden könnten. Somit ist aktuell weiterhin unklar, in welchem Umfang Anteile
aus dem DEUTSCHLANDTICKET
der
westfälischen Einnahmenaufteilung zugeführt werden.
Unabhängig von der bundesweiten
Verteilung der Einnahmen ist in der AG Einnahmenaufteilung (ggf. unter Gründung
einer UAG) eine konsensfähige, leistungsgerechte Einnahmenaufteilung möglicher
westfälischer Anteile zu erarbeiten und separat zu beschließen.
Die auskömmliche Finanzierung des
Deutschlandtickets ist aktuell lediglich für das verbleibende Jahr 2023
gewährleistet. Aus Sicht der Aufgabenträger ist die auskömmliche Finanzierung
des Deutschlandtickets für das Jahr 2024 kritisch zu betrachten. Es kann
derzeit mangels belastbarem Zahlenmaterial nicht festgestellt werden, dass der
Bundes- und Länderanteil in 2024 die Aufwendungen der Aufgabenträger deckt.
Eine Zusage des Bundes oder des Landes für eine Deckung etwaiger
darüberhinausgehender Aufwendungen der Aufgabenträger des ÖPNV besteht derzeit
nicht. Ob die vermuteten zusätzlichen Einnahmen aufgrund vermuteter
zahlreicherer Ticketverkäufe ein etwaiges negatives Delta bei den
Aufgabenträger deckt, kann zzt. nur gehofft werden. Daher besteht aktuell ab
dem Jahr 2024 ein nicht bezifferbares Risiko für den Kreishaushalt.
Schülerticket
Im Zusammenhang mit der Einführung des
Deutschlandtickets wurde vom Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes NRW
eine Idee übermittelt, mit der vorgeschlagen wird, dass für die Schulträger
potenziell einsparbare Mittel der Schulträger für Tickets für
freifahrtberechtigte Schülerinnen und Schüler vollständig zur Finanzierung der
vergünstigten Selbstzahlertickets verwendet werden sollen. Dies bedeutet, dass
aktuell nicht anspruchsberechtigte Schülerinnen und Schüler eine vergünstigte
Möglichkeit zur ÖPNV-Nutzung erhalten sollen. Das Land begründet diesen
Vorschlag mit der stärkeren sozialen Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler
sowie dem Anliegen, junge Menschen zur Förderung der Klimaziele durch vermehrte
Nutzung des ÖPNV zu begeistern, das Deutschlandticket zu einem vergünstigten
Preis erwerben zu können. Das Land geht nach seinen bisherigen Berechnungen der
Finanzierung davon aus, dass dieses Ticket dann 29 € kosten soll.
Ob und in welcher Form dieser Vorstoß
umgesetzt wird, ist derzeit offen. Die Kreise als sowohl Aufgaben- als auch
Schulträger haben bislang überwiegend eingewandt, dass eine Beibehaltung der
Finanzmittel im System nur für eine regionale Förderung des ÖPNV eingesetzt
werden dürften, sehen aber vor allem das Land in der Pflicht, die politischen
Ziele mit entsprechenden Finanzmitteln zu hinterlegen.
Je nach Ergebnis der weitergehenden
Prüfung muss ggfls. kurzfristig ein weitergehender Beschluss herbeigeführt
werden.
Azubi-
und Sozialticket
Auch dieses Ticketsortiment wird durch
die Einführung des Deutschlandtickets auf veränderte Rahmenbedingungen stoßen.
Wie bereits beim Schülerticket ausgeführt, gibt es hier noch keine finale
Festlegung seitens des Landes und der Aufgabenträger, wie diese Ticketarten
weiterentwickelt werden sollen.
JobTicket
Der Kreistag hat in seiner Sitzung am
15.06.2022 dem JobTicket als Variante mit einem Arbeitgeberzuschuss beschlossen.
In dieser Variante mit Arbeitgeberzuschuss gab es einen zusätzlichen Rabatt von
neun Euro, wenn sich der Besteller verpflichtet, zu jedem Ticket einen
monatlichen Zuschuss von 16 Euro zu zahlen. Dieses Modell hat in der
Kreisverwaltung Coesfeld zu einer deutlichen Zunahme der Abonnenten geführt
(vor Einführung: 23, seit dem Beschluss: 43)
Die Einführung des Deutschlandtickets
wirkt sich auf das JobTicket aus. Ausgehend vom Beschluss der länderoffenen
Arbeitsgruppe zum bundesweiten ÖPNV-Ticket in der Sitzung vom 27.01.2023 sowie
den daraus entwickelten aktuellen Festlegungen zu den Tarifbestimmungen für das
Deutschlandticket ist die Weiterentwicklung wie folgt vorgesehen:
Bundeseinheitliche Festlegung eines einheitlichen Übergangsabschlags:
-
Reiner Mengenrabatt ohne Arbeitgeberbeitrag soll
nichtmehr gewährt werden
-
Arbeitgeberzuschuss von mindestens 25 Prozent
auf den Ausgabepreis führt zu 5 Prozent Übergangsabschlag auf den Ausgabepreis
Dies bedeutet im Kern eine
weitere Senkung der Kosten für die Mitarbeitenden, deren Arbeitgeber das
JobTicket anbieten.
II.
Entscheidungsalternativen
zu 1.: Da es keine bundes- oder landeseinheitlichen rechtlichen Vorgaben zur Anerkennung des Deutschlandtickets im eigenen Gebiet gibt, kann die Gültigkeit abgelehnt werden.
Überdies kann der Kreistag einer – zum aktuellen Kenntnisstand – Einführung eines vergünstigten Schülertickets für nicht anspruchsberechtigte Schülerinnen und Schüler widersprechen.
zu 4.: Der Kreis Coesfeld bezuschusst das JobTicket nicht mehr.
III. Auswirkungen
/Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)
Finanzen:
- Die bisher nicht vorgenommene Nachschusspflicht für die Jahre
2024 ff. kann zu bislang nicht bezifferbaren Belastungen für den
Kreishaushalt führen. Umso wichtiger ist es, die Weiterentwicklung in der
Kreispolitik und auch den weiteren Gremien, denen der Kreis angeschlossen
ist, eng zu begleiten. Um die finanziellen Risiken für den Kreishaushalt
zu verhindern oder zu vermindern, soll die Verwaltung sich daher für eine Fortschreibung
der Nachschusspflicht einsetzen.
- Im Bereich des Schülertickets könnten durch die Einführung des
Deutschlandtickets finanzielle Mittel in erheblichem Umfang eingespart
werden, wenn Schülerinnen und Schüler verpflichtet werden, das Deutschlandticket
zu erwerben. Derzeit sind rund 1.000 Schülerinnen und Schüler
anspruchsberechtigt. Der durchschnittliche Ticketpreis beträgt 74 €. Dem
gegenüberzustellen sind indes steigende Personalkosten, da die Nachweise
und Abrechnung dann durch die Kreisverwaltung erfolgen müsste. Die
Fachabteilung geht von einem Personalbedarf von 0,5 Stellen aus, die durch
die Einsparungen bei den TIcketpreisen indes vollständig refinanziert
wäre.
- JobTicket: Der finanzielle Aufwand hängt von der
tatsächlichen Inanspruchnahme des JobTickets ab. Der Arbeitgeberzuschuss
reduziert sich von derzeit 14 Euro auf 10 Euro ab dem 01.05.2023. Die
Gewährung eines Arbeitgeberzuschusses hat die Anzahl der Nutzenden auf
zzt. 43 hochschnellen lassen. Eine weitere Vergünstigung des JobTickets
dürfte die Nachfrage ansteigen lassen. Im Produktbereich Personal und
Organisation sind im Haushalt 2023 Mittel in Höhe von 15.000 Euro
eingeplant.
Klima: Die Vermeidung von mobilisierten Individualverkehr, ob zur Arbeit oder in der Freizeit, wirkt sich positiv auf das Klima aus. Die Nutzung des ÖPNV stellt eine klimaschonende Form des Verkehrs da.
IV. Zuständigkeit für die
Entscheidung
Der Kreistag ist gem. § 26 Abs. 1 KrO NRW zuständig.