Betreff
Einführung eines Deutschlandtickets und Auswirkungen auf bestehende weitere Tarifprodukte
Vorlage
SV-10-0847
Aktenzeichen
81
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschluss:

 

1.       Die Einführung eines Deutschlandtickets zum 01.05.2023 wird für den Zeitraum einer vollständigen Refinanzierung durch Bund/Land zustimmend zu Kenntnis genommen.

 

2.       Der Kreis wird sich in den Gremien der Tariforganisationen sowie des Landkreistags für eine „Nachschusspflicht“ von Bund/Land für den Zeitraum ab dem 01.01.2024 einsetzen.

 

3.       Der Sachstand zur Weiterentwicklung des Schülertickets wird zur Kenntnis genommen.

 

4.       Der Kreis Coesfeld bezuschusst als Arbeitgeber das JobTicket für Mitarbeitende der Kreisverwaltung Coesfeld unter den für das DeutschlandTicket geltenden neuen Rahmenbedingungen.

 

 

I. Sachdarstellung

Die Bundesregierung und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben in der Ministerpräsidentenkonferenz am 02.11.2022 die Einführung eines digitalen, deutschlandweit gültigen „DEUTSCHLANDTICKETS“ für den öffentlichen Personennahverkehr zu einem Einführungspreis von 49 € pro Monat im monatlich kündbaren Abonnement beschlossen. Der Bund stellt ab dem Jahr 2023 dafür jährlich 1,5 Milliarden Euro zum Verlustausgleich zur Verfügung. Die Länder beteiligen sich in gleicher Höhe. In der Ministerpräsidentenkonferenz am 08.12.2022 haben Bund und Länder die bisherigen Finanzierungszusagen lediglich für das Einführungsjahr 2023 des DEUTSCHLANDTICKETS erweitert (Nachschusspflicht).

 

Das DEUTSCHLANDTICKET soll gemäß Beschluss der Bund-Länder-AG vom 27.01.2023 bundesweit einheitlich zum 01.05.2023 eingeführt werden; der Vertriebsstart soll ab dem 03.04.2023 erfolgen. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der die vereinbarten Punkte enthält, wurde am 31.01.2023 veröffentlicht (Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes). Dieser soll in seiner finalen Fassung dem Bundesrat und Bundestag zum Beschluss vorgelegt werden. Die finale Beschlussfassung ist für Ende März vorgesehen.

 

Kerninhalte dieses Gesetzentwurfs sind:

-          für die Jahre 2023-2025 steht den Ländern ein Ausgleich der durch die Einführung und Umsetzung entstandenen finanziellen Nachteile ein Betrag von 1,5 Mrd. € pro Kalenderjahr, § 9 Abs. 2 S. 1, 2 Reg-E

-          hälftiger Ausgleich für das Jahr 2023 der tatsächlich entstandenen Kosten, § 9 Abs. 2 S. 3 Reg-E

-          Genehmigungsfiktion des Tarifs, § 9 Abs. 1 S. 3 Reg-E (damit ist keine Anerkennungspflicht des Tarifs verbunden)

 

Zur Umsetzung bedarf es seitens EU, Bund und Ländern sowie den zuständigen Behörden nach EU-Recht noch der Klärung von rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen: Hierzu gehören insbesondere die Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung für eine neunte Änderung des Regionalisierungsgesetzes durch Bundestag und Bundesrat, die beihilfenrechtskonformen Wege der von Bund und Länder zugesagten Ausgleichsbeträge, die Finanzierung der aus der Einführung des Deutschlandtickets resultierenden Mindererlöse, die Regularien zur Liquiditätssicherung.

 

Neben diesen Rahmenbedingungen haben sich verschiedene Arbeitskreise mit weiteren Eckpfeilern des neuen Tarifprodukts befasst und dabei nachstehende Punkte besprochen.

 

Tarif

Das DEUTSCHLANDTICKET ist ein bundesweit gültiges Monatsticket im Abonnement, das ohne Mindestvertragslaufzeit monatlich gekündigt werden kann.

 

Vertrieb

Das DEUTSCHLANDTICKET wird nach den Vorgaben der VDV-eTS (Konzept technische Anforderung Deutschland-Ticket VX.X) und den Tarifbestimmungen des DEUTSCHLANDTICKETS in die Westfälische Tarifdatenbank WTB aufgenommen. Die Auslieferung erfolgt ggf. kurzfristig und unabhängig von den festgelegten Release-Terminen der Standard-WT-Tarifmaßnahme.

 

Einnahmenmeldung

Das DEUTSCHLANDTICKET wird mit dem PKM der WT GmbH ausgegeben. Daher findet die Einnahmenmeldung nach den bekannten Regularien des Vertrages zur Aufteilung von Einnahmen im WestfalenTarif (Melderichtlinie) statt. Eine ggf. notwendige informatorische Weiterleitung der Einnahmen an eine bundeszentrale Datensammelstelle/Clearingstelle zur weiteren Einnahmenaufteilung wird von der WT GmbH übernommen, sofern möglich.

 

Einnahmenaufteilung

In der wöchentlichen UAG „Einnahmenaufteilungsverfahren Deutschlandticket“, in der auch die kommunalen Spitzenverbände vertreten sind, wird derzeit eine bundesweite Verteilung der Einnahmen erörtert. Diskussionsansätze sind hierbei bspw. eine Verteilung nach Postleitzahlen oder anhand eines Schlüssels auf Basis von Altjahren, sodass auf westfälischer Ebene generierte Einnahmen zunächst anteilig abgespalten, respektive aus bundesweiten Einnahmen anteilig dem WestfalenTarif zugeschieden werden könnten. Somit ist aktuell weiterhin unklar, in welchem Umfang Anteile aus dem DEUTSCHLANDTICKET der westfälischen Einnahmenaufteilung zugeführt werden.

 

Unabhängig von der bundesweiten Verteilung der Einnahmen ist in der AG Einnahmenaufteilung (ggf. unter Gründung einer UAG) eine konsensfähige, leistungsgerechte Einnahmenaufteilung möglicher westfälischer Anteile zu erarbeiten und separat zu beschließen.

 

Die auskömmliche Finanzierung des Deutschlandtickets ist aktuell lediglich für das verbleibende Jahr 2023 gewährleistet. Aus Sicht der Aufgabenträger ist die auskömmliche Finanzierung des Deutschlandtickets für das Jahr 2024 kritisch zu betrachten. Es kann derzeit mangels belastbarem Zahlenmaterial nicht festgestellt werden, dass der Bundes- und Länderanteil in 2024 die Aufwendungen der Aufgabenträger deckt. Eine Zusage des Bundes oder des Landes für eine Deckung etwaiger darüberhinausgehender Aufwendungen der Aufgabenträger des ÖPNV besteht derzeit nicht. Ob die vermuteten zusätzlichen Einnahmen aufgrund vermuteter zahlreicherer Ticketverkäufe ein etwaiges negatives Delta bei den Aufgabenträger deckt, kann zzt. nur gehofft werden. Daher besteht aktuell ab dem Jahr 2024 ein nicht bezifferbares Risiko für den Kreishaushalt.

 

 

Schülerticket

Im Zusammenhang mit der Einführung des Deutschlandtickets wurde vom Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes NRW eine Idee übermittelt, mit der vorgeschlagen wird, dass für die Schulträger potenziell einsparbare Mittel der Schulträger für Tickets für freifahrtberechtigte Schülerinnen und Schüler vollständig zur Finanzierung der vergünstigten Selbstzahlertickets verwendet werden sollen. Dies bedeutet, dass aktuell nicht anspruchsberechtigte Schülerinnen und Schüler eine vergünstigte Möglichkeit zur ÖPNV-Nutzung erhalten sollen. Das Land begründet diesen Vorschlag mit der stärkeren sozialen Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler sowie dem Anliegen, junge Menschen zur Förderung der Klimaziele durch vermehrte Nutzung des ÖPNV zu begeistern, das Deutschlandticket zu einem vergünstigten Preis erwerben zu können. Das Land geht nach seinen bisherigen Berechnungen der Finanzierung davon aus, dass dieses Ticket dann 29 € kosten soll.

 

Ob und in welcher Form dieser Vorstoß umgesetzt wird, ist derzeit offen. Die Kreise als sowohl Aufgaben- als auch Schulträger haben bislang überwiegend eingewandt, dass eine Beibehaltung der Finanzmittel im System nur für eine regionale Förderung des ÖPNV eingesetzt werden dürften, sehen aber vor allem das Land in der Pflicht, die politischen Ziele mit entsprechenden Finanzmitteln zu hinterlegen.

 

Je nach Ergebnis der weitergehenden Prüfung muss ggfls. kurzfristig ein weitergehender Beschluss herbeigeführt werden.

 

Azubi- und Sozialticket

Auch dieses Ticketsortiment wird durch die Einführung des Deutschlandtickets auf veränderte Rahmenbedingungen stoßen. Wie bereits beim Schülerticket ausgeführt, gibt es hier noch keine finale Festlegung seitens des Landes und der Aufgabenträger, wie diese Ticketarten weiterentwickelt werden sollen.

 

JobTicket

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 15.06.2022 dem JobTicket als Variante mit einem Arbeitgeberzuschuss beschlossen. In dieser Variante mit Arbeitgeberzuschuss gab es einen zusätzlichen Rabatt von neun Euro, wenn sich der Besteller verpflichtet, zu jedem Ticket einen monatlichen Zuschuss von 16 Euro zu zahlen. Dieses Modell hat in der Kreisverwaltung Coesfeld zu einer deutlichen Zunahme der Abonnenten geführt (vor Einführung: 23, seit dem Beschluss: 43)

 

Die Einführung des Deutschlandtickets wirkt sich auf das JobTicket aus. Ausgehend vom Beschluss der länderoffenen Arbeitsgruppe zum bundesweiten ÖPNV-Ticket in der Sitzung vom 27.01.2023 sowie den daraus entwickelten aktuellen Festlegungen zu den Tarifbestimmungen für das Deutschlandticket ist die Weiterentwicklung wie folgt vorgesehen:

 

Bundeseinheitliche Festlegung eines einheitlichen Übergangsabschlags:

-          Reiner Mengenrabatt ohne Arbeitgeberbeitrag soll nichtmehr gewährt werden

-          Arbeitgeberzuschuss von mindestens 25 Prozent auf den Ausgabepreis führt zu 5 Prozent Übergangsabschlag auf den Ausgabepreis

 

Dies bedeutet im Kern eine weitere Senkung der Kosten für die Mitarbeitenden, deren Arbeitgeber das JobTicket anbieten.

 

 

 

II. Entscheidungsalternativen

zu 1.: Da es keine bundes- oder landeseinheitlichen rechtlichen Vorgaben zur Anerkennung des Deutschlandtickets im eigenen Gebiet gibt, kann die Gültigkeit abgelehnt werden.

 

Überdies kann der Kreistag einer – zum aktuellen Kenntnisstand – Einführung eines vergünstigten Schülertickets für nicht anspruchsberechtigte Schülerinnen und Schüler widersprechen.

 

zu 4.: Der Kreis Coesfeld bezuschusst das JobTicket nicht mehr.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

Finanzen:

  1. Die bisher nicht vorgenommene Nachschusspflicht für die Jahre 2024 ff. kann zu bislang nicht bezifferbaren Belastungen für den Kreishaushalt führen. Umso wichtiger ist es, die Weiterentwicklung in der Kreispolitik und auch den weiteren Gremien, denen der Kreis angeschlossen ist, eng zu begleiten. Um die finanziellen Risiken für den Kreishaushalt zu verhindern oder zu vermindern, soll die Verwaltung sich daher für eine Fortschreibung der Nachschusspflicht einsetzen.

 

  1. Im Bereich des Schülertickets könnten durch die Einführung des Deutschlandtickets finanzielle Mittel in erheblichem Umfang eingespart werden, wenn Schülerinnen und Schüler verpflichtet werden, das Deutschlandticket zu erwerben. Derzeit sind rund 1.000 Schülerinnen und Schüler anspruchsberechtigt. Der durchschnittliche Ticketpreis beträgt 74 €. Dem gegenüberzustellen sind indes steigende Personalkosten, da die Nachweise und Abrechnung dann durch die Kreisverwaltung erfolgen müsste. Die Fachabteilung geht von einem Personalbedarf von 0,5 Stellen aus, die durch die Einsparungen bei den TIcketpreisen indes vollständig refinanziert wäre.

 

 

  1. JobTicket: Der finanzielle Aufwand hängt von der tatsächlichen Inanspruchnahme des JobTickets ab. Der Arbeitgeberzuschuss reduziert sich von derzeit 14 Euro auf 10 Euro ab dem 01.05.2023. Die Gewährung eines Arbeitgeberzuschusses hat die Anzahl der Nutzenden auf zzt. 43 hochschnellen lassen. Eine weitere Vergünstigung des JobTickets dürfte die Nachfrage ansteigen lassen. Im Produktbereich Personal und Organisation sind im Haushalt 2023 Mittel in Höhe von 15.000 Euro eingeplant.

 

Klima: Die Vermeidung von mobilisierten Individualverkehr, ob zur Arbeit oder in der Freizeit, wirkt sich positiv auf das Klima aus. Die Nutzung des ÖPNV stellt eine klimaschonende Form des Verkehrs da.

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

Der Kreistag ist gem. § 26 Abs. 1 KrO NRW zuständig.