Beschluss:

 

Der Kreistag schließt sich nach Prüfung und Würdigung den Ausführungen der Verwaltung zu den im Rahmen des Benehmensverfahrens vorgetragenen Stellungnahmen der Konferenz der Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld an.

 

 

I. Sachdarstellung

 

 

Nach § 55 Absatz 1 Satz 1 KrO NRW erfolgt die Festsetzung der Kreisumlage im Benehmen mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, denen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Anhörung zu geben ist. Dabei ist das Benehmen gemäß § 55 Absatz 1 Satz 2 KrO NRW sechs Wochen vor Aufstellung des Entwurfs der Haushaltssatzung einzuleiten.

 

Nach § 55 Absatz 2 Satz 3 KrO NRW muss der Kreistag über Einwendungen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in öffentlicher Sitzung beschließen. Dies hat getrennt von dem Beschluss über die Haushaltssatzung zu geschehen und erfolgt mit Abschluss der Haushaltsberatungen.

 

Das Beteiligungsverfahren wurde mit Schreiben vom 18.08.2023 (sog. Eckdatenpapier) eingeleitet. Die Konferenz der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis Coesfeld (Bürgermeisterkonferenz) hat mit Schreiben vom 05.10.2023 eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben (vgl. Anlage 1).

 

Im ersten Teil der gemeinsamen Stellungnahme vom 05.10.2023 (vgl. Seite 1 bis einschließlich zweiter Absatz auf Seite 2) wird unter Verweis auf ein an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gerichtetes Schreiben eine Situation beschrieben, die so beschaffen sei, dass „der Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Land derzeit auf dem Spiel stünde“.

 

Zur Stützung dieser Aussage werden in einem Katalog von neun Punkten gleichzeitig wirkende Sachverhalte aufgelistet, die zu einer Überforderung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden führen würden. Ergebnis dessen sei, dass 40 % der Städte und Gemeinden den Gang in die Haushaltssicherung erwarten – weitere 20 % könnten heute noch nicht absehen, ob sich dieser Schritt noch abwenden lasse. Gefordert wird schließlich, dass diese Alarmsignale nicht länger überhört werden dürften. Auch der Kreis Coesfeld sei gefordert, darauf zu reagieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stellungnahme der Verwaltung:

Auf die genannten Punkte hat der Kreis Coesfeld keinen unmittelbaren Einfluss, da sie von den gesetzgeberischen Aktivitäten der staatlichen Ebenen (vgl. 2. Punkt – Auswirkungen der Zuwanderung - / 3. Punkt – Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Primarbereich / 5. Punkt – Erstellung kommunale Wärmeplanung / 6. Punkt – Maßnahmen der Klimaanpassung / 8. Punkt: Finanzierung des Deutschland-Tickets / 9. Punkt: Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen) oder den Gegebenheiten des freien Marktes (vgl. 1. Punkt – Inflationäre Preisentwicklung / 7. Punkt – Steigende Zinslasten für sämtliche kommunalen Kredite) abhängen. Vielmehr ist zu konstatieren, dass den Kreis Coesfeld die genannten Herausforderungen weitestgehend in vergleichbarer Weise treffen.

 

Soweit im 4. Punkt eine kontinuierlich steigende Umlagenbelastung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden infolge der Kostenstrukturen der Landschaftsverbände und der Kreise ohne wirkungsvolle Rechtsschutzmöglichkeit angeführt wird, sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

 

Ebenso wie die Städte und Gemeinden haben auch die Kreise als Gemeindeverbände einen verfassungsrechtlichen Anspruch der kommunalen Selbstverwaltung inne (vgl. Artikel 78 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen).

 

Anders aber als die kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die über eine Steuerhoheit z. B. im Bereich der Realsteuern (Grundsteuer A und B, Gewerbesteuer) verfügen, haben die Kreise diese Befugnis nicht. Zur Deckung ihrer gegenüber den Städten und Gemeinden gleichrangigen Finanzbedarfe können Kreise anstatt dessen eine Kreisumlage von den kreisangehörigen Gemeinden erheben. Dabei müssen Kreise das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 9 KrO NRW) beachten. Zu diesem Themenkomplex sind in anderen Bundesländern bereits verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten geführt worden, die mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beendet wurden (vgl. z. B. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013).

 

Auch für den Kreis Coesfeld ist die allgemeine Kreisumlage ein wichtiger Baustein zur Finanzierung seines gesetzlich normierten oder auch durch die Kreispolitik beschlossenen Aufgabenspektrums, allerdings auch nicht das alleinige Finanzierungsmittel. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Kreisumlage in Korrelation zur Landschaftsumlage steht, die der Kreis jährlich an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe abzuführen hat. Aus der Anlage 3 wird ersichtlich, dass die allgemeine Kreisumlage – bereinigt um die vom Kreis an den LWL zu zahlenden Landschaftsumlage – in den Jahren 2017 – 2024 durchgehend einen Anteil von weniger als 13 % an den Gesamterträgen des Kreises Coesfeld hatte. Bedeutsam ist ebenfalls, dass die Zahllast aus der Landschaftsumlage im Betrachtungszeitraum (2017 – 2024) mit 43,74 % höher angestiegen ist als die Zahllast aus der allgemeinen Kreisumlage mit 42,15 %.

 

 

 

 

Im zweiten Teil der gemeinsamen Stellungnahme vom 05.10.2023 (vgl. ab Seite 2 Absatz 3) wird darauf hingewiesen, dass bereits im vergangenen Jahr neben der Stellungnahme zum Kreishaushalt 2023 im Schreiben vom 27.10.2022 Anregungen zur zukünftigen Aufstellung des Haushalts und zur Festlegung der Kreisumlagen vorgelegt wurden. Im Folgenden wird kritisiert, dass der Kreis Coesfeld hierzu keine konkreten Antworten abgegeben habe.

 

Stellungnahme der Verwaltung:

Die geäußerte Kritik ist nicht nachvollziehbar. Sowohl die mit Schreiben vom 27.10.2022 geäußerten Anregungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als auch die darauf abgegebenen Stellungnahmen des Kreises Coesfeld sind der Sitzungsvorlage SV-10-0729 zu entnehmen (vgl. die für die Sitzung des Kreistages vom 07.12.2022 im Sitzungsdienst für Bürgerinnen bzw. Bürger veröffentlichten Materialien, https://www.kreis-coesfeld.de/sessionnet/sessionnetbi/vo0050.php?__kvonr=5742). Ein Auszug der v. g. Sitzungsvorlage ist der Anlage 2 zu entnehmen.

 

Die geäußerten Anregungen wurden ebenfalls im Rahmen der Ansatzplanung 2024 in den höchstrichterlich aufgezeigten Abwägungsprozess zur Festsetzung der Hebesätze für die Kreisumlagen einbezogen. Im Rahmen dessen waren in Bezug auf die Veranschlagungen für Personal (vgl. nachfolgend a.), Kultur (vgl. nachfolgend b.) sowie den Umgang mit Rückstellungen (vgl. nachfolgend c.) folgende Erwägungen ausschlaggebend:

 

zu a. Personal (Umgang mit Projektstellen / Personaletat)

 

Umgang mit Projektstellen:

Am bisherigen Umgang mit Projektstellen ist mit Blick auf die gültige Vorschrift des § 8 KomHVO NRW festzuhalten. Projektstellen sind damit weiterhin nicht im Stellenplan auszuweisen. Grundsätzlich orientiert sich die Dauer von Projektstellen an den jeweiligen Rahmenbedingungen. Geförderte Projektstellen werden für die Dauer der Projektförderung eingerichtet. Dies kann zwei Jahre überschreiten und nicht selten am Ende der Laufzeit für eine weitere Förderperiode verlängert werden. Im Übrigen erfolgt eine Orientierung an den vorgeschlagenen zwei Jahren. Sofern es absehbar ist, dass sich eine Stelle verstetigt (z.B. wenn die Aufgaben dies erfordern oder die Finanzierung dauerhaft gesichert ist), werden Projektstellen in Planstellen umgewandelt. In der Regel wird jedoch das Ziel verfolgt, die Projektstellen am Ende des Projektes zu streichen.

 

Personaletat:

Die Anregung, die Anpassung des Personalaufwands des Kreises an die durchschnittlichen Steigerungsraten der Städte und Gemeinden zu koppeln, kann weiterhin nicht aufgegriffen werden, da sich die Aufgabenentwicklung der Städte und Gemeinden bekanntlich von der des Kreises deutlich unterscheidet. Hier eine Kopplung zu erzwingen, erscheint nicht sachgemäß.

 

Im Übrigen wurde auch die Entwicklung des Stellenplans 2024 unter strengen Maßgaben geplant. Nur unabdingbar notwendige Stellen werden neu eingeplant: Im Saldo erfolgt ein Zuwachs von 12,6 VZÄ, wovon allein 7 VZÄ in der Leitstelle aufgrund des Rettungsdienstbedarfsplans (größtenteils refinanziert) einzurichten sind. Der recht gravierende Anstieg des Personaletats 2024 ist hingegen im Wesentlichen auf den überaus umfangreichen Tarifabschluss im TVöD und eine entsprechende Prognose zum Beamtenbereich zurückzuführen. Gleichzeitig wurden aber auch pauschale Kürzungen und Einsparungen mit Blick auf nur unterjährig mögliche Nachbesetzungen und mögliche vakante Stellen (Stichwort: Fachkräftemangel) vorgenommen.

 

zu b. Kultur

Die Haushaltsansätze für den Kulturetat 2024 wurden unter Berücksichtigung der Ansätze aus dem Jahr 2020 lediglich um den Inflationsausgleich erhöht. In einigen Bereichen liegt dieser sogar unter dem Inflationsausgleich. Insofern deckt sich dies mit den Forderungen der Kommunen.

 

Zur Entlastung des Gesamthaushaltes wurden darüber hinaus Aufwendungen in Höhe von 15.000 € pauschal im Kulturbereich gekürzt.

 

Einen Sondereffekt bildet die in 2024 geplante Sanierung der Kolvenburg (vgl. Ansatz in Höhe von 655.000 € in der Produktgruppe 20.06 Gebäude), die aus zwingenden brandschutzrechtlichen Gründen durchzuführen ist. Die Ansätze bei dem Produkt 40.05.02 (Kulturzentrum Kolvenburg) liegen ansonsten deutlich unter dem regulären Etat.

 

Im Übrigen sind die kreisangehörigen Städte und Gemeinden auch im Haushaltsjahr 2024 in der Lage, eigenständig freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Hierzu sei auf die gemeldeten Finanzdaten zur Aufgabenwahrnehmung im kulturellen Bereich (vgl. Anlage 4, Tabelle 6) hingewiesen. Die vom Bundesverwaltungsgericht zur Frage der finanziellen Mindestausstattung gezogene Grenze („strukturell und dauerhaft außerstande zur Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben“) wird damit offensichtlich nicht tangiert.

 

zu c. Umgang mit Rückstellungen

Im Rahmen der Haushaltskommission wurden die Anregungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mehrfach diskutiert. Es besteht ein grundsätzlicher Konsens zwischen den Städten und Gemeinden sowie dem Kreis bezüglich dieser Anregungen, dass sie Einfluss in die Haushaltsplanung der kommenden Jahre finden sollen. Dies wurde auch entsprechend umgesetzt.

Im Bereich der Gebäudeunterhaltung wurde zum Beispiel lediglich ein Grundstock für regelmäßig anfallende Unterhaltungsmaßnahmen eingeplant. Neue Maßnahmen wurden nur sehr eingeschränkt berücksichtigt. Somit konnten die geplanten Aufwände für 2024 im Bereich der Gebäudeunterhaltung erheblich reduziert werden. Die Inanspruchnahme von Rückstellungen, die für Maßnahmen eingestellt wurden, die in vorherigen Zeiträumen nicht vollendet werden konnten, wurde vermehrt eingeplant.

 

Auf Seite 2, Absatz 3, der gemeinsamen Stellungnahme der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vom 05.10.2023 wird ausgeführt, dass Herr Landrat Dr. Schulze Pellengahr zugesichert habe, die vorgetragenen Anregungen in die politischen Beratungen zu geben. Die beschlossenen Grundsätze im Rahmen der Ausübung des Gebots der Rücksichtnahme (gem. § 9 KrO NRW) bei der Festlegung von Kreisumlagen reiche dabei nicht aus.

 

Stellungnahme der Verwaltung:

Herr Landrat Dr. Schulze Pellengahr hat während des Treffens der Haushaltskommission am 09.08.2023 darauf hingewiesen, der Kreispolitik die Anregungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister noch einmal vorzulegen und zu beraten. Dies ist mit der am 27.09.2023 vom Kreistag beschlossenen Sitzungsvorlage SV-10-0994 nach eingehender Beratung auch geschehen.

 

Anzumerken bleibt, dass eine Selbstbindung des Kreistages, die Anregungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für einen längeren Zeitraum als bindend anzusehen, rechtlich nicht möglich ist. Nach dem Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit besteht die Pflicht zur jährlichen Beschlussfassung über den geplanten Haushalt, sie ergibt sich aus § 78 Abs. 1 GO NRW. Dadurch wird nicht nur die Kontrollfunktion des Kreistages begünstigt, auch die Finanzierung aller Aufgaben wird damit umfassend geregelt. Eine Selbstbindung des Kreistages zu konkreten Positionen wie Stellenplan, Rückstellungen oder bestimmten Aufgaben, die über ein Haushaltsjahr hinaus Wirkung entfalten würde, ist demnach nicht zulässig.

 

Auch die Wahrnehmung der eigenen Organkompetenz des Kreistages widerspricht einem Automatismus, der eintreten würde, wenn die Anregungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als bindend festgeschrieben würden. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Buchst. g KrO NRW ist ausschließlich der Kreistag zuständig für den Erlass der Haushaltssatzung und des Stellenplans. Der Kreistag stellt das zentrale Steuerungsorgan des Kreises dar und der Haushalt das zentrale Steuerungsinstrument des Kreises. Ein auf der beschlossenen Haushaltssatzung aufbauender kommunaler Haushalt ist Ausdruck der Finanzhoheit der Kommune/des Kreises und der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. vom Land NRW herausgegebene Handreichung für Kommunen „Neues Kommunales Finanzmanagement in Nordrhein-Westfalen (7. Auflage)“, Seite 1517)

 

Die Vertretungskörperschaft entscheidet folglich, für welche Maßnahmen und Zwecke die zur Verfügung stehenden Mittel aufgewendet werden dürfen. Es besteht sowohl in der Kreispolitik als auch der Verwaltung aber Einigkeit darin, dass der Kreis auf die finanziellen Belange seiner kreisangehörigen Städte und Gemeinden stets Rücksicht nehmen muss, was durch die Sitzungsvorlage SV-10-0994 noch einmal politisch beschlossen und durch die hohe Entnahme aus der Ausgleichsrücklage für das Haushaltsjahr 2024 bereits dokumentiert wird.

 

II. Entscheidungsalternativen

Der Kreistag schließt sich den Ausführungen der Verwaltung nicht an und trifft hiervon abweichende Beschlüsse.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

Es entstehen Personal- und Sachaufwendungen sowie Aufwand für den Sitzungsdienst.

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

Die Zuständigkeit des Kreistages resultiert aus § 55 Absatz 2 KrO NRW.