Betreff
Förderung der Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen
Vorlage
SV-10-1122
Art
Sitzungsvorlage

Beschluss:

 

Der Kreis Coesfeld stimmt angesichts unerwartet hoher Kostensteigerungen in der jüngeren Vergangenheit einer außerordentlichen Kündigung der zwischen dem Kreis und dem Caritasverband für den Kreis Coesfeld e.V. bestehenden Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung zum Betrieb einer Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen mit Wirkung zum 29.02.2024 zu.

 

Die Förderung wird ab dem 01.03.2024 mit einem Betrag in Höhe von jährlich bis zu 165.510,50 € fortgesetzt. Berechnungsgrundlage sind Orientierungswerte der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST). Erhöhen sich diese Werte während des dann laufenden Vertrages, ist eine entsprechende Erhöhung des Förderbetrages ohne neue Beschlussfassung möglich.

 

Es ist eine Refinanzierung in Höhe von 80 % des Förderbetrages durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu erwarten.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Angebotsträger eine neue Vereinbarung abzuschließen. Deren Laufzeit ist zunächst bis zum 31.12.26 zu begrenzen. Bei gleichbleibenden Konditionen kann die Vereinbarung um zwei Jahre verlängert werden.

 

 

 

I. Sachverhalt:

 

Der Kreiscaritasverband hat 1995 in Dülmen nach Abstimmung mit dem Kreis Coesfeld eine Kontakt- und Beratungsstelle (KBST) für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen eingerichtet. Der Kreis hat seither als freiwillige Leistung gemäß einer dem Verband vor Inbetriebnahme gegebenen Zusage den überwiegenden Teil der Kosten getragen.

 

Mit Inkrafttreten der dritten Stufe des BTHG sind zum 01.01.2020 gem. § 1 Abs. 1 AG SGB IX neue Zuständigkeiten auf den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) übergegangen. Dies betrifft auch die KBST´s für Menschen mit einer psychischen Behinderung. Allerdings wurden Aufgaben rückdelegiert, wodurch die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Sozialhilfeträger im Rahmen der Heranziehungssatzung in der Verantwortung bleiben. Der Kreis Coesfeld stellt die Durchführung der Aufgabe sicher, der LWL finanziert die KBST´s mit. In Abstimmung mit dem LWL schließt der Kreis Coesfeld weiterhin Verträge zur Aufgabenerfüllung mit potentiellen Leistungserbringern ab. 

 

Bei den Finanzierungsanteilen wird zwischen Kosten der Eingliederungshilfe und Kosten der Daseinsfürsorge unterschieden. Der LWL geht davon aus, dass in einer KBST zu 80 % von ihm zu tragende Leistungen der Eingliederungshilfe und zu 20 % vom örtlichen Sozialhilfeträger zu finanzierende Leistungen der Daseinsfürsorge (z.B. Beratung von Angehörigen) erbracht werden. Dementsprechend übernimmt er zurzeit 80 % der nicht gedeckten Kosten, sofern im Verwendungsnachweis die zugrunde gelegte Aufgabenverteilung bestätigt wird. In den bislang mit dem LWL abgerechneten Jahren traf dies zu.

 

Seit dem 01.01.2004 erfolgt die Förderung der derzeit mit bis zu 1,5 Fachkräften sowie einer Ergänzungskraft (Genesungsbegleitung, 0,4 Stelle) besetzten KBST vom Kreis Coesfeld auf der Grundlage einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung zuletzt mit jährlich bis zu 150.284,50 € (Beschlüsse des Kreistages vom 15.10.2003, 18.06.2008, 02.03.2011, 17.06.2015, 09.09.2020 und 21.09.22). Der Kreistag hat die Förderung in seinem letzten Beschluss in dieser Sache bis zunächst Ende 2024 begrenzt.

 

Automatische Anpassungen des Förderbetrages sind in der bestehenden Vereinbarung nicht vorgesehen.

 

Der Caritasverband hat am 23.08.23 eine außerordentliche Kündigung der Vereinbarung beim Kreis vorgelegt. Sowohl bei den Personal- als auch bei den Sachkosten seien in den Jahren 2023 und 2024 erhebliche Tarif- und Preissteigerungen festzustellen bzw. zu erwarten. Der Personal- und Sachkostenanstieg im Jahr 2024 stelle eine unzumutbare Belastung dar.

Die Begründung ist nachvollziehbar. Eine über das bisherige Maß hinausgehende Eigenbeteiligung des Trägers erscheint nicht zumutbar.

 

 

Aufgaben und Leistungsumfang der KBST:

 

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen haben häufig Probleme, soziale Kontakte aufzunehmen und zu pflegen. Die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben wird dadurch eingeschränkt. Die über soziale Kontakte vermittelte Orientierung geht verloren, das Selbstwertgefühl leidet. Krankheitsverläufe werden negativ beeinflusst und der Behandlungs- und Rehabilitationsbedarf nimmt zu.

 

Ziel der KBST ist es, die soziale, psychosoziale und kommunikative Kompetenz von Menschen mit psychischen  Erkrankungen zu fördern und damit dazu beizutragen,

-          Voraussetzungen für eine Behandlung, Rehabilitation und die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben zu schaffen,

-          stationäre Aufenthalte zu verkürzen oder zu verhindern,

-          krankheitsbedingte Isolation abzubauen oder zu verhindern und

-          Angehörige zu entlasten und dem sozialen Umfeld zu mehr Stabilität zu verhelfen.

 

Zur Erreichung dieser Ziele nimmt die KBST folgende Aufgaben wahr:

-          Hilfen zur Gestaltung und Pflege sozialer Beziehungen, z.B. offene Frühstücksangebote, Patientenclubarbeit, gesellige Gesprächsrunden, Spielgruppen, kulturelle oder sportliche Aktivitäten, ein- oder mehrtägige Urlaubsfahrten,

-          Durchführung themenzentrierter Gruppen, Auseinandersetzung mit selbstgewählten Themen,

-          alltags- und lebenspraktische Anleitungen, z.B. zum Kochen, zur Haushaltsführung,

-          Beschäftigungsmöglichkeiten und Angebote zur Förderung der Kreativität,

-          Beratung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen, deren Angehörigen und weiteren Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld,

-          Weiterleitung und Vermittlung Hilfesuchender zu anderen Hilfeangeboten,

-          Begleitung und Anleitung von Laienhelfern.

 

Das Angebot der KBST ist schwerpunktmäßig auf erwachsene Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen ausgerichtet, nicht aber auf Menschen mit gerontopsychiatrischen Beeinträchtigungen oder Suchtkranke.

 

KBST´s sind niedrigschwellig angelegt: keine Voranmeldung erforderlich, offene Angebotszeiten, keine oder nur geringe Teilnahmegebühren, Möglichkeit anonymer Teilnahme, niedrige Erwartungshaltung und Anforderungen an Besuchende. Sie sind deshalb besonders geeignet, Menschen mit psychischen Erkrankungen einen Weg ins Hilfesystem und damit zu verbesserter psychischer Gesundheit zu bieten.

 

Der bestehenden Vereinbarung zwischen Kreis und Caritasverband liegt eine Stellenbesetzung mit einer an Werten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST) orientierten Vergütung zugrunde: 0,5 Vollzeitstelle S 12, 1 VZ S 11b, 0,4 VZ S 3 (Genesungsbegleitung).

 

Unter der Voraussetzung, dass die tatsächlichen Kosten im angemessenen Verhältnis zur Kreisförderung stehen und Personal mit den vereinbarungsgemäßen Qualifikationen eingesetzt wird, wird kreisseitig toleriert, dass über die 0,4 S 3-Stelle hinaus in der KBST weiteres Personal mit geringerer Vergütung als S 11b zum Einsatz kommt. Dadurch können ein kostendämpfender Effekt erzielt und Einstiegstarife mit Aufstiegschancen möglich werden. Zudem kann der Caritasverband flexibler bei der Personalauswahl vorgehen. Es soll aber mindestens eine 0,5 Vollzeitstelle mit einer nach S 12 vergüteten Kraft besetzt sein.

Entsprechende Abweichungen in der personellen Besetzung sind zwischen dem Kreis Coesfeld und dem Caritasverband abzustimmen. Sind Stellen mit geringerem Stundenumfang als vorgesehen besetzt, müssen die Fördermittel anteilig zurückgezahlt werden.

 

 

Inanspruchnahmedaten:

Die KBST bietet regelmäßig in sechs der elf kreisangehörigen Städte und Gemeinden offene Gruppen an: Billerbeck, Coesfeld, Dülmen, Lüdinghausen, Nottuln und Olfen.

 

Inanspruchnahme der KBST nach Angaben des Angebotsträgers:

2002

2006

2010

2012

2014

2016

2018

2020

2021

2022

Kontaktstellenbesucher/

innen

145

196

148

194

155

172

181

186

192

288

Gruppenbesuche insgesamt

2466

4764

4656

5377

5404

5615

5938

3334

1802

3601

Klientel in laufender Beratung*

-

-

27

31

43

37

45

41

55

66

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*Diese Rubrik wird erst seit 2009 vom Angebotsträger im Jahresbericht ausgewiesen.

Klientinnen und Klienten in laufender Beratung können auch Kontaktstellenbesucher*innen sein.

 

 

Die Zahlen geben nur bedingt Auskunft über die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen, denn diese kann auch anonym bzw. ohne Erfassung persönlicher Daten erfolgen und ist dann bei den o.g. Werten nur bei den Gruppenbesuchen berücksichtigt. Weitere Informationen können dem Jahresbericht des Caritasverbandes für die KBST für das Jahr 2022 entnommen werden. (Anlage 1)

 

Infolge der Corona-Pandemie mussten die KBST-Angebote entsprechend der Coronaschutzverordnung NRW deutlich zurückgefahren und zum Teil auf telefonische Kontakte reduziert werden. Lockdowns und reduzierte Gruppengrößen gemäß dem bestehenden Hygienekonzept spiegeln sich in den Zahlen der Gruppenbesuche wider.

 

Versorgungsstandard:

Seit den 1980er Jahren wurden bundesweit Bettenkapazitäten in psychiatrischen Kliniken abgebaut und gemeindenah ambulante Hilfen aus- und umgebaut. Die Reformaktivitäten waren bestimmendes Leitmotiv für den 1995 vom Kreistag verabschiedeten Psychiatrieplan. Institutionen wie die KBST ersetzen alte Angebotsstrukturen und sind heute weit verbreiteter Versorgungsstandard.

 

Zusammenhang KBST und Förderung der Tagesstätten:

Der LWL finanziert die in Coesfeld und Dülmen bestehenden Tagesstätten für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Laut den Förderrichtlinien des LWL vom 01.01.2020 „wird ein Träger nur dann gefördert, wenn er mit der Tagesstätte zugleich am Ort eine vom örtlichen Sozialhilfeträger geförderte Kontakt- und Beratungsstelle betreibt oder mit einer solchen kooperiert.“

Durch die KBST besteht eine gute Gelegenheit, Tagesstättenbesuche anzubahnen. Ebenso kann Tagesstättenbesuchern nach dem Ende der Maßnahme eine Unterstützung in der KBST angeboten werden.

 

Einbeziehung ehrenamtlich Helfender:

In der KBST nehmen ehrenamtlich Helfende wichtige Aufgaben wahr. Neben dem praktischen Nutzen hat der unentgeltliche Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine hohe ideelle Bedeutung und ist beispielgebend für Entstigmatisierung und den Anspruch einer gemeindenahen Versorgung der Hilfesuchenden. Bedingung für dieses Engagement ist die Begleitung und Unterstützung durch die hauptamtlichen Kräfte der KBST. Gegenwärtig sind dort sieben Ehrenamtliche aktiv.

 

 

Zusammenfassung:

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die KBST größter Anbieter für kontaktstiftende Angebote für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im Kreis Coesfeld ist. Die in der zwischen Kreis und Caritasverband abgeschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung festgelegten Inhalte und Ziele wurden bisher fachgerecht und mit guten Ergebnissen verfolgt. Der Aufwand erscheint angemessen.

 

Lösung:

Die Verwaltung hat mit dem Caritasverband in Vorgesprächen eine Fortsetzung der Förderung der KBST ab dem 01.03.2024 erörtert und darin einen Konsens erzielt. Beiderseits wird eine Anpassungsregelung für erforderlich gehalten. Sollte also während der Vertragslaufzeit die KGST einen Bericht mit neuen Orientierungswerten für die Personal-, Sach- und Verwaltungsgemeinkosten vorlegen, soll der Förderbetrag entsprechend erhöht werden. Stichtag dafür ist jeweils der 31.07. eines laufenden Jahres. Eine Erhöhung auf der Basis der dann vorliegenden neuen KGST-Werte würde ab Beginn des Folgejahres gelten.

II.  Entscheidungsalternativen

 

Eine Einschränkung der Angebote wäre nicht bedarfsgerecht. KBST´s gehören wie beschrieben zur Grundausstattung der vernetzt angelegten gemeindenahen psychiatrischen Versorgung.

 

III. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

 

Der Förderbetrag des Kreises wird als Pauschale gewährt. Grundlage für dessen Berechnung sind die im jüngsten Bericht (Nr. 10/2023) der KGST vorgeschlagenen Werte für die Kosten eines Arbeitsplatzes:

a) Personalkosten: 0,5  Vollzeitstelle  Entgeltgruppe S 12, 1 VZ Entgeltgruppe S 11b, 0,4 VZ S 3

138.770 €

b) zuzüglich 15 %  der Personalkosten als Verwaltungsgemeinkosten

20.815,50 €

c) zuzüglich Sachkostenpauschale

14.425 €

d) zuzüglich Programmmittel

1.500 €

=

175.510,50 €

abzüglich Mindesteigenanteil des Angebotsträgers

10.000 €

= Förderbetrag

165.510,50

 

Wenngleich davon ausgegangen wird, dass der Caritasverband tatsächlich einen bedeutend höheren Beitrag zur Finanzierung der KBST leistet, soll auch im zukünftigen Vertrag ein Mindesteigenanteil in Höhe von 10.000 € festgelegt werden.  Im Jahr 2023 hat der Caritasverband für den Betrieb der KBST nach eigener Darstellung Eigenmittel in Höhe von 65.666,25 € aufgebracht. Wobei hierin auch Kosten für Leistungen eingerechnet wurden, die in der Vereinbarung mit dem Kreis nicht vorgesehen sind, z.B. für den Einsatz einer Sekretärin (zusätzlich zu den berücksichtigten Verwaltungsgemeinkosten).

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Für die Entscheidung über die Gewährung von Kreiszuschüssen ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs. 1 KrO NW).

 

 

 

 

 

Anlagen:

 

 

1.    Jahresbericht der Kontakt- und Beratungsstelle für 2022

2.    Konzept der Kontakt- und Beratungsstelle