Beschluss:
Der Kreis Coesfeld stimmt angesichts
unerwartet hoher Kostensteigerungen in der jüngeren Vergangenheit einer
außerordentlichen Kündigung der zwischen dem Kreis und dem Caritasverband für
den Kreis Coesfeld e.V. bestehenden Leistungs-, Vergütungs- und
Prüfungsvereinbarung zum Betrieb einer Kontakt- und Beratungsstelle für
Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen mit Wirkung
zum 29.02.2024 zu.
Die Förderung wird ab dem 01.03.2024
mit einem Betrag in Höhe von jährlich bis zu 165.510,50 € fortgesetzt. Berechnungsgrundlage sind
Orientierungswerte der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
(KGST). Erhöhen sich diese Werte während des dann laufenden Vertrages, ist eine
entsprechende Erhöhung des Förderbetrages ohne neue Beschlussfassung möglich.
Es ist eine Refinanzierung in Höhe von
80 % des Förderbetrages durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu
erwarten.
Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Angebotsträger eine neue
Vereinbarung abzuschließen. Deren Laufzeit ist zunächst bis zum 31.12.26 zu
begrenzen. Bei gleichbleibenden Konditionen kann die Vereinbarung um zwei Jahre
verlängert werden.
I. Sachverhalt:
Der Kreiscaritasverband hat 1995 in Dülmen nach Abstimmung mit dem
Kreis Coesfeld eine Kontakt- und Beratungsstelle (KBST) für Menschen mit
psychischen Erkrankungen und psychischen Behinderungen eingerichtet. Der Kreis
hat seither als freiwillige Leistung gemäß einer dem Verband vor Inbetriebnahme
gegebenen Zusage den überwiegenden Teil der Kosten getragen.
Mit Inkrafttreten der dritten Stufe des
BTHG sind zum 01.01.2020 gem. § 1 Abs. 1 AG SGB IX neue Zuständigkeiten auf den
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) übergegangen. Dies betrifft auch die
KBST´s für Menschen mit einer psychischen Behinderung. Allerdings wurden
Aufgaben rückdelegiert, wodurch die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche
Sozialhilfeträger im Rahmen der Heranziehungssatzung in der Verantwortung
bleiben. Der Kreis Coesfeld stellt die Durchführung der Aufgabe sicher, der LWL
finanziert die KBST´s mit. In Abstimmung mit dem LWL schließt der Kreis
Coesfeld weiterhin Verträge zur Aufgabenerfüllung mit potentiellen
Leistungserbringern ab.
Bei den Finanzierungsanteilen wird
zwischen Kosten der Eingliederungshilfe und Kosten der Daseinsfürsorge
unterschieden. Der LWL geht davon aus, dass in einer KBST zu 80 % von ihm zu
tragende Leistungen der Eingliederungshilfe und zu 20 % vom örtlichen
Sozialhilfeträger zu finanzierende Leistungen der Daseinsfürsorge (z.B.
Beratung von Angehörigen) erbracht werden. Dementsprechend übernimmt er zurzeit
80 % der nicht gedeckten Kosten, sofern im Verwendungsnachweis die zugrunde gelegte Aufgabenverteilung bestätigt wird. In den
bislang mit dem LWL abgerechneten Jahren traf dies zu.
Seit dem 01.01.2004 erfolgt die Förderung der derzeit mit bis zu 1,5
Fachkräften sowie einer Ergänzungskraft (Genesungsbegleitung, 0,4 Stelle) besetzten
KBST vom Kreis Coesfeld auf der Grundlage einer Leistungs-, Vergütungs- und
Prüfungsvereinbarung zuletzt mit jährlich bis zu 150.284,50 €
(Beschlüsse des Kreistages vom 15.10.2003, 18.06.2008, 02.03.2011, 17.06.2015,
09.09.2020 und 21.09.22). Der Kreistag hat die Förderung in seinem letzten
Beschluss in dieser Sache bis zunächst Ende 2024 begrenzt.
Automatische Anpassungen des Förderbetrages sind in der bestehenden
Vereinbarung nicht vorgesehen.
Der Caritasverband hat am 23.08.23 eine außerordentliche Kündigung der
Vereinbarung beim Kreis vorgelegt. Sowohl bei den Personal- als auch bei den
Sachkosten seien in den Jahren 2023 und 2024 erhebliche Tarif- und
Preissteigerungen festzustellen bzw. zu erwarten. Der Personal- und
Sachkostenanstieg im Jahr 2024 stelle eine unzumutbare Belastung dar.
Die Begründung ist nachvollziehbar. Eine über das bisherige Maß
hinausgehende Eigenbeteiligung des Trägers erscheint nicht zumutbar.
Aufgaben und Leistungsumfang der KBST:
Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen haben häufig Probleme, soziale Kontakte aufzunehmen und zu
pflegen. Die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben wird dadurch eingeschränkt.
Die über soziale Kontakte vermittelte Orientierung geht verloren, das
Selbstwertgefühl leidet. Krankheitsverläufe werden negativ beeinflusst und der
Behandlungs- und Rehabilitationsbedarf nimmt zu.
Ziel der KBST ist es,
die soziale, psychosoziale und kommunikative Kompetenz von Menschen mit
psychischen Erkrankungen zu fördern und
damit dazu beizutragen,
-
Voraussetzungen
für eine Behandlung, Rehabilitation und die Teilhabe am gemeinschaftlichen
Leben zu schaffen,
-
stationäre
Aufenthalte zu verkürzen oder zu verhindern,
-
krankheitsbedingte
Isolation abzubauen oder zu verhindern und
-
Angehörige
zu entlasten und dem sozialen Umfeld zu mehr Stabilität zu verhelfen.
Zur Erreichung dieser Ziele nimmt die KBST folgende Aufgaben wahr:
-
Hilfen
zur Gestaltung und Pflege sozialer Beziehungen, z.B. offene Frühstücksangebote,
Patientenclubarbeit, gesellige Gesprächsrunden, Spielgruppen, kulturelle oder
sportliche Aktivitäten, ein- oder mehrtägige Urlaubsfahrten,
-
Durchführung
themenzentrierter Gruppen, Auseinandersetzung mit selbstgewählten Themen,
-
alltags-
und lebenspraktische Anleitungen, z.B. zum Kochen, zur Haushaltsführung,
-
Beschäftigungsmöglichkeiten
und Angebote zur Förderung der Kreativität,
-
Beratung
von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen, deren Angehörigen
und weiteren Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld,
-
Weiterleitung
und Vermittlung Hilfesuchender zu anderen Hilfeangeboten,
-
Begleitung
und Anleitung von Laienhelfern.
Das Angebot der KBST ist schwerpunktmäßig auf erwachsene Menschen mit
chronischen psychischen Erkrankungen ausgerichtet, nicht aber auf Menschen mit
gerontopsychiatrischen Beeinträchtigungen oder Suchtkranke.
KBST´s
sind niedrigschwellig angelegt: keine Voranmeldung erforderlich, offene
Angebotszeiten, keine oder nur geringe Teilnahmegebühren, Möglichkeit anonymer
Teilnahme, niedrige Erwartungshaltung und Anforderungen an Besuchende. Sie sind
deshalb besonders geeignet, Menschen mit psychischen Erkrankungen einen Weg ins
Hilfesystem und damit zu verbesserter psychischer Gesundheit zu bieten.
Der bestehenden Vereinbarung zwischen Kreis und Caritasverband liegt
eine Stellenbesetzung mit einer an Werten der Kommunalen
Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST) orientierten
Vergütung zugrunde: 0,5 Vollzeitstelle S 12, 1 VZ S 11b, 0,4 VZ S 3
(Genesungsbegleitung).
Unter
der Voraussetzung, dass die tatsächlichen Kosten im angemessenen Verhältnis zur
Kreisförderung stehen und Personal mit den vereinbarungsgemäßen Qualifikationen
eingesetzt wird, wird kreisseitig toleriert, dass über die 0,4 S 3-Stelle
hinaus in der KBST weiteres Personal mit geringerer Vergütung als S 11b zum
Einsatz kommt. Dadurch können ein kostendämpfender Effekt erzielt und
Einstiegstarife mit Aufstiegschancen möglich werden. Zudem kann der
Caritasverband flexibler bei der Personalauswahl vorgehen. Es soll aber mindestens
eine 0,5 Vollzeitstelle mit einer nach S 12 vergüteten Kraft besetzt sein.
Entsprechende
Abweichungen in der personellen Besetzung sind zwischen dem Kreis Coesfeld und
dem Caritasverband abzustimmen. Sind Stellen mit geringerem Stundenumfang als
vorgesehen besetzt, müssen die Fördermittel anteilig zurückgezahlt werden.
Inanspruchnahmedaten:
Die KBST bietet
regelmäßig in sechs der elf kreisangehörigen Städte und Gemeinden offene
Gruppen an: Billerbeck, Coesfeld, Dülmen, Lüdinghausen, Nottuln und Olfen.
Inanspruchnahme der KBST nach Angaben des Angebotsträgers: |
2002 |
2006 |
2010 |
2012 |
2014 |
2016 |
2018 |
2020 |
2021 |
2022 |
Kontaktstellenbesucher/ innen |
145 |
196 |
148 |
194 |
155 |
172 |
181 |
186 |
192 |
288 |
Gruppenbesuche insgesamt |
2466 |
4764 |
4656 |
5377 |
5404 |
5615 |
5938 |
3334 |
1802 |
3601 |
Klientel in laufender Beratung* |
- |
- |
27 |
31 |
43 |
37 |
45 |
41 |
55 |
66 |
*Diese
Rubrik wird erst seit 2009 vom Angebotsträger im Jahresbericht ausgewiesen.
Klientinnen
und Klienten in laufender Beratung können auch Kontaktstellenbesucher*innen sein.
Die Zahlen geben nur bedingt Auskunft über die tatsächliche
Inanspruchnahme der Leistungen, denn diese kann auch anonym bzw. ohne Erfassung
persönlicher Daten erfolgen und ist dann bei den o.g. Werten nur bei den
Gruppenbesuchen berücksichtigt. Weitere Informationen können dem Jahresbericht
des Caritasverbandes für die KBST für das Jahr 2022 entnommen werden. (Anlage 1)
Infolge der Corona-Pandemie mussten die KBST-Angebote entsprechend der
Coronaschutzverordnung NRW deutlich zurückgefahren und zum Teil auf
telefonische Kontakte reduziert werden. Lockdowns und reduzierte Gruppengrößen
gemäß dem bestehenden Hygienekonzept spiegeln sich in den Zahlen der
Gruppenbesuche wider.
Versorgungsstandard:
Seit den 1980er Jahren wurden bundesweit Bettenkapazitäten in
psychiatrischen Kliniken abgebaut und gemeindenah ambulante Hilfen aus- und
umgebaut. Die Reformaktivitäten waren bestimmendes Leitmotiv für den 1995 vom
Kreistag verabschiedeten Psychiatrieplan. Institutionen wie die KBST ersetzen
alte Angebotsstrukturen und sind heute weit verbreiteter Versorgungsstandard.
Zusammenhang KBST und Förderung der Tagesstätten:
Der LWL finanziert die in Coesfeld und Dülmen bestehenden Tagesstätten
für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Laut den Förderrichtlinien des
LWL vom 01.01.2020 „wird ein Träger nur dann gefördert, wenn er mit der
Tagesstätte zugleich am Ort eine vom örtlichen Sozialhilfeträger geförderte
Kontakt- und Beratungsstelle betreibt oder mit einer solchen kooperiert.“
Durch
die KBST besteht eine gute Gelegenheit, Tagesstättenbesuche anzubahnen. Ebenso
kann Tagesstättenbesuchern nach dem Ende der Maßnahme eine Unterstützung in der
KBST angeboten werden.
Einbeziehung ehrenamtlich Helfender:
In der KBST nehmen ehrenamtlich Helfende wichtige Aufgaben wahr. Neben
dem praktischen Nutzen hat der unentgeltliche Einsatz von Bürgerinnen und
Bürgern für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine hohe ideelle
Bedeutung und ist beispielgebend für Entstigmatisierung und den Anspruch einer
gemeindenahen Versorgung der Hilfesuchenden. Bedingung für dieses Engagement
ist die Begleitung und Unterstützung durch die hauptamtlichen Kräfte der KBST.
Gegenwärtig sind dort sieben Ehrenamtliche aktiv.
Zusammenfassung:
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die KBST größter Anbieter für
kontaktstiftende Angebote für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im
Kreis Coesfeld ist. Die in der zwischen Kreis und Caritasverband
abgeschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung festgelegten
Inhalte und Ziele wurden bisher fachgerecht und mit guten Ergebnissen verfolgt.
Der Aufwand erscheint angemessen.
Lösung:
Die Verwaltung hat mit dem Caritasverband in Vorgesprächen eine
Fortsetzung der Förderung der KBST ab dem 01.03.2024 erörtert und darin einen
Konsens erzielt. Beiderseits wird eine Anpassungsregelung für erforderlich
gehalten. Sollte also während der Vertragslaufzeit die KGST einen Bericht mit
neuen Orientierungswerten für die Personal-, Sach- und Verwaltungsgemeinkosten
vorlegen, soll der Förderbetrag entsprechend erhöht werden. Stichtag dafür ist
jeweils der 31.07. eines laufenden Jahres. Eine Erhöhung auf der Basis der dann
vorliegenden neuen KGST-Werte würde ab Beginn des Folgejahres gelten.
II. Entscheidungsalternativen
Eine Einschränkung der Angebote wäre nicht bedarfsgerecht. KBST´s
gehören wie beschrieben zur Grundausstattung der vernetzt angelegten
gemeindenahen psychiatrischen Versorgung.
III. Auswirkungen /
Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)
Der Förderbetrag des
Kreises wird als Pauschale gewährt. Grundlage für dessen Berechnung sind die im
jüngsten Bericht (Nr. 10/2023) der KGST vorgeschlagenen
Werte für die Kosten eines Arbeitsplatzes:
a) Personalkosten: 0,5 Vollzeitstelle Entgeltgruppe S 12, 1 VZ Entgeltgruppe S
11b, 0,4 VZ S 3 |
138.770 € |
b) zuzüglich 15
% der Personalkosten als
Verwaltungsgemeinkosten |
20.815,50 € |
c) zuzüglich
Sachkostenpauschale |
14.425 € |
d) zuzüglich
Programmmittel |
1.500 € |
= |
175.510,50 € |
abzüglich
Mindesteigenanteil des Angebotsträgers |
10.000 € |
= Förderbetrag |
165.510,50 € |
Wenngleich davon ausgegangen wird,
dass der Caritasverband tatsächlich einen bedeutend höheren Beitrag zur
Finanzierung der KBST leistet, soll auch im zukünftigen Vertrag ein
Mindesteigenanteil in Höhe von 10.000 € festgelegt werden. Im Jahr 2023
hat der Caritasverband für den Betrieb der KBST nach eigener Darstellung
Eigenmittel in Höhe von 65.666,25 € aufgebracht. Wobei hierin auch Kosten für
Leistungen eingerechnet wurden, die in der Vereinbarung mit dem Kreis nicht
vorgesehen sind, z.B. für den Einsatz einer Sekretärin (zusätzlich zu den
berücksichtigten Verwaltungsgemeinkosten).
IV. Zuständigkeit für die Entscheidung
Für die Entscheidung über die Gewährung von Kreiszuschüssen ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs. 1 KrO NW).
Anlagen:
1. Jahresbericht der Kontakt- und
Beratungsstelle für 2022
2. Konzept der Kontakt- und
Beratungsstelle