Didaktischer Kommentar

Das bereitgestellte Online-Angebot kann man im schulischen Unterricht und in der außerschulischen Bildungsarbeit verwenden. Es versteht sich als Ergänzung zum Schulbuch und hilft ein zentrales Lehrplanthema vertieft zu behandeln. In diesem didaktischen Kommentar wird deutlich, dass die Auswahl in Bezug auf die Punkte Themen, Material/Quellen und Aufgabenstellungen durchdacht ist, aber zugleich die einzelnen Themenbereiche auch einzeln für sich behandelt werden können. Ausdrücklich verstehen sich die Impulse und Aufgabenstellungen als Vorschläge für einen kompetenzorientierten Unterricht, der die Möglichkeit zum korrelativen Lernen eröffnet. Vom zeitlichen Umfang her ist alles möglich, von dem Einsatz ausgewählter Arbeitsblätter/Materialien im Rahmen einer Einzel- oder Doppelstunde bis hin zu einem Projekt mit einer mehrmonatigen Laufzeit. Fachschaften in den einzelnen Schulen sollten ihre Mitglieder auf das Online-Angebot aufmerksam machen und schauen, wie sie es in ihr schulinternes Curriculum aufnehmen können. Gerade Lehrkräfte, die nicht so vertraut mit der Geschichte ihres Schulortes bzw. mit der regionalen Geschichte sind, finden eine gute Orientierung. Für erfahrene Lehrpersonen werden bislang unbekannte Quellen zugänglich gemacht und neue didaktische Anregungen vermittelt. 

Die zentrale Aufgabe des schulischen Geschichtsunterrichts ist die Förderung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins, denn Fragen und Arten des Zugriffs sind immer zeitgebunden! Hierzu heißt es im kompetenzorientierten Kernlehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen: „Geschichtsbewusstsein meint die Verschränkung der Wahrnehmungen und Deutungen von Vergangenheit mit Gegenwartserfahrungen und Zukunftserwartungen. Das angestrebte Geschichtsbewusstsein wird als reflektiert gekennzeichnet, um zu betonen, dass es sich des Konstruktionscharakters von Geschichte, seiner eigenen Standortgebundenheit und Perspektivität bewusst sein soll. Die Beherrschung der Fähigkeiten zur sinnbildenden Darstellung von Geschichte sowie zur Analyse und Beurteilung historischer Narrationen charakterisieren ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein.“ [1]

Der Fokus der Module richtet sich auf die Täter, die auf Kreisebene aktiv waren. Bei der Gewinnung von Urteilskompetenz geht es um das Verhältnis von Strukturen und Einzelpersonen. Fragen von Kontinuität und Diskontinuität, sowie von Schuld und Verantwortung der Handelnden sind in den Blick zu nehmen, um ihre Bedeutung für die Entwicklung bzw. Transformation oder Veränderung zu beurteilen.

In erster Linie richtet sich diese Publikation an Oberstufenkurse, allerdings kann man einige der modularen Bausteine schon in der zweiten Hälfte der Sekundarstufe I (Kl. 8-10) einsetzen.

Anhand der Auswahl von schriftlichen und visuellen Quellen aus den Gebieten des heutigen Kreises Coesfelds und Orten, die in der Zeit des Nationalsozialismus zu den damaligen Landkreisen Coesfeld und Lüdinghausen gehörten, werden hierdurch allgemeine historische Themen und damit auch die Wechselwirkungen zwischen Mikro-, Meso- und Makroebene veranschaulicht. Die Geschichte des Kreises ist auch immer die Geschichte seiner Gemeinden.

Darüber hinaus findet die Förderung geschichtswissenschaftlicher Kompetenzen, wie Quellenkritik, Multiperspektivität und Dekonstruktionskompetenzen, eine passende Berücksichtigung. So soll ein kritisches Geschichtsbewusstsein bei den Schülerinnen und Schülern angeregt bzw. ausgebaut werden.

In Bezug auf ihre Interpretation sind historische Texte (in diesem Fall besonders: Verwaltungsakten und Sitzungsprotokolle) anspruchsvolle Quellen. Will man sie zum Gegenstand historischer Bildung machen, so benötigen sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler Kontextinformationen zu den jeweils verwendeten Texten. Neben den vielfältigen Informationen in den Teilen „Grundlagen 1 und 2“ gibt es zu den einzelnen Quellen Hintergrundinformationen. Nur so lassen sich Arbeits- und Erkenntnisprozesse in Gang setzen. Darüber hinaus müssen Schülerinnen und Schülern gezielt Kompetenzen zur Textanalyse vermittelt werden, d.h. sie müssen lernen, dass Texte sich mitunter nicht von selbst erschließen, sondern mit Hilfe eines spezifischen methodischen Instrumentariums zu befragen sind.

Der Fragenkatalog „Arbeitsschritte zur Interpretation schriftlicher Quellen“ dient als Richtschnur, er und weitere Leitfäden sind in der Datei „Allgemeine Impulse für den Unterricht und die Forschungsarbeit“ versammelt. Selbstverständlich können Lehrkräfte auf die in ihrem Schulbuch aufgeführten Methodenseiten zurückgreifen und sollten diese Handreichung als Ergänzung ansehen. Neben unterschiedlichen Textarten werden auch historische Fotos verwendet.

Die Themen in den fünf Modulen sind möglichst personenorientiert, um besonders ansprechend, nachvollziehbar und konkret zu sein. Neben dem lokalen bzw. regionalen Aspekt ist besonders hervorzuheben, dass die Module weniger die bisher stark beachtete Opferperspektive einnehmen, sondern eher die Täter in den Fokus rücken.

In diesem Material beschäftigen sich die Themen „Machtübertragung“, „Gleichschaltung“ und „Etablierung der Herrschaft“ mit der Anfangszeit der NS-Diktatur (grob 1933 bis 1935). Die beiden weiteren Module wenden sich dem ideologischen Leitbegriff „Volksgemeinschaft“ zu und untersuchen dabei die Ambivalenz des Begriffs und seiner Umsetzung. In jedem Modul führen Fotos und ein Text sowie mehrere Fragen in die jeweilige Thematik ein und regen zur Planung des weiteren Vorhabens an. Unter "Schnelleinstieg" gibt es Arbeitsblätter, die sofort im Unterricht eingesetzt werden können. Die vertiefende Auseinandersetzung mit den archivalischen Quellen benötigt eine sorgfältige Planung.

Angesichts der Fülle an Material und Anregungen ist selbstverständlich, dass die Lehrkraft selbst eine Auswahl treffen muss. So kann man ein einzelnes Modul bearbeiten, eine Kombination ist aber auch möglich. Die eigenverantwortliche Auswahl der Vorschläge ermöglicht es, die für die eigene Lerngruppe geeignete Arbeitsweise auszuwählen. Auch binnendifferenziertes und sprachsensibles Arbeiten nach Leistungsniveau oder Interesse der Schülerinnen und Schüler ist möglich.

Wenn es technisch möglich ist, sollten die Lernenden auf das Material auf digitalen Endgeräten individuell zugreifen können. Die Quellen liegen zum großen Teil als eingescannte Dateien vor, sie vermitteln so einen authentischen Eindruck und sind gut lesbar, v.a. wenn man an einem Tablett oder Notebook den Text größer darstellt, heranzoomt.


[1] Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen, Geschichte, Düsseldorf 2014, S. 12.

In der Dauerausstellung des Coesfelder Stadtmuseums hängen im Raum zum Nationalsozialismus zwei Schulwandkarten, Foto: Hendrik Martin Lange. Auf dem Infokärtchen daneben steht: „Schulwandkarten. Entworfen von der russisch-deutschen Anthropologin Sophie Ehrhardt (1902-1990) aus dem Bestand einer Coesfelder Schule, 1925 – 1940.“ Sophie Ehrhardt war eine bekannte Wissenschaftlerin, die sich vor allem ab 1930 von der Zoologie hin zur Anthropologie wandte. Im Nationalsozialismus machte sie Karriere, da sie sich mit rassenideologischen Fragestellungen beschäftigte. So arbeitete sie für die Rassenhygienische Forschungsstelle unter der Leitung von Robert Ritter und erfasste, kategorisierte und selektierte Tausende von sogenannten „Zigeunern“, insbesondere deutsche Sinti. Die Mehrheit dieser Sinti wurde deportiert und im „Zigeunerlager Auschwitz“ ermordet. Nach 1945 arbeitete Ehrhardt weiterhin an der Universität Tübingen als Dozentin. Sie veröffentlichte nicht zuletzt auf der Grundlage ihrer NS-Studien verschiedene Schriften und erhielt mithin zeitweise Fördergelder für weitere „Zigeunerforschungen“. Wie häufig die Wandkarten im Unterricht eingesetzt wurden und ob sie gut sichtbar im Unterrichtsraum aushingen, ist leider nicht überliefert. Die nationalsozialistische Rassenlehre entsprach aber schon damals nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis. Den ideologischen Ansatz sieht man z.B. daran, dass die Deutschen und der Japaner auf dem Foto einen Anzug tragen, während „minderwertige Rassen“ nackt präsentiert werden.

Verortung im Unterricht

Die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus erfolgt obligatorisch im Geschichtsunterricht (bzw. dem Fach Gesellschaftslehre) an den weiterführenden Schulen in der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II (sowohl im Leistungs- und Grundkurs als auch in Zusatzkursen). Die fünf Module sind mit ideologischen Schlagworten versehen, die für die Behandlung des Nationalsozialismus unabdingbar sind. Verzichten kann man an dieser Stelle auf längere Ausführungen, die den Kernlehrplan zitieren, Hinweise auf die kompetenzorientierten drei Anforderungsbereiche sind aber nötig.

Der Anforderungsbereich I umfasst das Wiedergeben von Sachverhalten aus einem abgegrenzten Gebiet und im gelernten Zusammenhang unter rein reproduktivem Benutzen eingeübter Arbeitstechniken. Dies erfordert vor allem Reproduktionsleistungen, insbesondere:

  • Wiedergeben von grundlegendem historischen Fachwissen 
  • Bestimmen der Quellenart 
  • Unterscheiden von Quellen und Darstellungen
  • Entnehmen von Informationen aus Quellen und Darstellungen 
  • Bestimmen von Raum und Zeit historischer Sachverhalte

Der Anforderungsbereich II umfasst das selbstständige Erklären, Bearbeiten und Ordnen bekannter Inhalte und das angemessene Anwenden gelernter Inhalte und Methoden auf andere Sachverhalte. Dies erfordert vor allem Reorganisations- und Transferleistungen, insbesondere:

  • Erklären kausaler, struktureller bzw. zeitlicher Zusammenhänge 
  • Sinnvolles Verknüpfen historischer Sachverhalte zu Verläufen und Strukturen 
  • Analysieren von Quellen oder Darstellungen 
  • Konkretisieren bzw. Abstrahieren von Aussagen der Quelle oder Darstellung

Der Anforderungsbereich III umfasst den reflexiven Umgang mit neuen Problemstellungen, den eingesetzten Methoden und gewonnenen Erkenntnissen, um zu eigenständigen Begründungen, Folgerungen, Deutungen und Wertungen zu gelangen. Dies erfordert vor allem Leistungen der Reflexion und Problemlösung, insbesondere: 

  • Entfalten einer strukturierten, multiperspektivischen und problembewussten historischen Argumentation 
  • Diskutieren historischer Sachverhalte und Probleme
  • Überprüfen von Hypothesen zu historischen Fragestellungen
  • Entwickeln eigener Deutungen 
  • Reflektieren der eigenen Urteilsbildung unter Beachtung historischer bzw. gegenwärtiger ethischer, moralischer und normativer Kategorien

Selbstverständlich erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus je nach Jahrgangsstufe und Schulform auf unterschiedlichen Niveaustufen. Für alle Lerngruppen, die mit diesem Material arbeiten sollen, ist freilich zu empfehlen, dass die Schülerinnen und Schüler wesentliches Basiswissen über die Zeit des Nationalsozialismus bereits erworben bzw. wiederholend vertieft haben. Für den Unterricht in der Qualifikationsphase in der gymnasialen Oberstufe eignen sich die Quellen auch, um Fragestellungen für Referate oder Facharbeiten zu gewinnen.

Ein Anknüpfungspunkt kann auch der regionalgeschichtliche Aspekt sein, indem die Quellen eine Beschäftigung mit lokalen Ehren- und Denkmälern oder einen Museums-Besuch anregen. Außerschulische Partner sind Archive, Büchereien, Historiker und Heimatvereine.

Ein Großteil des Materials eignet sich zudem für Phasen des selbstgesteuerten Lernens. Dieses erfolgt immer häufiger im Präsenzunterricht, aber natürlich auch im digitalen Unterricht (Wechselunterricht, Homeschooling, Lernen auf Distanz). An einigen Stellen werden auch Möglichkeiten zum fächerübergreifenden bzw. fächerverbindenden Lernen aufgezeigt. Neben dem regulären Unterricht mit zwei bis maximal fünf Wochenstunden sind auch Projekttage oder Projektwochen möglich. Im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften (AGs) oder Ergänzungs- und Projektstunden bietet das Thema genug „Stoff“ für ein halbes oder ganzes Schulhalbjahr. Schließlich könnte man an Wettbewerben teilnehmen.

Aufbau der Module

Die eigentlichen Module sind dann immer wie folgt aufgebaut:

  1. Einführung (die Texte sind flankiert durch Bildquellen, die ebenfalls kürzere oder längere Begleittexte haben)
  2. Fragen (Leitfragen, die das weitere Vorgehen strukturieren können) 
  3. Schnelleinstieg (Arbeitsblätter im PDF-Format, direkt im Unterricht als Kopie oder digital einsetzbar)
  4. Zugang/Methode (Schlagwortartige Vorstellung des didaktischen Ansatzes)
  5. Kommentar (Hinweise zur Quellenlage und zur konkreten Umsetzung für die Lehrkraft)
  6. Aufgaben (Auswahl und Anpassung an das jeweilige Lernsetting wichtig!)
  7. Quellen (Scans von Archivquellen)
  8. evtl. Zusatzinformationen (bei Bedarf: weitere Hinweise für die Lehrperson und ggf. für die Lerngruppe)

Allgemeine Impulse für den Unterricht und die Forschungsarbeit

Anregungen für weitere Themen und Kooperationsmöglichkeiten

Die vorgestellten Themen bieten schon vertiefende Einblicke in die Geschichte des Nationalsozialismus in der Region. Eine Vielzahl an weiteren Aspekten müsste erstmal wissenschaftlich erschlossen oder zumindest didaktisch aufbereitet werden. Einige Vorschläge eignen sich für Referate oder Facharbeiten, andere eher für universitäre Seminar- oder gar Qualifikationsarbeiten.

Diese längst nicht abgeschlossene Liste an Anregungen bringt jeweils die Makro-, Meso- und Mikroebene zusammen, legt die schulinterne Zusammenarbeit (fächerübergreifender/fächerverbindender Unterricht) und die Kooperation mit schulexternen Partnern nahe. Zivilgesellschaftliche Gruppen (Jugendgruppen, Vereine, Kirchengemeinden, Parteien) können sich damit natürlich auch beschäftigen.

Mögliche Projekte mit lokalem und regionalem Fokus:

  • Deutsch: Analyse der Tageszeitung
  • Englisch / Französisch: Projekt mit der Partnerstadt oder der Partnerschule (bilingualer Stadtrundgang, Ortsgeschichte)
  • Erdkunde/Politik/Wirtschaft/Chemie: Das Streben nach Autarkie oder die Suche nach Erdöl und der Abbau von Strontianit im Kreis Lüdinghausen [2]
  • Kunst: Künstlerinnen und Künstler im Nationalsozialismus (Beispiel Coesfeld: Antonia Berning und Hety Thier)
  • Musik: Geschichte eines Musikvereins. Schule: Musikunterricht und HJ
  • Pädagogik: Gauführerschule im Schloss Nordkirchen
  • Pädagogik: NS-Lehrhof im beschlagnahmten Kloster Gerleve [3]
  • Religionslehre: Die Kirchengemeinde(n) vor Ort im Nationalsozialismus
  • Sport: Geschichte eines Sportvereins (Fußball-, Reit-, Turnvereins). Schule: Fachunterricht und Wettkämpfe
  • Technik/Physik: Automobile, Eisenbahn, landwirtschaftliche Geräte (Museumsbahnhöfe, Heimatvereine, Motor-Clubs)
  • Kultur/Medien/Wirtschaft: Kino (Betreiber, Gebäude, Filme, …)
  • Festkultur: Karneval und Schützenfest (auch: Nachbarschaftsfeste, lokale Bräuche)
  • Frauen: Rollenbilder und Realität
  • Oral History: Zeitzeugenbefragungen bzw. immer mehr Auswertung von schon geführten Gesprächen
  • Visual History: Analyse privater Fotoalben
  • Familiengeschichte/Genealogie: Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte oder einer ausgewählten Familie
  • Vorbereitung und Durchführung von Gedenkveranstaltungen
  • Organisation einer Ausstellung in Kooperation mit Museen, Vereinen, Geschäften

[2] Vgl. zum Erdöl: Limbach; Mertens: Aus der Geschichte des Kreises Lüdinghausen 1803-1974, S. 73. Und zum Strontianit: Börnchen, Martin: Der Strontianitbergbau im Münsterland – Spurensuche in Ascheberg und Herbern, in: Geschichsblätter des Kreises Coesfeld, 30. Jahrgang, 2005, S. 113-132.

[3] Vgl. Hildebrand: Landwirtschaftliche Berufsbildung und ideologische Schulung für die Ostsiedlung, in: Westfälische Zeitschrift 155/2005, S. 199-235.

Kommentiertes Literaturverzeichnis zur Regional- und Ortsgeschichte

Kommentiertes Literaturverzeichnis zum didaktischen Material

Informationen zu Archiven, Museen und Gedenkstätten